Die Presse am Sonntag

»Bösewichte halten sich selbst nicht für böse«

In den USA spielt Sammy Sheik zumeist Bad Guys, in Ägypten kennt man ihn als »Mr. Big«.

- VON KÖKSAL BALTACI

Sie haben ja auch in den USA gedreht. Was ist der größte Unterschie­d? Das Spiel mit unterschie­dlichen Finanzieru­ngsquellen, und wie wichtig es ist, einen Star zu haben. Du brauchst einen Star, um einen Financier zu bekommen. Es gibt Leute, die davon leben, Projekte zu beurteilen – die sagen: „Dieser Star bringt auf dem internatio­nalen Markt soundso viel Geld, der andere ist ein toller Schauspiel­er, aber bringt gar nix.“Da gibt es Listen, auf denen steht: Gerard Butler ist B plus und Gary Oldman D minus. Oldman ist ein großartige­r Schauspiel­er, aber keiner, wegen dem irgendjema­nd sagt, er möchte unbedingt den nächsten Gary-Oldman-Film sehen. Und die Schauspiel­er werden beinhart am letzten Film gemessen, oder? Ja. Das ist natürlich grober Schwachsin­n. Independen­t-Filme werden hauptsächl­ich über Vorverkäuf­e finanziert. Da schaut der österreich­ische Verleiher: Was ist die Geschichte, wer sind Regisseur und Hauptdarst­eller? Und wenn Christoph Waltz mitspielt, sagt der österreich­ische Verleiher: „Waltz funktionie­rt hier, daher ist mir das mehr wert.“ Haben Sie, nach den „Fälschern“, überlegt, nach Hollywood zu ziehen? Nein. Was mir dazu ganz klar fehlt, sind die großen Box-Office-Erfolge. Aber im Prinzip ist es eine großartige Sache, wenn man sowohl hier in Europa als auch drüben ein Standbein hat und weder hier noch dort abhängig ist. Man ist weniger leicht erpressbar. Wie viel Psychologi­e brauchen Sie denn eigentlich im Job? Sehr viel. In erster Linie bei Schauspiel­ern. Wenn einer eine Szene großartig spielt, kann das die Einstellun­g sein, an die sich alle erinnern werden, und es kostet überhaupt nichts. Das Problem ist, dass jeder Schauspiel­er anders tickt. Manche brauchen sehr viel intellektu­elle Analyse, manche brauchen nur Liebe und wollen das Gefühl haben, dass ich nur für sie da bin. Andere machen das ganz für sich, haben da ihre „Method“und brauchen vom Regisseur eigentlich gar nichts. Ich muss dann eher schauen, dass die unterschie­dlichen Charaktere zusammenar­beiten. Bei den „Fälschern“war das extrem: August Diehl ist ein klassische­r Method Actor. Wenn eine schwierige Szene gedreht wird, sitzt er mit hängendem Kopf am Set und ist den ganzen Tag depressiv. Und daneben stehen Karl Markovics und Devid Striesow und erzählen sich geschmackl­ose Witze. Und dann sagt man: „Und bitte“, und dann funktionie­ren alle drei. Und wie geht man mit den Eitelkeite­n um? Ich kann wenig Unangenehm­es berichten. Ich glaube, solche Sachen passieren, wenn sich Schauspiel­er unwohl fühlen, wenn sie beim Dreh merken, dass etwas ganz anders läuft, als sie sich vorgestell­t haben. Dann sagen sie: „Jetzt will ich wenigstens zehn weiße Frotteehan­dtücher und nur Evian und kein San Pellegrino.“Das andere ist, dass es sehr wohl auch Schauspiel­er gibt, die zu Unrecht einen schlechten Ruf haben. Ein guter, intelligen­ter Schauspiel­er kennt seine Figur sehr gut und weiß, wenn sie etwas so nicht sagen würde, sondern anders. Wenn man das zulässt, kommen sehr gute Anregungen. Sie sind also ein aufgeklärt­er Diktator. Ja genau. Aufgeklärt­er Absolutism­us, jetzt haben wir’s. Film ist immer Teamarbeit. Wichtig ist, dass man eine Linie hat, sich aber Flexibilit­ät und Offenheit bewahrt. Eine der Hauptquali­fikationen ist eine gewisse Entscheidu­ngsfreudig­keit. Das ist der Grund, warum ich den Begriff Realisateu­r´ gut finde. Es geht darum, dass man Dinge umsetzt. Zum Umsetzen brauch ich dann eben auch diese Macht. Ein Regisseur, der keine Meinung hat, der keine Entscheidu­ngen trifft – das ist der Untergang. Sie spielen in großen Hollywood-Produktion­en zumeist Terroriste­n. Sind Sie glücklich über diese typische Besetzung? Sammy Sheik: Ich würde meine Charaktere eher als Freiheitsk­ämpfer bezeichnen, aber „Terrorist“macht wohl mehr her. Zu Beginn einer Karriere ist es definitiv wichtig, eine Nische zu besetzen. So kommst du leichter in Castingage­nturen unter. Und wenn du dich dann oft genug bewiesen hast, wirst du auch für andere Rollen besetzt. Spielen Sie eigentlich gern Bösewichte? Ja, „böse Buben“zu spielen macht viel mehr Spaß. Denn sie selbst halten sich ja nicht für böse. Sie glauben, einem höheren Ziel zu dienen. Daher ist es viel interessan­ter, sich in diese Figuren hineinzuve­rsetzen und zu erkunden, warum sie sich als Helden fühlen, wenn sie schrecklic­he Dinge tun. Welche andere Rollen würden Sie in USProdukti­onen künftig gern spielen?

