»Das ist einer der letzten Jobs als Diktator«
REGIE Gerade dreht er den »schnellsten und härtesten Thriller« der heimischen Filmgeschichte: Stefan Ruzowitzky über das hierarchische Universum am Set, Starsystem und die Sünden eines Regisseurs.
Sie drehen gerade mitten in Wien einen Thriller – und haben dabei ein riesiges Team unter sich. Wie viel Macht braucht denn ein Regisseur? Stefan Ruzowitzky: Er braucht und hat sehr viel Macht, weil die Anforderung ja ist, auf der Leinwand eine Welt zu kreieren. Und das geht nicht nur mit der kreativen Oberhoheit, du brauchst auch am Set eine möglichst unbegrenzte Macht, um das organisatorisch durchziehen zu können. Es gibt einen berühmten Ausspruch von Francis Ford Coppola: Spielfilmregisseur ist einer der letzten Jobs als Diktator, die es heute noch gibt. In dieser speziellen Welt des Drehs ist die Macht auf eine Weise unbegrenzt. Sie stößt natürlich trotzdem dauernd an Grenzen. Dass der Tag nur 24 Stunden hat, die Sonne untergeht, es regnet, Schauspieler nicht so talentiert sind, wie du dir das gewünscht hättest, dass laufend irgendwelche schrecklichen, unvorhersehbaren Dinge passieren. Damit muss man umgehen können: Was ziehe ich in dieser einen Stunde, da es nicht regnet, noch alles durch? Da kann ich nicht konferieren. Welche Sanktionsmöglichkeiten haben Sie? Eigentlich keine. Das ist das Schöne: Es gibt eine sehr strenge Hierarchie, aber nicht die unangenehmen Seiten der Hierarchie eines Unternehmens, in dem es Intrigen gibt und in dem man versucht, innerbetriebliche Konkurrenz auszubremsen. Jeder weiß, die Hierarchie beim Film hat ein Ablaufdatum. Nach sechs oder acht Wochen ist alles wieder vorbei. Ich kann auch niemanden befördern. Dass jemand rausgeworfen wird, passiert sehr selten, hierzulande ist es ganz ungewöhnlich, international eher auch, weil es teuer wird. Es herrscht also stilles Einverständnis mit der Diktatur. Es fügt sich jeder in die Diktatur. Und weil es dieses Ablaufdatum gibt, funktioniert letztlich alles nur über Motivation. Es gibt aber Kollegen, teilweise solche, bei denen man es sich überhaupt nicht vorstellen würde, die schon mit Angst und Schrecken arbeiten. Da gibt’s berühmte Regisseure, die sich jeden Tag in der Früh irgendeinen armen Set-Runner holen und ihn vor versammelter Mannschaft eine halbe Stunde zur Sau machen. Wer war dafür bekannt? Das sagt man nicht. Aber da gibt’s welche, und die brauchen das halt, um auf ihren Adrenalinpegel zu kommen. Das ruiniert aber die ganze Arbeitsatmosphäre, weil durch diese strenge Hierarchie der Fisch am Kopf zu stinken anfängt. Und wenn ich meine Leute anschreie, tun das die Heads of Department mit ihren Leuten auch, und das vergiftet das Klima. Wie schnell bemerken Sie diese Kettenreaktion, wenn Sie schlecht drauf sind? Ich bemühe mich ja, das nicht zu tun. Ein Dreh ist für alle eine Ausnahmesituation, auch für mich. Und weil jeder weiß, unter welchem Druck ich als Regisseur stehe, wird mir ein gewisses Maß an schlechter Laune oder Überreaktion zugestanden. Die größte und demotivierendste Sünde ist es, wenn das Team das Gefühl hat, etwas umsonst zu machen, weil der Regisseur nicht gut vorbereitet ist. Solange sie aber das Gefühl haben, das hat alles Sinn und wird den Film besser machen – und das ist das Schöne beim Film, dass die Leute sich wirklich mit dem Produkt identifizieren –, kannst du alles von ihnen haben: dass sie die Nacht durcharbeiten, Überstunden machen, bei Regen und Schnee stundenlang herumstehen. Das gilt für alle Beteiligten? Im Prinzip ja. Es schimpfen alle, später erzählt man sich das wie Kriegserlebnisse: „Damals bei Corti . . .“ Könnte man Teile des Konzepts Film auch auf die Politik umlegen? Schwer. Weil das handfeste Ergebnis fehlt. Die Politik hat eher das Problem, dass zu kurz gedacht wird, man aufgrund des Wahlzyklus eine zu kurze Perspektive hat. Den Gefallen kann ich leider nicht tun, da Parallelen zu finden. Haben Sie den fertigen Film im Kopf? Ja, nach Möglichkeit. Wenn ich ans Set komme, habe ich die fertige Szene im Kopf, aber dort ändert sie sich durch äußere Umstände dauernd – hoffentlich zum Besseren, wenn man flexibel bleibt. Da schafft man es nicht immer, neben diesem sehr komplexen Denken auch noch freundlich zu sein oder mitzubekommen, wenn die zweite Regieassistenz Liebeskummer hat. Da hat man diesen Tunnelblick. Auch bei Schauspielern versteht das Team, dass sie unter einem gigantischen Druck stehen, den sie manchmal zulasten des Teams loswerden. Aber es gibt einen Punkt, an dem es nicht mehr okay ist.
Welche Rolle hat der Produzent in diesem
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Derzeit