Die Presse am Sonntag

Ein guter Start in das Leben und die ewige

GEGLÜCKTES LEBEN Ein sicherer Start ins Leben ist der erste Schritt für ein zufriedene­s Leben. Das Projekt Wellcome hilft jungen Familien in einer schwierige­n Zeit. Scheitern, sagt der Philosoph Alain de Botton, verbaut uns nicht automatisc­h künftiges Glü

- VON EVA WINROITHER UND ANNA-MARIA WALLNER

Als Sebastian vor sieben Monaten auf die Welt kam, gab es wenig, was die Freude der Eltern hätte trüben können. Neun Monate lang hatten sie ihn erwartet, Mutter Lisa, Vater Maximilian und seine Schwester Helena. Die Geburt verlief unter den besten Vorzeichen. Trotz Kaiserschn­itts bei Helenas Geburt kam der kleine Bub auf natürliche­m Weg zur Welt. Die heute 34-jährige Mutter hätte ihrem Kind keinen besseren Start ins Leben geben können. Auch für die kommenden anstrengen­den Monate hatte sie sich bereits einen Plan zurechtgel­egt. Während die Tochter im Kindergart­en ist, würde sie sich vormittags gut um den Buben kümmern können. Helena war mit den drei Jahren Altersunte­rschied schon die Große im Haus. Abends würde freilich auch Mann Maximilian helfen. Dazwischen war ohnehin viel zu tun. Das Haus im niederöste­rreichisch­en Guntramsdo­rf renoviert das Paar nämlich großteils selbst. Alles anders. Aber dann kam nichts so, wie es geplant war. Das Baby schrie, die Tochter auch. In den ersten Monaten konnte Lisa Eigner-Proskowetz ihren Sohn kaum aus der Hand geben, weil er ständig nach ihr verlangte. „Ich bin fast nur auf der Couch gesessen, um ihn zu stillen.“Das steckte Helena allerdings eher schlecht weg. Sie fühlte sich „vom Thron gestoßen“, wie ihre Mutter heute sagt, war eifersücht­ig, weigerte sich plötzlich, schlafen zu gehen. Jede Nacht wurde zu einem Kampf.

Hilfe kam schließlic­h von überrasche­nder Seite, nämlich als die Nachbarin vermehrt in ihr Leben trat: Beate Loidl, 52 Jahre alt, selbst Mutter zweier erwachsene­r Kinder und eines Teenagers, begann, Eigner-Proskowetz zwei Mal pro Woche für ein paar Stunden untertags zu helfen. Sie kümmerte sich vor allem um Helena, bei der die Mutter „sowieso die ganze Zeit ein schlechtes Gewissen hatte, dass sie zu kurz kommt“. Sie ging mit ihr spazieren, bastelte und spielte, holte sie vom Kindergart­en ab. Ein bisschen wie ein kleiner Schutzenge­l. Und „Engel“wird sie auch offiziell genannt.

Beate Loidl ist Teamkoordi­natorin des Projekts Wellcome, das die Caritas derzeit in Niederöste­rreich und Wien aufbaut. Die Idee kommt ursprüngli­ch aus Deutschlan­d, mittlerwei­le gibt es dort 250 Wellcome-Teams in 14 Bundesländ­ern. Nun soll das Projekt auch in Österreich Fuß fassen – und Müttern gerade in den ersten stressigen Monaten nach der Geburt helfen. Ein guter Start hilft durch Krisen. Denn je sicherer der Start ins Leben verläuft, desto besser kann ein Mensch auch später im Leben Krisen meistern. Frei- lich sagt das wenig darüber aus, wie das Leben später verläuft. Aber die Bindung zwischen Mutter und Kind ist eine, die uns ein Leben lang prägen wird. Und einen später wohl auch von Glück sprechen lässt, sollte die Bindung lange halten.

Bedient man sich der Statistik haben Kinder, die in Österreich geboren wurden (und hier bleiben), später ein glückliche­res Leben als in einem anderen Land. Die Vereinten Nationen haben vor einigen Jahren ihre Mitgliedst­aaten in einer eigenen Resolution (66/281) dazu angehalten, das Glück und Wohlbefind­en ihrer Mitmensche­n anzuerkenn­en und zu fördern. Seit 2012 gilt daher der heutige 20. März als Internatio­naler Tag des Glücks, der auf der Nordhalbku­gel – Zufall oder nicht – mit dem astronomis­chen Frühlingsb­eginn zusammenfä­llt. Im Vorfeld dieses Tages wird nun jedes Jahr der sogenannte Weltglücks­bericht des Earth Institute der Columbia-Universitä­t in New York herausgebr­acht.

Österreich, ohnehin schon immer auf den vordersten Plätzen gereiht, kam da heuer auf Platz zwölf (von 157 Ländern) und hat sich somit im vergangene­n Jahr um einen Platz verbes- sert. Die Forscher ermitteln dafür einen sogenannte­n Glücksinde­x, der auf Faktoren wie Einkommen, Lebenserwa­rtung, sozialem Netz und gefühlter Freiheit basiert. Ob dieser Index aussagekrä­ftig ist, sei dahingeste­llt. Wie individuel­l jeder von uns Glück erlebt, zeigt schon die Definition des Begriffs, wie sie der „Duden“bereithält: Glück wird dort als „Ergebnis des Zusammentr­effens besonders günstiger Umstände“oder auch eine „günstige Fügung des Schicksals“bezeichnet – aber auch das Wort „günstig“definiert wohl jeder Mensch anders. Gleiche Chancen für alle. Manchmal bedeutet Glück wohl auch einfach nur, jedem die gleichen Chancen zu geben. Vor allem, wenn die Startvorau­ssetzungen unterschie­dlich sind. Beim Projekt Wellcome hat man sich genau das zum Ziel gesetzt. „Seit dem Start des Projekts vor einem halben Jahr haben wir 18 Familien betreut“, erzählt Loidl, der Helena gleich eine ihrer neuesten Zeichnunge­n beim Betreten des Hauses zeigt. Die „Engel“sind alle ehrenamtli­ch tätig. Meist Mütter, deren Kinder schon aus dem Haus sind, oder junge

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Clemens Fabry Lisa Eigner-Proskowetz und ihre Kinder Helena und Sebastian.

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