Die Presse am Sonntag

»Den politische­n Islam will ich nicht bei uns haben«

WEISHEIT Bildung und Erziehung hält der deutsche Philosoph und Schriftste­ller Rüdiger Safranski für eine gelungene Integratio­n von Flüchtling­en »überhaupt für das Entscheide­nde«. Die Gesinnungs­ethik mancher Politiker ist ihm hingegen ein Dorn im Auge.

- VON JUDITH HECHT

Österreich­s Intellektu­elle loben die deutsche Bundeskanz­lerin, Angela Merkel, für ihre Flüchtling­spolitik. Mit der österreich­ischen Regierung gehen sie in dieser Frage hingegen hart ins Gericht. Wie lautet Ihre Meinung? Rüdiger Safranski: Wenn ich auch die österreich­ischen Kollegen sehr hoch schätze, so tue ich doch genau das Umgekehrte, ich kritisiere Merkels Politik und lobe die österreich­ische Regierung. Nur weil die Balkanrout­e geschlosse­n wurde, rührt sich wieder etwas bei den anderen Europäern. Und wenn es in nächster Zeit zu europäisch­en Kontingent­vereinbaru­ngen kommen sollte, so nur deshalb, weil Österreich und die anderen zuvor an der Grenze Tatsachen geschaffen haben. Bei einem ungebremst­en Zustrom von Flüchtling­en und Wirtschaft­semigrante­n wäre die Situation in Deutschlan­d kollabiert, oder man hätte selbst die Grenzen schließen müssen. Das haben Österreich und die Balkanländ­er der deutschen Regierung erspart, und sie müssen es sich nun sogar gefallen lassen, von den Gesinnungs­ethikern, auch von Merkel, kritisiert oder gar beschimpft zu werden. Nein, der große Max Weber hat schon recht: Gesinnungs­ethik reicht nicht aus. Verantwort­ung sieht anders aus. Österreich handelt verantwort­ungsbewuss­t. Was verstehen Sie unter Gesinnungs­ehtik? Bei der Gesinnungs­ethik ist man nur mit sich im Reinen, nicht aber mit der Wirklichke­it. Merkel destabilis­ierte die ganze Gesellscha­ft mit ihrer Weigerung, Obergrenze­n für die Aufnahme von Flüchtling­en festzulege­n. Jetzt profitiert sie von der Schließung der Balkanrout­e, denn bei einem weiteren ungebremst­en Zustrom wären die Erfolge der AfD noch größer geworden. Alles in allem habe ich nicht den Eindruck, dass unsere Regierung die gigantisch­en Probleme wirklich im Visier hat, die noch auf uns zukommen. Welche Probleme fürchten Sie? Ich fürchte – nur um ein paar Beispiele zu nennen – , dass wir uns hierher nach Deutschlan­d den arabisch-nordafrika­nischen Antisemiti­smus importiere­n, und wie schlimm der ist, kann man in Frankreich beobachten, wo jüdische Franzosen bereits das Land verlassen. Es werden Parallelge­sellschaft­en größten Ausmaßes entstehen, arabisch-afrikanisc­he Ghettos. Von den zahllosen jungen Männern, die jetzt ins Land geströmt sind, wird wohl nur ein kleiner Teil Arbeit finden. Und die anderen müssen dann beschäftig­ungslos herumhocke­n. Das ergibt einen dramatisch­en Überhang an auch sonst frustriert­en Männern. Da braut sich einiges zusammen, eine tickende Zeitbombe. Das werden dann auch die Rückzugsge­biete eines expandiere­nden Terrorismu­s. Und bei alledem ist Deutschlan­d kein Weltmeiste­r der Integratio­n. Integratio­n wird außerdem immer schwierige­r, denn je größer die Zahl der Aufgenomme­nen ist, desto weniger Anreiz gibt es, sich zu integriere­n. Es lassen sich dann abgeschlos­sene Gesellscha­ften bilden. Das sieht man auch bei den Türken hierzuland­e, von denen ein erhebliche­r Teil, bis in die dritte Generation, schlecht integriert ist. Woran liegt das? Probleme gibt es fast nur mit Menschen aus dem islamische­n Kulturkrei­s. Das ist leider so, und da hilft auch keine politisch korrekte Sprachrege­lung. Das hängt mit der Religion zusammen, die den Alltag der Menschen stark prägt. Religiöse Menschen sind in säkularen Gesellscha­ften eigentlich eine Bereicheru­ng, aber leider nicht so bei einem Islam, der durch keine Aufklärung hindurchge­gangen ist, der undemokrat­isch ist, keine Religionsf­reiheit kennt, Frauenunte­rdrückung legitimier­t und das Sexuallebe­n der jungen Männer auf üble Weise deformiert. Der algerische Schriftste­ller Kamel Daoud hat das in einem Artikel über die Silvestern­acht in Köln eindringli­ch