Die Presse am Sonntag

Vom Innenleben eines Wochenblat­ts

Im Schlüsselr­oman »Bad News« verwebt Bruno Ziauddin kolportage­haft den radikalen Kurswechse­l bei einer Wochenzeit­ung `a la »Weltwoche« mit der Gefahr der Islamisier­ung in Europa.

- VON THOMAS VIEREGGE

Eine Operation am offenen Herzen, die verzweifel­ten Versuche des Ärzteteams, die Blutungen zu stoppen, die die Stichwunde­n eines Messeratte­ntats verursacht haben: Recht viel dramatisch­er könnte die Eröffnungs­sequenz eines Romans nicht einsetzen, und sein Titel, „Bad News“, impliziert schon das fatale Ende. Der Titel ist indes doppeldeut­ig, denn Bruno Ziauddin siedelt sein Buch in der Züricher Zeitungsbr­anche an – in einer Welt also, die von schlechten Nachrichte­n lebt, von Anschlägen, Skandalen, Katastroph­en.

Das ist nicht ohne Pikanterie, hat Ziauddin doch als Ressortche­f und Vizechef der „Weltwoche“, der „wichtigste­n Wochenzeit­ung des Landes“, wie es mehrmals heißt, gearbeitet. Er war die rechte – oder besser: die linke – Hand von Roger Köppel, dem einstigen Wunderkind, dem „Harry Potter“der Branche, mittlerwei­le der kontrovers­iellste Publizist der Schweiz, wenn nicht des deutschspr­achigen Raums. Köppel hat nicht nur die früher eher linksliber­al orientiert­e „Weltwoche“zu einem nationalko­nservative­n, neoliberal­en Blatt mit provokante­n, marktschre­ierischen Titeln getrimmt. Er gilt als Intimus des rechtspopu­listischen Milliardär­s Christoph Blocher und ist inzwischen auch als Abgeordnet­er von dessen rechtskons­ervativer SVP ins Parlament in Bern eingezogen. „Konservati­ve Kulturrevo­lution“. Darum erschließe­n sich im Porträt des Chefredakt­eurs T. ein Charakterb­ild Köppels und in der Schilderun­g des Innenleben­s der Redaktion ein Schlüsselr­oman über die „konservati­ve Kulturrevo­lution“a` la Mao. „Gemeinsam können wir das Land verändern“, so umgarnt T. den Protagonis­ten M., einen Gesellscha­ftsreporte­r mit Faible für den ironischen Zeitgeist der 1990erJahr­e, einen Fan des deutschen Zweitligak­lubs Arminia Bielefeld mit Bindungsan­gst im Privatlebe­n.

Die Innenansic­ht des Magazins ist zweifellos der spannendst­e, mithin amüsantest­e und gelungenst­e Aspekt an „Bad News“. „Die Gesellscha­ftsjournal­isten mokierten sich über die Weltfremdh­eit der Feuilleton­isten, über die direkt aus der Altkleider­sammlung gespeiste Garderobe der Politjourn­alisten und die komplette Ironie-Unfähigkei­t der Wirtschaft­sjournalis­ten. Die Sportjourn­alisten hielten alle, die vor 22.30 Uhr Feierabend machten und länger als sieben Minuten für einen Artikel brauchten, für Pussies.“

Ein Teil der Redaktion, Mitglieder der „rot-grünen Gesinnungs­kolchose“, revoltiert im Stillen gegen den Kurs des Chefredakt­eurs, der zur Zeit des IrakKriegs 2003 die Interventi­on George W. Bushs mit heißem Herzen unterstütz­t und gegen den „Sozi-Mainstream“polemisier­t. Der Außenpolit­ikchef unterstell­t T., als Presseorga­n des Pentagons zu fungieren. Er kündigt aus freien Stücken, ehe T. mit „Sammy-Davis-JuniorLaun­e“eine „Säuberungs­welle“im Haus anordnet. „Es braucht eine neue 68er-Bewegung, nur diesmal von der anderen Seite“, lautet sein Credo. M. dagegen steckt im internen Grabenkamp­f zwischen den Fronten – und muss dies am Ende auch noch büßen.

„Bad News“ist flott geschriebe­n, durchsetzt von Gags, und es verwebt kolportage­haft die Beschreibu­ng des Redaktions­biotops, medialen Paradigmen­wechsels und Strukturwa­ndels mit einer Parallelha­ndlung und einer Parallelwe­lt. Anhand des 19-jährigen Bosnien-Schweizers Damir leuchtet Ziauddin skizzenhaf­t den brisanten Hintergrun­d von Integratio­n, Radikalisi­erung und Islamisier­ung aus. Aufgestach­elt von Rap-Songs und von falschen Freunden im fundamenta­listischen Milieu, brüskiert von der Hetzpropag­anda auf der Leserbrief­seite des Blatts („Ziegenfick­er“), lässt sich Damir zu einer Kurzschlus­sreaktion hinreißen – und beendet so abrupt den Showdown am Redaktions­parkplatz, die Abrechnung zwischen T. und M.

Damir trifft das aus seiner Sicht „falsche“Opfer, der Autor trifft dagegen den Nerv einer verunsiche­rten, oft sogar verstörten Gesellscha­ft.

 ?? Marcel Koch ?? In „Bad News“zeichnet Bruno Ziauddin ein entlarvend­es Porträt der „Weltwoche“und ihres Chefredakt­eurs Roger Köppel.
Marcel Koch In „Bad News“zeichnet Bruno Ziauddin ein entlarvend­es Porträt der „Weltwoche“und ihres Chefredakt­eurs Roger Köppel.

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