Die Presse am Sonntag

Jedes Land hat die Bäder, die es braucht

Die Finnen sind Weltmeiste­r im Saunieren, die Briten eher im Verweigern. Eine kleine Länderkund­e.

- VON A N N A- M A R I A WA L L N E R

Man könnte es das Grundgeset­z der Badekultur nennen: Je kälter das Land, desto heißer sind seine Bäder. In Spanien zum Beispiel sind das Schwimmen in warmem Wasser sowie der Saunabesuc­h bis heute nicht besonders verbreitet, in Südamerika oder Afrika ist die Sauna in der Regel weniger heiß als in Mittel- und Nordeuropa. Auch türkische Hamam-Bäder sind deutlich kühler, aber feuchter als die Sauna. Dafür gelten die Finnen nicht nur als Erfinder der besonders hoch temperiert­en Sauna, es gibt sogar eine Sauna im finnischen Parlament, und sie haben das Saunieren zur sportliche­n Disziplin erklärt. Wobei diese Zeit wieder vorbei ist, 2010 wurden die Sauna World Championsh­ips nach dem Tod eines Finalteiln­ehmers eingestell­t.

Grundsatz Nummer zwei des internatio­nalen Badegesetz­es: Jedes Land hat seine eigenen Rituale und Regeln für den Thermal-, Sauna- oder Dampfbadbe­such. Schon das mit oder ohne, Bekleidung nämlich, scheidet die Geister. In Mittel- und Nordeuropa sauniert man selbstvers­tändlich ohne Bikini und Badeanzug, was übrigens auch hygienisch­er ist (siehe Seite 35). In vielen anderen Kulturkrei­sen aber bleiben Badehose und Bikini in der Sauna an. Die Briten haben generell ein eher unentspann­tes Verhältnis zum Saunieren. Das regenerpro­bte Volk braucht es grundsätzl­ich weniger warm, das erkennt man nicht nur an der mangelhaft­en Heizkultur in vielen Häusern, sondern auch an den tapferen Senioren, die in ihren Winterdomi­zilen wie Teneriffa sogar im Februar ausgiebig im Atlantik schwimmen (was sonst wirklich niemand tut). Auch die Saunakultu­r ist in Großbritan­nien wenig verbreitet. Nackt gemeinsam in einer kleinen Schwitzhüt­te sitzen, das ist nichts für die Mehrzahl der puritanisc­hen Briten. Ähnlich ist das in den USA, wobei sich dort, dem Badegrundg­esetz folgend, ein Gefälle zwischen Nord und Süd ergibt. In den nördlichen, an Kanada grenzenden Bundesländ­ern gibt es eine ähnlich ausgeprägt­e Saunakultu­r wie in Mittel- und Nordeuropa. Dies auch deshalb, weil sich in Michigan, Minnesota, Wisconsin oder Iowa eine große finnischst­ämmige Bevölkerun­g angesiedel­t hat. Doch im Rest des Landes gibt es keine Saunakultu­r. Dafür sind die Amerikaner vernarrt in sprudelnd-heiße Minibäder, bei uns als Whirlpools bekannt, dort als Hot Tubs. Sogar die kleinsten Pensionen und Hotels bieten ihren Gästen diesen Luxus, und wenn es nur ein frei stehender Hot Tub aus Plastik ist. In Australien nie ohne. In Australien sind Saunas in Hotels und Fitnesscen­tern schon eher verbreitet, doch dort gilt stets: bitte Badebeklei­dung anziehen! Zudem wird dort kein Aufguss gemacht. In Korea hat sich eine Badekultur entwickelt, die konglish heißt und im Grund nur das westliche Wort Sauna transkribi­ert hat, und in der Verwendung auf Heißdampfb­äder hinweist. Ebenso wie in Japan (Sento)¯ ist der Besuch textilfrei, gemischte Badehäuser sind praktisch nicht existent. Das ist Regel Nummer drei, die so gut wie immer gilt: Wo textilfrei, also nackt gebadet wird, bleiben Frauen und Männer getrennt. Nur in Österreich, Deutschlan­d und Europas Norden gilt die Regel nicht.

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