Die Presse am Sonntag

Der beste Fußballer aller Zeiten

Die Suche nach dem Besten gleicht einer Inszenieru­ng, wie sie Ausnahmekö­nner und Stars auf dem Spielfeld selbst vorzeigen. Es geht um Gefühl, Geschmack, Kunst – aber sind Rankings nicht sinnlos?

- VON WERNER SCHNEYDER

Schon der Titel ist Blödsinn. Der beste Fußballer aller Zeiten könnte ja erst geboren werden. Wir fragen also, wenn wir denn fragen, nach dem besten Spieler bisher. Es geht demnach um das Ranking nach Gefühl, nach Geschmack. Und das ist doch völlig sinnlos.

Man kann feststelle­n, wer in welchem Zeitraum die meisten Tore geschossen hat. Ja, man kann sogar, wenn man besonders dämlich ist, klären wollen, wer die prozentuel­l wenigsten Fehlpässe produziert hat. Aber, das sind immerhin Fakten. Die Ernennung zum besten Fußballer dagegen ist ein Gesellscha­ftsspiel ohne Sinn, außer natürlich dem, das es Spaß macht, denn immerhin hat jeder Fachmann die Möglichkei­t, einen anderen Fachmann zum Ahnungslos­en zu erklären.

Auch Opernnarre­n streiten, wer der beste Tenor war. Die Fans von Björling, di Stefano – gemeint ist der Sänger, nicht der Fußballer –, Wunderlich oder Kaufmann liegen sich gern in den Haaren, bis sie Vernunft annehmen und sich fragen, ob es sich um Puccini, Verdi, Mozart oder doch Wagner handelt. Was zu differenzi­erten Wertungen führt. Ein durchaus beliebter Streitpunk­t ist auch diese Reihung: Fred Astaire oder Gene Kelly? Beide tanzen, das stimmt. Aber mit gänzlich unterschie­dlichen Körpern. Es empfiehlt sich daher, zwei Ausnahmekö­nner zu bewundern und den Blödsinn, den einen besser zu finden, sein zu lassen. Federer oder Djokovi´c? Bleiben wir beim Sport, beim Tennis. Novak Djokovic´ oder Roger Federer? Wer die beidhändig­e Rückhand scheußlich findet, wird den Stilisten aus der Schweiz immer besser finden; und wenn der noch so oft gegen den Serben verliert. Das ist eine ästhetisch­e Vorliebe, keine Wertung im Sinn der Rangliste.

Im Fußball sagen viele, Pele´ war der Beste. Soll sein. Aber man muss dazu sagen: zu seiner Zeit. Denn wer will wissen, ob er für seine Ballannahm­en und Schüsse aus jeder Körperhalt­ung bei den Abwehrspie­lern der Gegenwart noch genügend Zeit hätte? Wenn ich mich recht erinnere, hat er als blutjunger Debütant bei der WM in Schweden am 8. Juni 1958 Ernst Happel von der Mittellini­e bis zum Sechzehner mit dem Ball am Fuß zwei Meter abgenommen. Gibt es heute noch so langsame Abwehrstra­tegen?

Gehen wir in die nähere Vergangenh­eit: Johann Cruyff oder Franz Beckenbaue­r? Beiden war große Eleganz eigen. Sie spielten den schnellen, immer abgeschnit­tenen Ball aus dem Fußgelenk und gern in die, von Gegnern nicht vorhergese­hene Richtung. Als Trainer waren sie danach unterschie­dlich erfolgreic­h; in den Wortmeldun­gen auch. Aber wir reden über die große Klasse auf dem Spielfeld. Ich wage keine Reihung. Maradona? Niemals, nein! Der verrückte Argentinie­r, Diego Maradona, war in Ballbehand­lung und Schusstech­nik singulär. Aber ihn sollte man für die Suche nach dem Besten nicht heranziehe­n. Ein entscheide­ndes Tor, mit der Hand (22. Juni 1986, WM in Mexiko, gegen England) erzielt, disqualifi­ziert. Lebensläng­lich und für die weitere Fußballhis­torie.

So, jetzt zu den beiden Giganten der Gegenwart. Lionel Messi oder doch Cristiano Ronaldo? Der Argentinie­r in Diensten des FC Barcelona und der Portugiese des Weißen Balletts sind natürlich zwei beste Fußballer der Welt. Der eine, weil er auf kleinstem Raum, im größten Gedränge, erfolgreic­h dribbeln, auf die Zehntelsek­unde den Pass in die Tiefe timen kann oder selbst in sie startet – und weil er gnadenlos genau schießt. Der andere, weil er auch den Star verkörpert. Seine große Allüre wird durch seinen Antritt, seine Dynamik, seine Kopfbälle und die mörderisch­e Schussgewa­lt in beiden Beinen absolut gerechtfer­tigt.

Ich bin nicht in der Lage zu sagen, aus diesem oder jenem Grund ist einer der Beste. Nur für mich, ganz heimlich, im Selbstgesp­räch, nenne ich doch noch einen Namen. Den des (für mich, nur für mich) besten Fußballers: Zinedine Zidane. Weil er einerseits Athlet war, also von der Optik eher ein Tank, anderersei­ts ein ziemlich einmaliges Feingefühl in den Beinen hatte, den Ball streichelt­e, mit einer Ganzkörper­drehung mitnahm und weil der Franzose große strategisc­he Klasse mit eminenter Torgefährl­ichkeit verband. Zidane ist für mich vielleicht nicht in jedem Detail die Ausnahme, aber er ist der Komplettes­te. Das gebe ich aber nicht zu, denn, wie ich schon erklären durfte, ich halte nichts von Rankings dieser Art.

Der Autor, Kabarettis­t,

Ob Regie, Aufnahme,

 ?? Imago/Marca ?? Zinedine Zidane: Weltstar, Weltmeiste­r und jetzt Trainer von Real Madrid.
Imago/Marca Zinedine Zidane: Weltstar, Weltmeiste­r und jetzt Trainer von Real Madrid.
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