Schön scheitern: Nicht in Österreich
Wer hierzulande pleitegeht, verliert nicht nur Geld, sondern oft auch sein Ansehen. In Österreich fehle eine Kultur des Scheiterns, heißt es. Wie fühlt sich das an? Betroffene erzählen.
Dass er selbst schuld war, dass seine Firma pleitegegangen ist, gibt Stefan Ossovsky ganz offen zu. „Ich bin zu gierig geworden“, sagt der heute 30-jährige ehemalige Unternehmer. Zu jung und zu unerfahren sei er auch gewesen. Ossovsky ist groß, sportlich, hat eine Glatze. Er formuliert viel als Frage. Zum Beispiel: „Können Sie sich das vorstellen? Dass Sie nach Hause kommen und dem Menschen, mit dem sie seit acht Jahren zusammen sind, sagen müssen, dass es jetzt einmal ein paar Jahre keinen Urlaub gibt?“Mit 23 Jahren gründete er seine erste Firma. Etwa zweieinhalb Jahre später war sie zahlungsunfähig. Dass er gescheitert ist, stört Ossovsky nicht. Was ihn schon stört, ist, wie sein Scheitern aufgenommen wurde. „Scheitern wird bei uns einfach nicht akzeptiert“, sagt er.
Aber von vorn. Ossovsky wusste früh, dass ein Angestelltendasein eigentlich nicht das Richtige für ihn ist. Er habe eine große Klappe, sei ein richtiger Dickkopf, sagt er über sich selbst. Nach der kaufmännischen Lehre bei der Mannesmann Anlagenbau Austria AG blieb er als Angestellter im Verkauf. Seine Zahlen waren gut, es folgte ein Angebot von einer anderen Firma. Als diese pleiteging, zog es Ossovsky in die Selbstständigkeit. Für „Exklusivhäuser“(ab 300.000 Euro aufwärts, nur das Haus) stellte er Einrichtungen zusammen. Es lief gut. Dann kam die Gier. Ossovsky lernte jemanden kennen, der ihm vorschlug, sich für ein Großprojekt zusammenzutun. Das Projekt wurde zu groß. „Innerhalb von vier Monaten ist alles in die Brüche gegangen.“ „Wollte Mensch bleiben.“Der nächste Schritt wäre der in den Privatkonkurs gewesen. „Aber ich wollte das nicht. Ich wollte Mensch bleiben, meine Ehre behalten.“Wer Privatkonkurs anmeldet, hat eine realistische Chance, dass ihm seine Schulden teilweise erlassen werden. Aber im Gegenzug wird sieben Jahre lang alles abgeschöpft, was über dem Existenzminimum liegt. Ossovsky schloss sein Geschäft, ohne Konkurs, dafür mit 103.000 Euro Schulden.
Die nächsten Jahre waren bitter. Nur sehr nahe Freunde wussten, was er durchmachte. Von den 1200 Euro, die er als Angestellter verdiente, blieben ihm monatlich 680 Euro. Auch als er sich vom Bundesheer verpflichten ließ und im Auslandseinsatz gut verdiente, blieb ihm zunächst nur wenig Geld für sich. Der Großteil ging ans Finanzamt, die Lieferanten, die Sozialversicherung. Immer wieder hatte er es mit dem Exekutor zu tun („Können Sie sich vorstellen, wie das ist, wenn man am Samstagvormittag extra leise ist, damit niemand hört, dass man zu Hause ist?“). Die Beziehung war längst in die Brüche gegangen.
Heute ist Ossovsky stolz, dass er es aus eigener Kraft geschafft hat. „Ich habe alle meine Schulden bezahlt. Ohne Geld vom Staat oder andere Hil- fe“, sagt er. Seinen letzten Lieferanten hat er vor zwei Jahren bezahlt. Seine einzigen Schulden sind ein Bauspardarlehen in Höhe eines durchschnittlichen Monatsgehalts. „Für mich war es einfach wichtig, mich da durchzubeißen“, sagt Ossovsky. Was er nicht gedacht hätte: dass ihn diese eine Pleite noch so lang verfolgen würde. Und ihn am Ende seinen Traumjob kostet.
Vergangenes Jahr, an einem Punkt, an dem alle Schulden bezahlt waren, bewarb sich Ossovsky bei der Polizei: In einem langen Bewerbungsschreiben schilderte er seine Vorgeschichte. Es folgten ein Gespräch und Prüfungen. Nur noch die sportliche fehlte, die