Falscher Alarm im Scanner
Transsexuelle werden in Ganzkörperscannern mitunter dem falschen Geschlecht zugeordnet. Das hat unangenehme Konsequenzen. In den USA hat das nun eine Debatte ausgelöst.
Wer viel fliegt, hat sich inzwischen daran gewöhnt: Der Gürtel muss aus der Hose, die Schuhe gehören ausgezogen, die Hände nach oben, und drei Sekunden später ist man schon wieder aus dem Nacktscanner draußen. Die nervige Routine für Passagiere auf amerikanischen Flughäfen regt kaum jemanden mehr auf, auch die Debatte über Sinnhaftigkeit und Sicherheitsfaktor der Scanner ist abgeebbt. Dafür dämmert bereits eine neue Diskussion am Horizont, die gesellschaftliche Brisanz in sich birgt – und das wegen zwei unscheinbarer Knöpfe in Blau und Rosa.
Die Sicherheitsbeamten, die den Scanner bedienen, müssen nämlich vor jedem Durchgang entscheiden, welches Geschlecht eine Person hat, die in den Scanner steigt. Das hat technische Gründe: Die Scanner arbeiten mit vorgefertigten Körpermodellen und suchen nach Abweichungen, die sie dann auf einem Bildschirm als mögliche problematische Bereiche anzeigen.
Da Männer und Frauen aber unterschiedliche Merkmale besitzen, muss die Maschine vor jeder Nutzung auf das jeweilige Geschlecht „kalibriert“werden. Passiert das nicht, würde etwa bei einer Frau immer der Brustbereich als möglicher Ort für Anomalien angezeigt werden. Die vom Sicherheitsprotokoll danach erforderte Abtastung des Körperbereichs wird so schnell unangenehm – für beide Seiten. Mit einem einfachen Klick auf einen blauen – für Männer – und rosafarbenen Knopf – für Frauen – kann diese peinliche Situation leicht umschifft werden.
Allerdings gilt das nicht für alle Menschen. Im Februar begann eine Gruppe junger Menschen auf dem Flughafen von Portland/Oregon in den USA, wahllos Fluggäste aufzuhalten und sie mit einer einfachen Frage zu konfrontieren: „Welchen Knopf am Nacktscanner würden Sie für mich drücken, würde ich davor stehen?“
Eine an sich unverfängliche Frage, die Antwort hat es allerdings in sich. Die jungen Leute, die die Frage stellen, sind nämlich transsexuell. Sie befinden sich in unterschiedlichen Phasen ihrer Geschlechtsumwandlung und wollen aufzeigen, wie schwer es oft ist, Menschen einem bestimmten Geschlecht zuzuordnen. Genau das verlangt aber die Transport Security Administration, kurz TSA – sehr zum Ärger von Transmännern und Transfrauen. Das hat nicht nur politische, sondern auch ganz praktische Gründe.
Kai Tillman ist Filmemacher und befindet sich in der Transition zu dem Geschlecht, mit dem er den Rest seines Lebens identifiziert werden will: männlich. Äußerlich ist er dafür schon auf dem besten Weg. Einige Hormontherapien hat er bereits hinter sich, plastische Veränderungen an seinem Körper noch keine. Seine Brüste sind zwar gut kaschiert, aber der Nacktscanner ist da gnadenlos – jedes Mal, wenn er durch die Kontrolle geht, muss er unangenehme Fragen oder Visitationen hinter einem Vorhang über sich ergehen lassen. Und das nur, weil die TSA-Beamten sein Geschlecht nach seinem Äußeren beurteilen. Deshalb zeigt der Nacktscanner auch jedes Mal „ungewöhnliche Objekte“in seinem Brustbereich an, die nicht aufscheinen würden, hätten die Beamten den blauen statt des rosa Knopfs gedrückt. Zwangsouting. „So wie mir geht es unzähligen Transfrauen oder Transmännern in den USA. Durch dieses Prozedere werden wir gezwungen, uns zu outen, uns zu erklären, auch wenn dafür gar keine Notwendigkeit besteht. Es ist erniedrigend, wenn man die Blicke der TSA-Leute im Nacken spürt und weiß, dass man im schlimmsten Fall vor ihnen strippen muss, um zu beweisen, dass man keinen Sprengstoff in den Brüsten schmuggelt“, sagt Tillman. Die Aktion auf dem Flughafen von
Aktivisten.
Kai Tillman (links) und Stuart Getty versuchen, Reisende auf dem Flughafen in Portland für die Probleme von Transsexuellen in Nacktscannern zu sensibilisieren.
Zuordnung.
Bevor jemand einen Nacktscanner betritt, muss das Geschlecht zugeordnet werden. Transsexuelle werden oft falsch zugeordnet, da sich ihr Aussehen von ihrem Geschlecht meist unterscheidet. Der Computer schlägt bei einer falschen Zuordnung aber Alarm – Leibesvisitationen und Verhöre sind die Folge. Portland soll Bewusstsein für dieses Problem bei Flugreisenden schaffen – und Druck auf die TSA ausüben. Tillman und seine Mitstreiter sammeln nämlich die Reaktionen von Fluggästen, die mit der Frage nach der „richtigen“Farbe konfrontiert werden. Daraus entsteht ein Podcast, mit dem Tillman hofft, Aufmerksamkeit zu erlangen. Stundenlang aufgehalten. Die Gruppe in Portland ist damit nicht allein: Die Transaktivistin Shadi Petoski hat im Herbst letzten Jahres mit ihrer „Horrorstory“auf dem Flughafen von Orlando Berühmtheit erlangt. Sie wurde von der TSA aus dem Nacktscanner gefischt und festgehalten – wegen einer Anormalität, wie man ihr sagte.
Männlich oder weiblich? Vor jedem Scan muss das Geschlecht kalibriert werden. Ordnet der Scanner falsch zu, folgen unangenehme Fragen und Leibesvisitationen.
Bei dieser Anomalität handelte es sich um ihren Penis, der bei der Transfrau am Nacktscanner angezeigt wurde, nachdem bei ihr der rosa Knopf gedrückt worden war. Was folgte, war ein stundenlanges Drama um ihre Person, ihr Geschlecht und ihre Rechte als Transsexuelle. Die Vorgänge, bei denen sich die TSA wahrlich nicht mit Ruhm bedeckte, dokumentierte sie auf Twitter. Die Geschichte trat einen veritablen Shitstorm in den sozialen Medien los.
Der Sturm zog vorüber, ohne dass eine zentrale Forderung der Transcommunity erfüllt worden wäre: „Wir schlagen vor, dass Passagiere die Möglichkeit bekommen, vor dem Nacktscanner selbst ihr Geschlecht zu bestimmen. Dann würden unsere Probleme mit einem Schlag vom Tisch gewischt“, sagt Tillman. Eine elegante Lösung, für die sich die TSA bislang nicht erwärmen konnte. Die Behörde versprach hingegen, ihre Sicherheitsleute besser zu schulen und für den Umgang mit Transsexuellen zu sensibilisieren. Ob das tatsächlich hilft, wird sich wohl erst zeigen.