Ein Nomade der Kunst
Der Künstler Andrew Mezvinsky ist ein Wanderer zwischen den Welten – aufgewachsen in den USA, mit Lehr- und Globetrotterjahren in Ghana, Indien und der Mongolei, ehe er zufällig Franz West kennenlernte und schließlich in Wien landete.
Für einen Globetrotter, der eineinhalb Jahre in einem Dorf in Ghana ohne fließendes Wasser und Elektrizität verbrachte, der monatelang mit Nomaden durch die mongolische Steppe zog und bei minus 30 Grad in einer Jurte hauste und der zwei Jahre zusammengerollt neben Arbeitern auf dem staubigen Boden einer Fabrik in der indischen Provinz Rajasthan schlief, nehmen sich die Abenteuer und Streifzüge auf dem Balkan fast ein wenig langweilig aus. Aus der Perspektive eines wohlbehüteten Sohns eines Politikerhaushalts, aufgewachsen in den besseren Vorstädten Philadelphias oder Washingtons, verströmen sie sehr wohl exotisches Flair. „Ich gehe gern raus aus der Kuschelecke.“
In seinem zweiten „Wohnzimmer“, im Cafe´ 37 am Wiener Karmelitermarkt, im Herzen „Bobostans“, wo ihn viele wie einen alten Bekannten grüßen, lässt Andrew Mezvinsky bei einer großen Tasse Tee sein Leben und sein Künstlerdasein Revue passieren. Nach Lehrund Wanderjahren kam er schließlich nach Wien, auf die „Mazzesinsel“, die einst jüdisch geprägte Leopoldstadt, in der heute Rudimente jüdischen Lebens einen Teil der kosmopolitischen Aura ausmachen. „Franz West hat mir bei der Art Basel einen Job als Maler angeboten“, erinnert sich Mezvinsky an sein künstlerisches Rendezvous mit Wien. „Ich kam nur für zwei Tage – und bin erst einmal zwei Wochen geblieben.“ Boh`eme-Leben. Mittlerweile lebt der 33-Jährige seit vier Jahren in der Stadt, deren Kunstszene er mit der eines Dorfs vergleicht: „Kennst du einen Menschen, kennst du rasch zehn.“Er hat es zu einer prestigeträchtigen Ausstellung im Jüdischen Museum („Good Day“nach Motiven Primo Levis) gebracht, zu Folgeausstellungen an den österreichischen Kulturinstituten in Washington und New York. „Ich spreche Deutsch wie ein osteuropäischer Taxifahrer, behauptet Barbara, meine österreichische Freundin.“Im exorbitant teuren New York könnte er indes nie und nimmer ein Boh`eme-Leben wie jenes in Wien führen. Das einzige Problem in der österreichischen Provinz: „In Hüttschlag kriegst du nichts Koscheres zu essen.“
In der Zwischenzeit ist die Idee in ihm gereift, sich um eine Doppelstaatsbürgerschaft zu bewerben, was die bürokratischen Dinge des Alltags viel einfacher für ihn gestalten würde. Ohnedies fühlt er sich schon mehr als Österreicher denn als Amerikaner. „Ich gehe lieber ins Cafe´ Prückel als zu Starbucks.“Ein grantiger Wiener Oberkellner sei ihm allemal lieber als die aufgesetzte, künstliche Freundlichkeit einer US-Kellnerin.
„In den USA lebt man für die Arbeit, in Österreich arbeitet man, um das Leben zu genießen“, bringt er den grundsätzlichen Unterschied auf den Punkt. „In den USA gilt das Prinzip: Größer, besser, schneller, stärker.“Darum sei Jeff Koons, ein „Enkel der Pop-Art“, eine Art Halbgott des Kommerzes, ein „Donald Trump der Kunst“, dort so angesehen – und hierzulande ein Hermann Nitsch, der „Pate des Aktionismus“. „Bei Koons geht es um leere Worte, bei Nitsch um Inhalt und Theorie.“ Verschwägert mit den Clintons. Im Alter von sechs, sieben Jahren, erzählt Mezvinsky, sei er bereits wild entschlossen gewesen, Künstler zu werden – inspiriert von „Nanny“, seiner Oma, einer Künstlerin. „Als ich dies meinen Eltern sagte, waren sie ein wenig perplex.“Denn die Mezvinskys betrieben Politik als „Family Business“. Edward und Marjorie Mezvinsky, Demokraten aus Pennsylvania, beide kurzzeitig Abgeordnete im Repräsentantenhaus, erzogen ihre elf Kinder – davon fünf Adoptivkinder aus Vietnam und Südkorea – im Stil der Zeit. „Bei uns daheim ging es zu wie in der Mini-UNO.“Bis heute hält Andrew am heiligen Familienritual fest, sich die State-of-the-Union-Rede des Präsidenten im Kongress anzusehen, selbst in der Ferne.
Geboren 1982
Im Jahr 2000