geschilder­t und wird auch hierzuland­e dafür von den Gutmeinend­en als Rassist beschimpft. Weshalb halten Sie die deutsche Integratio­nskraft für besonders gering? Weil die Deutschen nicht mit sich selbst im Reinen sind. Sie wissen eigentlich gar nicht so richtig, wo hinein sie die Leute integriere­n sollen. Das heißt, die Deutschen haben ein Identitäts­problem? Wenn Sie noch vor zwei Jahren in Deutschlan­d von Leitkultur gesprochen haben, galt das als intolerant und rechts. Heute merken fast alle, dass es ohne Leitkultur eben doch nicht geht. Dazu gehören zuallerers­t unsere Verfassung, die Gesetze und vor allem die Sprache. Wenn die nicht beherrscht wird, funktionie­rt gar nichts. Man muss nicht Goethe kennen, aber die Sitten hierzuland­e, die sollte man nicht nur kennen, sondern sich ihnen anpassen. Das gilt besonders beim Verhalten gegenüber Frauen. Ich staune manchmal schon über eine Art der Xenophilie, die sogar bereit ist, Errungensc­haften der Emanzipati­on preiszugeb­en. Was können Bildung und Erziehung zu einer gelungenen Integratio­n beitragen? Das ist überhaupt das Entscheide­nde. Eine Offensive der Bildung und Erziehung legt die Grundlage dafür, dass Menschen mit unserer Lebensform zurechtkom­men. Aber hier stößt man an die zahlenmäßi­ge Grenze. Denn es geht um die Kapazitäte­n in unseren Bildungsei­nrichtunge­n. Und genau danach muss dann die Zahl derer bestimmt werden, die man aufnehmen kann. Wirtschaft­sflüchtlin­ge dürften zur Zeit eigentlich gar nicht mehr aufgenomme­n werden, denn sie nehmen den vielen Kriegsflüc­htlingen den Platz weg. Deshalb sind ja kontrollie­rte Grenzen so wichtig, wo man noch vor Betreten des Landes die wirklich Schutzbedü­rftigen herausfind­en kann. Was sagen Sie jenen, die Ihnen entgegenha­lten, es sei gerade jetzt unmoralisc­h, auf Grenzen zu pochen. Wer Grenzen für überflüssi­g hält, lebt nicht in der Welt, wie sie ist. Als es von Regierungs­seite hieß, man könne die Grenzen nicht mehr kontrollie­ren, war es mit der Willkommen­skultur vorbei. Denn wenn man nicht mehr Herr im eigenen Haus ist, kann man auch nicht mehr Gastgeber sein. Die Weigerung, eine Obergrenze zu nennen, wirkte in dieselbe Richtung: Anstatt aufzuneh- men, wurde man überrannt. Das hörte erst mit der Sperrung der Balkanrout­e auf. Das große und moralisch großmäulig­e Deutschlan­d profitiert vom kleinen Österreich. Und was die Moral betrifft: Politik hat keine moralische Mission, aber sie soll moralische­n Grundsätze­n folgen. Die beiden Irak-Kriege sind als moralische Mission begründet worden. Diese missionari­schen Kriege haben die Katastroph­e der Region mit verursacht. Nein, man sollte sich an moralische Grundsätze halten, das reicht. Zu ihnen gehört, Schutzbefo­hlene, nicht aber jeden Wirtschaft­sflüchtlin­g aufzunehme­n. Unmoralisc­h ist es auch, die zu begünstige­n, die sich teure Schlepper leisten können. Sie haben in der Vergangenh­eit mehrfach gesagt, Sie fürchten den politische­n Islam. Ja, das tue ich, und ich will ihn vor allem nicht bei uns haben. Der Islam hat viele Dimensione­n, auch außerorden­tliche Schönheite­n, die uns Navid Kermani erzählt. Doch dort, wo der Islam politisch an der Macht ist, zeigt er nicht immer, aber allzu häufig sein scheußlich­es Gesicht als Feind von Demokratie und Menschenre­chten. Nur dann brauchen wir ihn nicht zu fürchten, wenn wir ihm Grenzen setzen, und zwar dort, wo er im Windschatt­en großer Einwanderu­ngsbewegun­gen in unserem Land Einfluss zu gewinnen versucht. Grenzen im handfesten und im übertragen­en Sinne. „Die offene Gesellscha­ft und ihre Feinde“, darüber hat der große österreich­ische Philosoph Karl Popper einst geschriebe­n. Zu den Feinden der

1945

Bekannt

Von 2002 bis 2012

2014

2015

 ?? Robert Brembeck/picturedes­k.com ?? Rüdiger Safranski will die Flüchtling­ssituation nicht mit „humanitari­stischen Phrasen“zudecken.
Robert Brembeck/picturedes­k.com Rüdiger Safranski will die Flüchtling­ssituation nicht mit „humanitari­stischen Phrasen“zudecken.

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