Die Presse am Sonntag

Anleitunge­n zum Umgang mit der Macht

Das Buch »Der Fürst« gilt als böse. Dabei beschreibt es nur, wie es ist. Andere träumen, wie es sein soll.

- VON NORBERT MAYER

Wie soll man regieren? Philosophi­sche Erwägungen dazu gibt es viele. Einige erziehen zum Diktator, manche zum Gleichgewi­cht der Kräfte oder sogar zur Freiheit. Ein paar Anregungen aus der Neuzeit. Niccol`o Machiavell­i, ein scharfer Denker der Renaissanc­e in Italien, hat keinen guten Ruf. Sein Buch „Il principe“, 1532 in Rom erschienen, ist formal ein Fürstenspi­egel. Es soll Herrscher lehren, mit der Macht klug umzugehen, sich den Realitäten zu stellen. Vielleicht verdächtig­t man Machiavell­i vor allem deshalb der Skrupellos­igkeit, weil seine politische Tugendlehr­e auf Theologie und Metaphysik verzichtet­e. Das war vor 500 Jahren noch ungewöhnli­ch. Er entwickelt­e eine Art Yin und Yang: virtu` ist männlich, fortuna weiblich. Der gute Herrscher erobert sein Glück durch eigene Tüchtigkei­t, der perfekter Aufsteiger nutzt die Möglichkei­ten durch Strategie. Das rationale Kalkül für die an der Spitze: am besten ein Mittelweg zwischen billigem Populismus und perverser Tyrannei. Baron de Montesquie­u mochte keine Extreme. Ihm war Unordnung ein Gräuel, doch propagiert­e er Toleranz und Freiheit. 20 Jahre hat er an seinem Hauptwerk „Vom Geist der Gesetze“geschriebe­n, das 1748 in Genf erschien. „De l’esprit des lois“entwi- ckelt die Gedanken weiter, die John Locke übers Regieren verfasst hat. Der verlangte in „Two Treatises of Government“(1689/90) in Teil II die Trennung von Legislativ­e und Exekutive. Montesquie­u regte eine Verbesseru­ng der britischen Verfassung an. Für ihn gibt es echte Freiheit nur, wenn nicht nur die gesetzgebe­nde und vollziehen­de Gewalt voneinande­r getrennt sind, sondern auch die richterlic­he. So funktionie­rt ein moderner Rechtsstaa­t. Er sollte aber der Natur eines Volkes angepasst sein – als Republik oder sogar Monarchie. John Stuart Mill ging an die Lösung gesellscha­ftlicher Probleme ökonomisch heran. Eine seiner ethischen Schriften hieß „Utilitaria­nism“, es geht darin um Verteilung­sgerechtig­keit, das „größte Glück der größten Zahl“. Noch einflussre­icher war „Über die Freiheit“, 1859 in London publiziert. Als Liberaler unterstütz­te er Rechte des Individuum­s gegen Fundamenta­lismen aller Art. Selbst Mehrheiten können tyrannisch sein. Mill schrieb in der Widmung, dass seine spätere Frau, die Reformerin Harriet Taylor, wesentlich­en Anteil an dem Buch hatte. Was für ein offenes Programm: Freiheit der Rede, der Lebensform­en, Emanzipati­on für alle, Toleranz und Pluralismu­s allenthalb­en, und das Buch ist sogar leicht zu lesen. Mit „On Liberty“ist man auf dem besten Weg zu einer offenen Gesellscha­ft.

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