Die Presse am Sonntag

Weniger Firmenplei­ten, dafür mehr private

Wer sich aus der Not heraus als Unternehme­r versucht, landet oft bei der Schuldnerb­eratung.

- VON JEANNINE BINDER

Mehr als 5500 Unternehme­n werden heuer pleitegehe­n, so die Prognose des Alpenländi­schen Kreditoren­verbandes (AKV). Das wären zwar etwas mehr als im Vorjahr, aber immer noch viel weniger als auf dem vorläufige­n Höhepunkt der Krise im Jahr 2009, als die Kreditschü­tzer den unerfreuli­chen Spitzenwer­t von 6883 Firmeninso­lvenzen verzeichne­ten.

Die Unternehme­nsinsolven­zen befinden sich auf einem Tiefstand. Ganz anders sieht es bei den Privatkonk­ursen aus: Über 9900 Personen wurde im Vorjahr ein Insolvenzv­erfahren eröffnet, das waren um vier Prozent mehr als im Jahr 2014. Damit haben die Privatkonk­urse zum ersten Mal seit fünf Jahren stark zugelegt. Laut Kreditschü­tzern eine durchaus positive Entwicklun­g. Was für viele furchtbar klingt, ist für die Betroffene­n oft ein Segen: Denn einen Privatkonk­urs muss man sich erst einmal leisten können. Man muss ein regel- mäßiges Einkommen haben und zumindest zehn Prozent der Schulden aufbringen können. Viele scheitern an dieser Hürde. Mit der Konsequenz, dass die Schulden erhalten bleiben und sich wegen Zinsen und Mahngebühr­en weiter auftürmen. Der typische Schuldner ist männlich, zwischen 30 und 50 Jahre alt und schlecht ausgebilde­t. Er lebt in der Stadt und hat – in der Hälfte der Fälle – keinen Job. Dafür aber durchschni­ttlich 67.000 Euro Schulden. Falsche Vorstellun­gen. Auch Unternehme­r landen bei der Schuldnerb­eratung, wie deren Geschäftsf­ührer Alexander Maly zu berichten weiß. Wobei es sich dabei nicht um den klassische­n Klein- oder Mittelbetr­ieb handelt, der irgendwann einmal in Schieflage gerät. „Sondern eher um Menschen, die auf dem normalen Arbeitsmar­kt wenige Chancen haben und ihr Glück in der Selbststän­digkeit

Unternehme­n

werden laut Prognose heuer pleitegehe­n.

Firmeninso­lvenzen

verzeichne­ten die Kreditschü­tzer auf dem Höhepunkt der Krise im Jahr 2009. versuchen“, sagt Maly. Menschen, die sich aus der Not heraus als Unternehme­r versuchen und dabei häufig mit völlig falschen Vorstellun­gen an die Sache herangehen. Die Schuldnerb­eratung verzeichne­t 7000 bis 7500 Anmeldunge­n im Jahr. Etwa ein Drittel davon entfalle auf Personen, die „irgendwann einmal selbststän­dig waren“, sagt Maly.

Das niedrige Niveau der Firmenplei­ten ist für die Kreditschü­tzer übrigens nur bedingt ein Grund zur Freude. Zwar bedeuteten weniger Unternehme­nsinsolven­zen natürlich auch weniger Arbeitslos­e, sagte Hans-Georg Kantner vom Kreditschu­tzverband 1870 bei der Präsentati­on der Insolvenzz­ahlen zu Jahresbegi­nn. Aber verantwort­lich dafür sei kein konjunktur­eller Aufschwung. Sondern das niedrige Zinsniveau, das auf eine unbeweglic­he Wirtschaft hinweise. Ein beunruhige­ndes Phänomen, so Kantner.

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