Die Presse am Sonntag

»Früher war die Angeberei eben analog«

Was bringen Facebook, Twitter und Instagram? Und wie gläsern will man sein? Regisseuri­n Mirjam Unger und die Schauspiel­er Hilde Dalik und Florian Teichtmeis­ter gaben – per E-Mail – über ihren Umgang mit sozialen Medien Auskunft.

- VON URSULA STRAUSS

Nutzt du regelmäßig soziale Netzwerke? Mirjam Unger: Ja, ich nutze täglich Facebook, Instagram und Twitter. Ich lebe recht abgeschied­en und kann dadurch mit vielen Menschen, die ich interessan­t und bereichern­d empfinde, kommunizie­ren. Ich habe 15 Jahre lang bei FM4 gearbeitet, es ist mir also vertraut, mit einer undefinier­ten Menge an Menschen zu kommunizie­ren. Nachdem ich mich entschloss­en habe, nur mehr Filme zu machen, ist mir diese Kommunikat­ion abgegangen, und ich habe sie in sozialen Medien wiedergefu­nden. Das Gute ist, hier kann man im Gegensatz zum Radio in beide Richtungen kommunizie­ren. Wem sollte man folgen und warum? Ich folge Menschen, die mich interessie­ren und deren Aktivitäte­n spannend sind – vielen Künstlern, Freunden aus allen Jahrzehnte­n meines Lebens, aber auch Journalist­en. Wie wichtig ist es für dich, das Bild von dir in der Öffentlich­keit zu steuern? Ich beschäftig­e mich viel mit Macht und Ohnmacht, habe oft genug gesehen, wie tolle künstleris­che Projekte nicht ihr Publikum erreichen, weil die mediale Kommunikat­ion nicht ausreichen­d stattgefun­den hat. Insofern denke ich viel über das nach, was ich poste. Dennoch gibt es aber den Punkt, an dem ich aus dem Bauch heraus agiere und denke: „Pfeif auf Kontrolle, wir denken ja in der direkten Kommunikat­ion auch nicht über jede Gefühlsreg­ung nach, bevor wir sie äußern.“ Ich selbst habe mich aus verschiede­nen Gründen dafür entschiede­n, nicht auf Facebook zu sein. Unter anderem, weil es mir nicht ganz geheuer ist, mit so vielen Menschen gleichzeit­ig auf irgendeine ungreifbar­e Art verbunden zu sein. Bin ich einfach feig? Du bist jemand, der viel unterwegs ist, der über Film, TV und Bühne ohnehin viel kommunizie­rt und seine Fans auf persönlich­er Ebene intensiv wahrnimmt. Ich denke, Social Media ist dir dann einfach zu viel. Und du hast ja im Schauspiel auch kein technische­s Medium, das du bedienst. Du bist gewohnt, mit deinem Körper, deiner Stimme, deinen Gefühlen direkt zu kommunizie­ren. Diese technische Brücke entspricht dir vielleicht nicht so. Nutzt du regelmäßig soziale Netzwerke? Hilde Dalik: Ich bin auf Facebook und Instagram. Facebook verwende ich, um Werbung für meine Projekte zu machen. Meistens sind das Projekte, bei denen ich nicht als Schauspiel­erin, sondern Projektlei­terin bzw. Regisseuri­n dabei bin. Wenn es um mich geht, postet mein Agent die Neuigkeite­n. Facebook hat sich auch als sehr hilfreich beim Sammeln von Sachspende­n für Flüchtling­e erwiesen. Man fragt, wer was hat und nicht mehr braucht, und trifft sich dann zur Übergabe von Koffern oder Kinderwage­n. Wem sollte man folgen und warum? Ricky Gervais. Er ist lustig und gescheit. Vor wenigen Jahren noch galt der Begriff „gläserner Mensch“als angsteinfl­ößend. Heute geben viele freiwillig vieles von sich preis. Wie empfindest du das? Ich gebe nichts zu Persönlich­es von mir preis – auch bei Interviews. Wie wichtig ist es für dich, das Bild von dir in der Öffentlich­keit zu steuern? Ich denke nicht daran, wie ich gesehen werde. Ich versuche, möglichst authentisc­h zu leben und nicht allzu viel von mir persönlich herzugeben. Wie lang denkst du nach, bevor du dein Profilfoto änderst? Ich ändere es nie. Nutzt du regelmäßig soziale Netzwerke? Florian Teichtmeis­ter: Ich habe keinen Facebook-Account, bin nicht auf Google+ oder Instagram. Ich durchforst­e in unregelmäß­igen Abständen Twitter nach Links. Aber ich habe keine Bekanntsch­aften dort und führe keine Unterhaltu­ngen, also hält sich meine Verweildau­er in Grenzen. Wem sollte man folgen und warum? Ich habe den Eindruck, dass es die sozialen Netzwerke immer leichter machen, es sich in einer sogenannte­n Filterbubb­le bequem einzuricht­en und sich die eigene Meinung dauernd bestätigen zu lassen. Daher empfehle ich, wenn auch nicht aus der Position des Experten, auch den Menschen zu folgen, die anders denken als man selbst.

Mirjam Unger

Hilde Dalik

Florian Teichtmeis­ter Wie lang denkst du nach, bevor du dein Profilfoto änderst? Ich habe mein Twitter-Profilbild seit meiner Anmeldung nicht mehr geändert. Insofern könnte man sagen, dass ich seit Jahren darüber nachdenke. Es ist allerdings nichts dabei herausgeko­mmen. Woher kommt es, dass viele Menschen ein immer größeres Bedürfnis nach Selbstdars­tellung haben? „The reason we struggle with insecurity is because we compare our behindthe-scenes with everyone else’s highlight reel.“Dieser Satz fällt mir immer wieder ein, wenn ich über die Tendenz zur Selbstdars­tellung nachdenke. Ich bin mir allerdings wirklich nicht sicher, ob das Bedürfnis danach tatsächlic­h gestiegen ist. Ich behaupte, es war im- mer schon da und immer schon so groß. Mangels einer Alternativ­e mussten die Menschen eben anders zeigen, wer sie waren, wer sie sein wollten und wie sie gern gesehen werden möchten. Ich möchte sagen, damals war die Angeberei eben analog. Die berühmten „15 minutes of fame“sind aber offenbar immer noch für viele ein Ziel. Ich finde aber zum Beispiel interessan­t dabei, dass es trotz vieler Unkenrufe gegen das angeblich total überholte Fernsehen doch noch etwas Besonderes zu sein scheint, im Fernsehen aufzutauch­en. Es wird ja gegen das Fernsehen ins Treffen geführt, dass dort jemand die Vorauswahl für einen trifft, aber offenbar entwickelt sich dann doch ein gewisser Stolz, diese Vorauswahl „bestanden“zu haben. Eine seltsame Entwicklun­g.

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