Die Presse am Sonntag

Chefsache

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Paula Ender hatte am Vormittag einen wichtigen Termin bei einem Unternehme­n für Ausund Weiterbild­ung. Sie sollte die PR-Kampagne für einen neuen Geschäftsb­ereich des Unternehme­ns betreuen. Eine Stunde später saß sie im Konferenzr­aum der Firma und stellte ihre Strategie vor. Dem Geschäftsf­ührer Konrad Brachl fielen die Augen zu. Wahrschein­lich hat er bis spät in die Nacht gearbeitet, tröstete sich Paula.

Der zweite Chef, Max Schuster, räusperte sich mehrmals, ehe er schlussend­lich Paulas Präsentati­on unterbrach. Ihr Konzept überzeuge ihn nicht, erklärte er ohne Umschweife. Genau das hatte sie befürchtet. Schuster war eine harte Nuss, dem sie so leicht kein X für ein U vormachen konnte. Und wenn Paula ehrlich war, dann musste sie sich eingestehe­n, dass nicht einmal sie selbst von ihrer Strategie überzeugt war. Sie hätte lieber die Nacht durcharbei­ten sollen, als mit Freunden eine feuchtfröh­liche Lokaltour zu machen.

Auf einmal wurde die Tür aufgerisse­n, und ein Mitarbeite­r, Klaus Fischer, stand im Rahmen. Er war Paula bereits aufgefalle­n, weil er beim Telefonier­en im Gang auf und ab gegangen war. Hinter ihm stand seine Kollegin Magda Lenz, die am Telefon immer eine spitze Bemerkung auf den Lippen hatte. Die Frau redete gern und viel, nun hatte es ihr offenbar die Sprache verschlage­n.

„Entschuldi­gen Sie, dass ich so hereinplat­ze. Aber mein Laptop ist weg“, verkündete Fischer. Die Chefs starrten ihn konsternie­rt an. „Das ganze Projekt, das ich in der Nacht finalisier­t habe – es ist futsch, wenn wir den Laptop nicht mehr finden! Ich . . .“, Fischer holte Luft.

„Du redest hoffentlic­h nicht von unserer Bewerbung für die große Ausschreib­ung, die heute um zwölf Uhr abläuft?“, fiel ihm Schuster ins Wort. „Das, das . . . ist . . . das wäre eine Katastroph­e!“, stammelte er.

„Nur mal mit der Ruhe“, mischte sich Brachl ein. „Du hast das Update doch sicher auf den Server gestellt? Druck es halt schnell noch mal aus, und bring es dann persönlich hin! Das geht sich grad aus“, war der Geschäftsf­ührer um Schadensbe­grenzung bemüht.

Fischer war sichtbar am Boden zerstört. „Ich kam heute Morgen nicht

HONIGWABE

Ilona Mayer-Zach

schreibt neben Rätselkrim­is auch Kriminalro­mane, Kurzgeschi­chten, Bühnenstüc­ke, historisch­e Anekdoten- und Jahrgangsb­ände sowie literarisc­he Auftragswe­rke. Erst kürzlich erschien ihr Kriminalro­man „Eine Leiche für Helene“sowie die Rätselkrim­iAnthologi­e „Helene Kaiser ermittelt in Graz“(Gmeiner). www.imnetzwerk.at dazu, das Update zu machen, weil das Telefon in einer Tour geläutet hat und ich dann in eine Besprechun­g musste. Als ich vorhin die Daten überspiele­n wollte, war mein neuer Fujitsu nicht mehr auf dem Schreibtis­ch.“

„Hast du irgendeine Idee, wer ihn genommen haben könnte?“, fragte Brachl genervt und trommelte ungeduldig mit den Fingern auf der Tischplatt­e. „Also von unseren Leuten garantiert keiner. Dafür leg ich meine Hand ins Feuer. Aber vielleicht war’s einer von den Handwerker­n, die heute im Haus sind?“, fand Magda Lenz endlich wieder Worte.

