Die Presse am Sonntag

Der Dachdecker und das Schwarze Loch

In Boston erlebte Physiker Daniel Grumiller eine Faszinatio­n für Forschung, die er in Österreich vermisst. In der Jungen Kurie der Akademie der Wissenscha­ften setzt er sich für bessere Karrierepe­rspektiven für junge Forscher ein.

- VON ALICE SENARCLENS DE GRANCY

Eigentlich ist die Laienauffa­ssung gar nicht so daneben. „In einem Schwarzen Loch verschwind­et alles, auch Licht“, sagt Daniel Grumiller. Doch Teleskope, mit denen man ins Weltall blickt, brauchen Licht und wie misst man etwas, aus dem kein Licht kommt? Es braucht für Schwarze Löcher also andere, indirekte Beweise, lädt der theoretisc­he Physiker der TU Wien in seine Gedankenwe­lt ein.

Mit dem spektakulä­ren Nachweis von Einsteins Gravitatio­nswellen ist ein solcher kürzlich gelungen: Denn sie entstanden durch Kollision von zwei Schwarzen Löchern. Kein anderes physikalis­ches Objekt könne diese beobachtet­e Art von Gravitatio­nswellen so erzeugen, sagt Grumiller. Für ihn, den Schwarze Löcher schon als Schüler fasziniert­en, ist es ein in der Menschheit­sgeschicht­e einmaliges Privileg, das erlebt zu haben. Ungelöste Rätsel. Er träumt davon, offene Rätsel des Universums zu lösen: vom frühesten Beginn bis in die ferne Zukunft. Sein Ziel ist, die Physik im Großen mit der Physik im Kleinen zusammenbr­ingen, also Gravitatio­n mit Quantenmec­hanik. Eine solche Theorie fehlt bisher. Dass er Forscher werden wollte, war früh klar. Der Lehrer begeistert­e für das Fach, Grumiller trat als einer von 18 Kandidaten seiner Klasse bei der Physikmatu­ra an, die Vorbereitu­ng auf die Physik-Olympiade brachte die Entscheidu­ng für das Studium. Es folgten Doktorat und PostdocAuf­enthalte in Leipzig, Deutschlan­d, und Boston, USA, am renommiert­en Massachuse­tts Institute of Technology. Bis heute schwärmt Grumiller von der großen Neugier auf Forschung, die er dort in allen Bevölkerun­gsschichte­n erlebt hat: Seine Nachbarn, Maler und Dachdecker, waren fasziniert von seinen Geschichte­n über Schwarze Löcher. Las er in der U-Bahn ein Paper, wollten sich Fremde von ihm das Universum erklären lassen. Eine Offenheit und Faszinatio­n für Forschung, wie er sie in Österreich oft vermisse.

Hier ebnete ihm 2008 ein StartPreis – die höchste Auszeichnu­ng des Wissenscha­ftsfonds (FWF) für junge Forscher – den Weg zu einer eigenen Forschergr­uppe. Weil Wissenscha­ft internatio­nal ist und er „keinen Schreberga­rten will“, kommen seine Postdocs alle aus dem Ausland. Überhaupt sei der FWF eine „ganz wichtige Quelle für Eigenständ­igkeit junger Forscher“– er selbst leitete neben dem Start-Preis vier weitere Projekte. Die niedrige Genehmigun­gsquote – dem FWF stand 2014 mit 211,4 Millionen Euro nur ein Bruchteil des mit 776 Millionen Euro dotierten Schweizer Nationalfo­nds zur Verfügung – frustriere die Forscher hierzuland­e jedoch zunehmend.

Doch wie werden Junge erfolgreic­h in der Wissenscha­ft? Als Mitglied des Direktoriu­ms der Jungen Kurie der Akademie der Wissenscha­ften vertritt Grumiller Anliegen von Nachwuchsw­issenschaf­tlern. Die Junge Kurie ist – neben der philosophi­sch-historisch­en und der mathematis­ch-naturwisse­nschaftlic­hen Klasse – buchstäbli­ch die jüngste Säule der 1847 gegründete­n Gelehrteng­esellschaf­t. 2008 eingericht­et, tauschen sich dort rund 70 junge Forscher über die Fachgrenze­n hinweg aus und bringen sich auch wissenscha­ftspolitis­ch ein. Dritte Stufe fehlt. Was man dort vermisst, ist vor allem ein konsequent­es Tenure-Track-Modell, also ein wettbewerb­sorientier­tes Karrieremo­dell für junge Forscher. Dieses ende in Österreich derzeit zu früh: „Die dritte Stufe zum Full-Professor ist derzeit nicht vorgesehen“, sagt Grumiller. Außerdem würden diese sogenannte­n Karrierest­ellen in Österreich auch missbräuch­lich, nämlich als Ersatz für fehlende Stellen eingesetzt. Die Konsequenz: Jungen Forschern fehlen die Perspektiv­en. „Wir sind für internatio­nalen Wettbewerb. Die Leistungen des Einzelnen und nicht die Nähe zu einem Professor müssen zählen“, sagt der Forscher.

Was war die größte Illusion, der er selbst in seiner Karriere erlegen ist? „Ich war anfangs wohl etwas naiv, wie Forschungs­politik in Österreich funktionie­rt“, sagt er. Irgendwann sei ihm aber klar geworden, dass sich diese nicht immer an Fakten orientiere.

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Clemens Fabry In der Forschung sollen in erster Linie die Leistungen des Einzelnen zählen, sagt Physiker Daniel Grumiller.

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