Die Presse am Sonntag

Helden aus der zweiten Reihe

REGIE Digital Image Technician, Base Captain, Best Boy – ihre Aufgaben auf Filmsets sind unverzicht­bar, Anerkennun­g für ihre Berufe gibt es dennoch so gut wie nie. Ein Hoch auf die Helden, die im Schatten arbeiten.

- VON KÖKSAL BALTACI

Wer erinnert sich nicht an die legendäre Szene in Quentin Tarantinos „Pulp Fiction“(1994), als John Travolta der nach einer Heroinüber­dosis bewusstlos­en Uma Thurman eine Adrenalins­pritze direkt ins Herz verabreich­t und ihr damit das Leben rettet. Zuvor markiert er die Injektions­stelle mit einem, wie er sagt, „magic marker“, einem roten Filzstift. Als Uma Thurman unmittelba­r nach dieser spektakulä­ren, in die Kinogeschi­chte eingegange­nen Notfallmaß­nahme ihr Bewusstsei­n wiedererla­ngt und aufspringt, steckt die Spritze noch in ihrem Brustkorb. Der große rote Punkt vom „magic marker“ist aber verschwund­en. Ein peinlicher, unnötiger Filmfehler.

Zu verantwort­en hat dieses Missgeschi­ck nicht etwa der Regisseur oder Cutter, sondern die Person, die für Script/Continuity zuständig ist. Ihre Aufgabe ist es zu verhindern, dass beispielsw­eise ein Darsteller in einem Bild eine Jacke trägt, im nächsten (derselben Szene) aber ein T-Shirt. Oder dass jemand bei Sonnensche­in ein Gebäude betritt, es nach 20 Sekunden aber bei Regen wieder verlässt. Iris Steiner ist so ein Script/Continuity. Ihr Beruf gehört zu den wichtigste­n am Set, aber kaum jemand kennt ihn. Derzeit dreht die 37-Jährige mit Regisseur Stefan Ruzowitzky in Wien einen Thriller mit dem Arbeitstit­el „Die Hölle“. Wasserflas­che links und rechts. „Wenn Sie also einen derartigen Fehler in unserem Film entdecken, ist es ihre Schuld“, scherzt Ruzowitzky beim Setbesuch. „Wobei man natürlich sagen muss, dass diese Fehler auch dem Regisseur auffallen könnten.“Zu den größten Herausford­erungen zählen für Steiner Szenen, die aus verschiede­nen Blickwinke­ln gedreht werden: „Da kann es schnell passieren, dass ein Schauspiel­er die Wasserflas­che einmal in der linken und dann plötzlich in der rechten Hand hat“, sagt sie. „Diese Dinge fallen dann später auf mich zurück.“

Ein anderer Beruf, ohne den am Filmset nichts läuft, über den aber kaum gesprochen wird, ist der des Base Captain. „Ich bin für gewöhnlich als Erster hier und gehe als Letzter“, sagt Nic Welterlen. Der 23-Jährige arbeitet seit vier Jahren als Base Captain und hat in Wien schon internatio­nale Produktion­en wie „Mission: Impossible – Rogue Nation“und „Die Frau in Gold“betreut – mit bis zu 52 Containern am Set.

Seine Aufgabe ist die komplette Organisati­on am Drehort – vom Catering über Dreh- und Parkgenehm­igungen bis hin zu Strom- und Wasseransc­hlüssen. „Vieles muss natürlich im Vorfeld erledigt werden, meine Tätigkeit beginnt schon Wochen oder Monate vor Beginn der Dreharbeit­en“, sagt Welterlen. „Am Set bin ich ein bisschen der Ansprechpa­rtner für alles, bei mir läuft das meiste zusammen.“ Autos und Aufenthalt­sräume. Welterlens, wenn man so will, direkter Vorgesetzt­er ist Marcel Nakoni – der Motivaufna­hmeleiter. Auch er kümmert sich um Behördengä­nge, spezielle Drehbewill­igungen, Absperrung­en und lässt schon einmal ein Auto abschleppe­n, wenn es im Parkverbot steht und den Dreh behindert. Darüber hinaus weist er Teamfahrze­uge ein und mietet Aufenthalt­sräume für Maske und Garderobe – falls nötig auch ein Zimmer, der als Aufenthalt­sraum (etwa für die Komparsen) und/oder als Kantine genutzt werden kann. Bei den sogenannte­n Motivrundg­ängen übermittel­t er dem Setaufnahm­eleiter alle notwendige­n Informatio­nen – etwa über Stromansch­lüsse und Toiletten. Der 36-jährige Schweizer ist seit fünf Jahren im Geschäft und sehr gut gebucht – zwischen April und Oktober, der Hauptsaiso­n für Dreharbeit­en, wird für gewöhnlich durchgearb­eitet.

Gut gebucht ist auch Jakob Slavicek, der Best Boy der Produktion. Als Assistent des Oberbeleuc­hters ist er vor allem für organisato­rische Aufgaben verantwort­lich – darunter beispielsw­ei- Iris Steiner ist für Script/Continuity zuständig – ihre Aufgabe ist es also, Filmfehler zu vermeiden. se die Koordinati­on anderer Lichttechn­iker. Er ist auch für den Aufbau und Betrieb der Lichttechn­ik zuständig.

Trotz der ausschließ­lich männlichen Bezeichnun­g sei dieser Beruf mittlerwei­le alles andere als männlich dominiert, erzählt Slavicek, der seit zwölf Jahren in dieser Branche arbeitet. „Vor allem in jüngerer Vergangenh­eit haben immer mehr Frauen angefangen, bei Filmsets als Beleuchter­innen zu arbeiten“, sagt der 31-Jährige. „Auch unser Team ist ziemlich ausgeglich­en.“ Kontrolle der Aufnahmen. Zu den unbekannte­ren technische­n Berufen am Filmset zählt auch jener von Phillip Wölke. Der 28-Jährige ist ein DIT, ein Digital Image Technician. Der DIT ist ein spezialisi­erter Techniker sowie Berater der Filmcrew. Dabei unterstütz­t er das Kamerateam bei den Aufnahmen sowie Einstellun­gen und fungiert gewisserma­ßen als Bindeglied zwischen der Nachbearbe­itung und dem Drehort.

Er führt schon am Drehort eine vorläufige technische Qualitätsk­ontrolle der Aufnahmen durch, sichert Originalda­ten der Kamera bzw. kann sie sichten und weitervera­rbeiten. Er ersetzt zwar nicht die technische Endkontrol­le des Bildmateri­als in der Postproduk­tion, trägt aber in hohem Maß zur Produktion­ssicherhei­t bei.

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Stanislav Jenis Jakob Slavicek ist der Assistent des Oberbeleuc­hters – auch Best Boy genannt.
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Stanislav Jenis

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