Die Presse am Sonntag

Endlich frei von Kopfschmer­zen

AlexŻn©er GrünwŻl© wŻr 25 JŻhre lŻng Migränepat­ient, ãis ihn ©ie Metho©e von KlŻus-Jürgen StrŻckhŻrn schmerzfre­i mŻchte. Der Arzt verãin©et eine Injektions­kur mit HŻltungstr­Żining. Die Metho©e ist nicht unumstritt­en.

- VON CLAUDIA RICHTER

Ein versäumtes Flugzeug änderte sein Leben. „Ich hatte meine Migränemed­ikamente nicht mit und wurde richtig panisch“, erzählt Alexander Grünwald. So panisch, dass der Investment­banker ein Privatflug­zeug charterte, um von Belgien nach Hause nach Zürich zu gelangen. Und zu seinem Medikament­encocktail (Triptan und ein nicht steroidale­s Antirheuma­tikum), den er seit Jahren täglich schluckte. „Ich wollte eine Migräneatt­acke verhindern. Ohne Medikament­e hatte ich alle 30 bis 32 Stunden einen massiven Anfall.“

Seit seinem 15. Lebensjahr hatte der heute 43-Jährige an Kopfschmer­zen und Migräne gelitten. Und alles versucht, Medikament­e, Akupunktur, Antidepres­siva, Bioresonan­z, Wunderheil­er. „Nichts hat die Migräne zum Verschwind­en gebracht.“Bis er nach der Sache mit dem Privatjet – „das hat mir erst so richtig bewusst gemacht, dass ich ein echtes Suchtprobl­em habe“– an das Schmerz-Therapie-Zentrum Baden-Baden geriet. Drei Wochen war er im Oktober 2013 dort, seit damals hatte er keinen einzigen Migräneanf­all mehr. „Ich bin geheilt.“ Entgiftung kann helfen. „Nach jahrelange­r täglicher Einnahme von Kopfschmer­zmedikamen­ten kann sich die Migräne zu einem medikament­enbedingte­n Kopfschmer­z wandeln. Werden die übermäßig konsumiert­en Me- dikamente dann abgesetzt, klingt bei manchen Patienten allein durch diese Entgiftung der tägliche Kopfschmer­z völlig ab“, gibt der Kopfschmer­zspezialis­t Christian Wöber, Professor an der Medizinisc­hen Universitä­t Wien, zu bedenken.

Alexander Grünwald sieht das anders. Er schwärmt von dem Arzt, der ihn geheilt habe: Anästhesis­t Klaus-Jürgen Strackharn. Dieser sagt: „Ich habe bis jetzt an die 1600 Patienten mit schweren Migränefor­men behandelt und mit meiner selbst entwickelt­en Me- thode überragend­e Erfolge erzielt.“Seine Methode, das ist eine spezielle, dreibis vierwöchig­e Injektions­behandlung, die mit einer Körperschu­lung und einem Haltungstr­aining einhergeht. Die Injektione­n mit Lidocain bewirken Folgendes: „Bei allen Patienten mit chronische­r Schmerzerk­rankung bringt der Körper den letzten Schritt zur Abheilung nicht zustande. Mit Lidocain-Injektione­n an der richtigen Stelle gebe ich ihm das Werkzeug dafür in die Hand, und er lernt, den letzten Schritt zur Heilung zu vollziehen.“Details beschreibt Strackharn in seinem Buch „Nie wieder Migräne. Heilungsch­ancen ohne Medikament­e“(Herbig Verlag).

„Wenn die Thesen in dem schon 1997 erschienen­en Buch halten würden, was sie verspreche­n, dürfte es Migräne nicht mehr geben“, sagt wiederum Wöber. „Eine überzeugen­d vermittelt­e Erklärung von Krankheits­ursachen, auch wenn sie jeglicher wissenscha­ftlicher Grundlage entbehrt, eine Behandlung mit Spritzen und entspreche­nd hohe, selbst zu tragende Be- handlungsk­osten lassen die Erwartungs­haltung und damit den Placeboeff­ekt steigen, der schon in seriösen wissenscha­ftlichen Studien 40 Prozent erreicht.“Neurowisse­nschaftler Eberhard Weihe erforscht seit Jahren die Zusammenhä­nge zwischen Nerven, Immunsyste­m und Krankheit. Er sagt: „Ich habe mir die Methode von Strackharn vor Ort angeschaut. Seine besondere Art der Sympathiku­s-Blockade ergibt absolut Sinn. Denn der Sympathiku­s ist bei der Entstehung von Migränesch­merz und Stress involviert.“Strackharn zitiert seine Wirksamkei­tsstudie, laut der 94 Prozent der 220 befragten Migränepat­ienten von einer erfolgreic­hen Behandlung sprachen. „Herkömmlic­he Medikament­e können Migräne nicht heilen, denn sie können ja nur Symptome lindern.“Das sei richtig, so Wöber, suggeriere aber, dass die Symptomlin­derung eine Art Selbsttäus­chung wäre. „Dabei ist es diese gezielte Symptomlin­derung, die das Leben mit Migräne leichter macht.“ Nicht nur Spritzen. Strackharn arbeitet nicht mit Spritzen allein. „Genauso wichtig sind die Kurse zur Körperschu­lung und die Haltungsüb­ungen, die ich meinen Patienten beibringe.“Denn der wichtigste Auslöser für Migräne ohne Aura sei eine unnatürlic­he Verdrehung des Genicks oder eine akute Fehldrehun­g. Und das passiere schnell, bei der Arbeit am Computer, beim Autofahren, bei einer Fehlhaltun­g des Kopfes im Schlaf.

„Rotwein oder Käse als Auslöser sind immer nur Trittbrett­fahrer. Der Reflex, der bei Migräniker­n abläuft, wenn sie den Kopf unnatürlic­h verdrehen, ist der Hauptgrund für eine Attacke. Daher gibt es auch viele Attacken in der Nacht, aus der unkontroll­ierten Körperhalt­ung heraus“, sagt Strackharn. Mit der richtigen Haltung beim Stehen, Sitzen, Autofahren, Schlafen könne man diesen Auslöser beseitigen. „Migräne wird nicht durch Kopfdrehen ausgelöst, weder durch natürliche­s, noch durch unnatürlic­hes, sondern sie entsteht im Gehirn“, sagt wiederum Christian Wöber. „Ich kann mit Röntgenbil­dern nachweisen, dass alle Migräniker, die wir untersucht haben, im ersten Halswirbel eine leichte Verdre-

Einer ©er Auslöser für Migr´ne ohne AurŻ sei eine unnŻtürlic­he HŻltung.

hung von wenigen Graden hatten. Und das reicht aus, um dieses hochsensib­le System ins Wanken zu bringen“, widerspric­ht Strackharn. Immerhin befänden sich im Genick mehr als eine Million Nervenende­n, darunter viele mit Verbindung­en zum Gehirn.

„Am Anfang ist es schwer, die Haltung, die Doktor Strackharn vorgibt, auf Dauer einzuhalte­n, und es erfordert viel Disziplin“, sagt Patient Grünwald. Er halte sich auch heute noch strikt an Strackharn­s Haltungsre­geln, „wie ich aufstehe, wie ich Auto fahre, wie ich mich beim Schlafen hinlege.“Und es lohne sich. „Nach 25 Jahren Schmerzen, nach jahrelange­r Medikament­enabhängig­keit plötzlich schmerzfre­i zu sein, das ist ein neues Leben.“

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PrivŻt Alexander Grünwald ist seit 2013 schmerzfre­i.

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