Sammy Sheik Ich habe schon alles Mögliche gespielt: einen CIA-Agenten, Polizisten, Kunstagent­en, Koch, Studenten, Arzt, Diplomaten, Übersetzer, Prinzen und sogar einen Prostituie­rten. Aber die Rollen, für die ich bekannt bin, sind zumeist Bösewichte, womit ich überhaupt kein Problem habe. Um Ihre Frage zu beantworte­n: Einen Superhelde­n zu spielen wäre bestimmt supercool (lacht). Wie haben Erfolgsfil­me wie „American Sniper“und „Lone Surviver“Ihre Karriere in Ägypten beeinfluss­t? In solchen Filmen zu spielen hat mich definitiv bekannter gemacht. Das Großartige an Ägypten ist, dass ich dort Rollen spielen kann, für die ich in Hollywood nicht infrage komme. Vor drei Jahren etwa habe ich in einer 30-teiligen Serie gespielt, eine Adaption von „Sex And the City“. Meine Rolle war die des Mr. Big, nur etwas schriller. Im Nahen Osten kennt man mich hauptsächl­ich aus dieser Serie. Welchen Rat würden Sie einem jungen europäisch­en oder afrikanisc­hen Schauspiel­er geben, der seine Karriere vor sich hat? Lernen, lernen, lernen. Eine fundierte Ausbildung ist für einen Neuling sehr wichtig, sie verleiht dir Selbstbewu­sstsein bei Castings und am Set. Ich empfehle, so viele Filme und Serien wie möglich zu sehen – denn andere Schauspiel­er, denen du bei der Arbeit zusehen kannst, sind die besten Lehrer, die man sich vorstellen kann. Wollen Sie später einmal auch Drehbücher schreiben und Regie führen? Ich habe schon ein paar Skripts geschriebe­n, die in meiner Schublade warten. Vielleicht kümmere ich mich wieder um sie, wenn ich eine Schauspiel­pause einlege. Dass ich einmal Regie führen werde, bezweifle ich. Das ist so eine harte Arbeit und erfordert sehr viel Ausdauer, die ich wahrschein­lich nicht habe. Anderersei­ts weiß man nie, was die Zukunft bringen wird.

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