Vom Innenleben eines Wochenblatts
Im Schlüsselroman »Bad News« verwebt Bruno Ziauddin kolportagehaft den radikalen Kurswechsel bei einer Wochenzeitung `a la »Weltwoche« mit der Gefahr der Islamisierung in Europa.
Eine Operation am offenen Herzen, die verzweifelten Versuche des Ärzteteams, die Blutungen zu stoppen, die die Stichwunden eines Messerattentats verursacht haben: Recht viel dramatischer könnte die Eröffnungssequenz eines Romans nicht einsetzen, und sein Titel, „Bad News“, impliziert schon das fatale Ende. Der Titel ist indes doppeldeutig, denn Bruno Ziauddin siedelt sein Buch in der Züricher Zeitungsbranche an – in einer Welt also, die von schlechten Nachrichten lebt, von Anschlägen, Skandalen, Katastrophen.
Das ist nicht ohne Pikanterie, hat Ziauddin doch als Ressortchef und Vizechef der „Weltwoche“, der „wichtigsten Wochenzeitung des Landes“, wie es mehrmals heißt, gearbeitet. Er war die rechte – oder besser: die linke – Hand von Roger Köppel, dem einstigen Wunderkind, dem „Harry Potter“der Branche, mittlerweile der kontroversiellste Publizist der Schweiz, wenn nicht des deutschsprachigen Raums. Köppel hat nicht nur die früher eher linksliberal orientierte „Weltwoche“zu einem nationalkonservativen, neoliberalen Blatt mit provokanten, marktschreierischen Titeln getrimmt. Er gilt als Intimus des rechtspopulistischen Milliardärs Christoph Blocher und ist inzwischen auch als Abgeordneter von dessen rechtskonservativer SVP ins Parlament in Bern eingezogen. „Konservative Kulturrevolution“. Darum erschließen sich im Porträt des Chefredakteurs T. ein Charakterbild Köppels und in der Schilderung des Innenlebens der Redaktion ein Schlüsselroman über die „konservative Kulturrevolution“a` la Mao. „Gemeinsam können wir das Land verändern“, so umgarnt T. den Protagonisten M., einen Gesellschaftsreporter mit Faible für den ironischen Zeitgeist der 1990erJahre, einen Fan des deutschen Zweitligaklubs Arminia Bielefeld mit Bindungsangst im Privatleben.
Die Innenansicht des Magazins ist zweifellos der spannendste, mithin amüsanteste und gelungenste Aspekt an „Bad News“. „Die Gesellschaftsjournalisten mokierten sich über die Weltfremdheit der Feuilletonisten, über die direkt aus der Altkleidersammlung gespeiste Garderobe der Politjournalisten und die komplette Ironie-Unfähigkeit der Wirtschaftsjournalisten. Die Sportjournalisten hielten alle, die vor 22.30 Uhr Feierabend machten und länger als sieben Minuten für einen Artikel brauchten, für Pussies.“
Ein Teil der Redaktion, Mitglieder der „rot-grünen Gesinnungskolchose“, revoltiert im Stillen gegen den Kurs des Chefredakteurs, der zur Zeit des IrakKriegs 2003 die Intervention George W. Bushs mit heißem Herzen unterstützt und gegen den „Sozi-Mainstream“polemisiert. Der Außenpolitikchef unterstellt T., als Presseorgan des Pentagons zu fungieren. Er kündigt aus freien Stücken, ehe T. mit „Sammy-Davis-JuniorLaune“eine „Säuberungswelle“im Haus anordnet. „Es braucht eine neue 68er-Bewegung, nur diesmal von der anderen Seite“, lautet sein Credo. M. dagegen steckt im internen Grabenkampf zwischen den Fronten – und muss dies am Ende auch noch büßen.
„Bad News“ist flott geschrieben, durchsetzt von Gags, und es verwebt kolportagehaft die Beschreibung des Redaktionsbiotops, medialen Paradigmenwechsels und Strukturwandels mit einer Parallelhandlung und einer Parallelwelt. Anhand des 19-jährigen Bosnien-Schweizers Damir leuchtet Ziauddin skizzenhaft den brisanten Hintergrund von Integration, Radikalisierung und Islamisierung aus. Aufgestachelt von Rap-Songs und von falschen Freunden im fundamentalistischen Milieu, brüskiert von der Hetzpropaganda auf der Leserbriefseite des Blatts („Ziegenficker“), lässt sich Damir zu einer Kurzschlussreaktion hinreißen – und beendet so abrupt den Showdown am Redaktionsparkplatz, die Abrechnung zwischen T. und M.
Damir trifft das aus seiner Sicht „falsche“Opfer, der Autor trifft dagegen den Nerv einer verunsicherten, oft sogar verstörten Gesellschaft.