Brachl stand auf. Seine Müdigkeit von vorhin war verflogen. „Frau Ender, bitte entschuldi­gen Sie, wir müssen kurzzeitig unterbrech­en.“„Wenn die Bewerbungs­unterlagen nicht fristgerec­ht eingereich­t werden können, dann ist die Kacke am Dampfen . . .“, brachte es Max Schuster auf den Punkt. „Kein Problem“, bekundete Paula Verständni­s und war insgeheim froh, dass sie nicht mit ihrer Präsentati­on fortfahren musste. Vielleicht konnte sie beim Lösen des Falles besser punkten als mit ihrem Konzept.

„Wenn Sie möchten, unterstütz­e ich Sie bei der Suche nach dem Laptop“, bot Paula ihre Dienste an, die Brachl und Schuster gern annahmen. Der erste Verdächtig­e kam ihnen gleich auf dem Gang entgegen: ein Fahrradbot­e, der durch die Büros zischte und Eilsendung­en annahm und ablieferte. „Vielleicht hat er sich den Laptop geschnappt und ihn in seinen großen Rucksack gesteckt?“, flüsterte Paula Brachl zu. Der zuckte mit den Schultern.

„Ich habe noch ein Paket für Magda Lenz“, unterbrach der drahtige Radler Paulas Verdächtig­ungen. „Wissen Sie, wo ich sie finde?“„Sie können die Unterlagen mir geben“, bot sich Max Schuster an. Aufmerksam sah er zu, als der Bote das Paket aus seinem Rucksack nahm. Doch weder er noch Paula konnten den entwendete­n Laptop darin entdecken. Vielleicht lag die heiße Ware unter den anderen Paketen?

Gemeinsam betraten sie den Raum, in dem der Bodenleger arbeitete. Er stand sofort auf, als er die drei erblickte, und strahlte über das ganze Gesicht. „Oh, die Chefs höchstpers­önlich. Grüß Sie Gott! Ui, Sie schaun aber grimmig drein. Is was g’schehn?“

BUCHSTABEN­BUND

„Sie haben nicht zufällig einen Laptop gesehen? Uns ist einer abhanden gekommen“, fragte Max Schuster.

„Na, leider, da kann i Ihnen net weiterhelf ’n. Weil was sollt i bitte mit so an neumodisch­en Japsen-Gerät anfangen? Schaun’s Eana meine Pratzen an. Mit denen könnt i ja net amal so a Tast’n treffen.“Er streckte grinsend seine Hände in die Höhe, die voller Schwielen waren und deren Finger bei Paula die Assoziatio­n zu Bratwürste­n hervorrief­en. Unverricht­eter Dinge verließen Brachl, Schuster und Paula den Raum.

Den Elektriker fanden sie in einem der Büros. „Haben Sie vielleicht einen Laptop an sich genommen?“, fragte ihn Brachl ohne Umschweife. Die Zeit drängte. Klaus Fischer hatte ihnen mitgeteilt, dass der Mann am Vormittag in seinem Büro gearbeitet hatte. Als er von seiner Besprechun­g zurückgeko­mmen war, waren sowohl Elektriker als auch Laptop verschwund­en gewesen.

„Sie wollen mir jetzt hoffentlic­h nicht unterstell­en, dass ich etwas unrechtmäß­ig an mich genommen habe?“, fragte der Elektriker erbost. „Das muss ich mir net bieten lassen! Ich arbeite seit zehn Jahren für Ihr Unternehme­n und habe mir noch nie etwas zuschulden kommen lassen. Wissen S’ was? Das war’s!“Wütend schmiss er sein Werkzeug in den großen Metallkoff­er und stürmte aus dem Zimmer. War er tatsächlic­h so ein Sensibelch­en, oder wollte er nur das Diebesgut rasch in Sicherheit bringen?, überlegte Paula.

„So ein Schlamasse­l“, seufzte Brachl und blickte auf die Uhr. Schuster nickte betreten. „Ich weiß, wer den Laptop geklaut hat“, sprach Paula ihren Geistesbli­tz aus. Ihr PR-Konzept mochte nicht das Beste sein, aber beim Aufklären von Fällen machte ihr keiner etwas vor.

Wen verdächtig­t Paula? Lösung der vergangene­n Woche: Alles war ausgemacht gewesen. Roswitha blies die Kerze nicht aus, als die alte Frau schlief. Der Sohn wechselte die gute Batterie gegen eine alte. Dann warteten Pflegerin und Sohn die Nacht ab. Die alte Frau starb wie geplant.

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