Heiß ersehnt
Iwart auf a Packerl, aber es kummt net, dachte Paula Ender besorgt. Wieder war ein Vormittag vergangen, an dem sie extra zu Hause geblieben war, um eine dringend erwartete Paketlieferung in Empfang zu nehmen und – wieder nichts. Zum einen saßen ihr die Auftraggeber im Nacken, die bereits nervös auf ihre Bücher warteten, zum anderen hatte sie keine Lust, das schwere Paket den weiten Weg von der Abholstelle bis nach Hause zu schleppen. Zum gefühlten 1001. Mal sah Paula im Postkasten nach. Watzlawicks „Hammer-Syndrom“hatte schon vor Stunden Besitz von ihr ergriffen: Sie misstraute mittlerweile allen Paketzustellern und malte sich aus, wie diese, anstatt bei ihr anzuläuten, nur eine Zustellverständigung hinterließen, um das schwere Paket nicht selbst die zwei Stockwerke hinaufschleppen zu müssen.
Es wäre nicht das erste Mal gewesen, dass ihr schriftlich mitgeteilt wurde, dass sie trotz Anwesenheit nicht zu Hause gewesen war. Nachträgliche Beschwerden bei der Hotline brachten nichts, so viel wusste Paula schon. „Wahrscheinlich haben S’ die Klingel net g’hört“, lautete beim letzten Mal die Antwort des psychologisch geschulten Callcenter-Mitarbeiters. Im Postkasten fand Paula nur zwei Rechnungen, auf die sie gut und gern verzichtet hätte.
Weit und breit keine Zustellverständigung, schon gar kein Paketlieferant. Ihr Handy klingelte. „Frau Magister Ender, wo bleiben denn unsere Bücher? Sie wissen ja, dass wir sie heute Abend brauchen. Wir sitzen auf Nadeln“, jammerte Direktor Pfeifer von Bla Bla Consulting, dessen Unternehmen in wenigen Stunden sein fünfjähriges Bestehen feierte. Paula war für diesen Anlass beauftragt worden, einen Krimi zu schreiben, in dem das Unternehmen zur Abwechslung einmal nicht in einen realen Kriminalfall verwickelt war, sondern bei der Aufklärung eines fiktiven mitwirkte.
Wenn Paula nur im Vorhinein gewusst hätte, was mit diesem Auftrag auf sie zukommen würde! Nicht nur, dass jeder, der im Krimi vorkam – und das war quasi die ganze Belegschaft, die aus vier Direktoren und einer Sekretärin bestand – laufend Änderungen zu seiner Person einforderte.
HONIGWABE
Ilona Mayer-Zach
Zustellmitteilung: Die Pakete mit den aktuellen Neuerscheinungen der Autorin – „Eine Leiche für Helene“und „Helene Kaiser ermittelt in Graz“(beide Gmeiner) – sind mittlerweile in den Buchhandlungen eingelangt. www.imnetzwerk.at
www.krimiautoren.at
Als am pflegeleichtesten stellte sich letztendlich die Putzfrau heraus. Als Paula ihr die Textpassage zeigte, in der sie ihr einen, wie sie fand, sehr sympathischen Auftritt zugeteilt hatte, schüttelte die Perle nur den Kopf: „Ich nix in Buchel bitte. Mann nix wollen.“Mit dem Streichen weniger Sätze war zumindest eine Person zufriedengestellt. Nachdem endlich alle halbwegs glücklich waren und Paula die Freigabe erhalten hatte, redete sie mit Engelszungen auf den netten Mann von der Druckerei ein, damit dieser den genannten Termin um vier Tage vorverlegte. Alles wäre perfekt gewesen, wenn, ja wenn das Paket wie versprochen geliefert worden wäre.
„Ihnen ist aber schon klar, dass wir keinen Cent bezahlen, wenn die Krimis nicht spätestens in zwei Stunden bei uns eintreffen“, musste sich Paula vom Direktor anhören. „Ich melde mich gleich wieder“, würgte Paula das Gespräch ab. Sie hatte keine Zeit zu verlieren und rief bei der Paketzustellung an. Zum Glück hatte sie die Nummer der Sendung. Die Warteschleife sägte weiter an Paulas Neven, bis sie schließlich doch noch von einer freundlichen Dame darüber informiert wurde, dass das Paket bereits am Vortag ausgeliefert worden war.
„Das kann nicht sein, ich war den ganzen Tag zu Hause“, widersprach Paula. „Hier steht, dass das Paket um 11 Uhr 25 abgegeben wurde. Wahrscheinlich haben S’ die Klingel net g’hört.“Paula war mit den Nerven am Ende.
„Haben Sie vielleicht gestern ein Paket für mich übernommen?“, fragte sie wenig später ihre Nachbarin Irmgard Grün, die über ihr wohnte. „Leider nein, liebes Fräulein Ender“, schüttelte die Nachbarin den Kopf. „Ich befürchte, ich kann Ihnen nicht weiterhelfen. Ich war gestern am späten Vormittag am Bauernmarkt. Aber haben Sie es schon beim Hofrat Glück probiert? Der ist ja im ganzen Bezirk als Zeitungsdieb bekannt. Jeden Sonntag macht er mit seinem Hund eine Runde und kehrt mit sämtlichen Blättern unterm Arm zurück, die in den Zeitungstaschen angeboten werden. Zwei Cent schmeißt er immer hinein, damit es so ausschaut, dass er eh bezahlt“, flüsterte sie. „Vielleicht wollte der Hofrat zur Abwechslung mal ein Gratisbuch le-
BUCHSTABENBUND sen? Am besten, Sie probieren es bei ihm. Aber bitte verraten Sie mich nicht.“Paula versprach ihr absolute Diskretion und bedankte sich für den Tipp. „Gern geschehen. Wir Frauen müssen zusammenhalten.“Frau Grün zwinkerte Paula fröhlich zu.
„Ja, grüß Gott. Schon lange nicht mehr gesehen!“Hofrat Glück öffnete die Tür und gab den Blick auf sein Vorzimmer frei, in dem sich Zeitungen, Bücher und Kartons stapelten. Als Paula ihn fragte, ob er am Vortag ihr Paket übernommen habe, schaute Hofrat Glück sie treuherzig an. „Nein, liebe Frau Magistra. Ich war gestern auf dem Flohmarkt und habe von fünf Uhr morgens bis acht Uhr abends alte Bücher verkauft“, sagte er. Paula wusste nicht, ob sie ihm glauben sollte. Oder vielleicht hatte er auch einige ihrer Bücher verkauft? Aber sie konnte schwer in seine Wohnung gehen und darin stöbern. Abgesehen davon, hätte sie in seiner Messie-Wohnung ohnehin nichts gefunden.
„Wie nett, Frau Engerl“, wurde Paula von Rosa Müller, die unter ihr wohnte, herzlich begrüßt. „Haben Sie vielleicht eine Bücherlieferung für mich übernommen?“, fragte Paula. „Nein, liebe Frau Engerl, Bücher habe ich keine. Brauchen Sie denn welche? Machen Sie eine Sammlung? Das ist sehr nett. Sie machen Ihrem Namen wirklich alle Ehre.“
Paula bedankte sich bei der Schwerhörigen und verzichtete darauf sie aufzuklären, dass sie weder Bücher sammelte noch Engerl hieß oder eines war. Da stand Paula nun und hatte noch immer keine Ahnung, wo sich die vermaledeiten Bücher befanden. Nun klingelte auch noch das Handy. Pfeifer! Im selben Moment fiel ihr ein, wen sie zur Rede stellen musste. Wer hat die Büchersendung übernommen? Lösung der vergangenen Woche: Franz und Marika knutschten nicht, sie stritten um die Gestaltung des Drogenmarktes in Schladming. Martin musste mitgehört haben. Das war sein Todesurteil gewesen. Aber es gab zwei Täter: Franz und Marika gaben ihm je ein Glas mit einer Überdosis, und er trank beide aus. Antonia Berger hatte ihn kurz davor abblitzen lassen.
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