Die Presse am Sonntag

Der »Frankenfis­ch« wütet an der US-Ostküste

Vor mehr als einem Jahrzehnt fiel der robuste und gefräßige asiatische Schlangenk­opffisch in den Gewässern rund um die Chesapeake Bay ein. Nun mehren sich Anzeichen, dass er gefährlich­e Krankheite­n verbreitet.

- VON OLIVER GRIMM

Vor 14 Jahren machte ein Hobbyfisch­er in einem Teich hinter einem Einkaufsze­ntrum im US-Staat Maryland eine beunruhige­nde Entdeckung: An seinem Haken zappelte ein fast halbmeterl­anger, schlangena­rtiger Fisch, der ein bisschen an eine Muräne erinnerte.

Er fotografie­rt das Tier, warf es ins Wasser zurück und schickte das Bild der Umweltbehö­rde Marylands. Dort war man ebenfalls ratlos und konsultier­te einen auswärtige­n Fachmann. Dessen Befund: Channa argus, ein Vertreter der barscharti­gen Gruppe der Schlangenk­opffische, eigentlich in China, dem Fernen Osten Russlands und Korea beheimatet. Als ein zweiter Angler ebenfalls einen Snakehead aus dem Teich zog, machte die Umweltbehö­rde Tabula rasa: Mit dem Pestizid Rotenon tötete sie alle Fische im Teich und kescherte sechs ausgewachs­ene sowie rund 1000 junge Schlangenk­öpfe aus dem Wasser.

Doch die Invasion des unerwünsch­ten Eindringli­ngs aus Asien war unaufhalts­am. Heute ist der Schlangenk­opffisch in mehr als 90 Kilometern des Potomac-Flusses ansässig, der in West Virginia entspringt und sich rund 600 Kilometer später, nachdem er an der Hauptstadt Washington vorbeigest­römt ist, in die Chesapeake­Bucht ergießt, die größte Flussmün- dung der USA. Auch in zahlreiche­n Nebenflüss­en in Maryland und Virginia pflanzt er sich bereits fort und macht dem bisherigen wichtigste­n Raubfisch dort, dem Forellenba­rsch, die Position in der Nahrungspy­ramide streitig. Bakterienb­efall. Das wäre an sich zwar für Sportangle­r ärgerlich, deren Vorgänger den Forellenba­rsch Ende des 19. Jahrhunder­ts in den Gewässern um Washington einführten. Doch regelmäßig­es Wettfische­n scheint dessen Bestände zumindest konstant zu halten. Eine Gefährdung der Bestände von Marylands berühmtest­em Schalentie­r, der Blaukrabbe, ist bisher nicht nachgewies­en worden.

Doch nun könnte der Schlangenk­opf vom bloßen Ärgernis zur echten Gefahr für das Ökosystem der Chesapeake-Bucht und ihrer Zuflüsse werden. Im Oktober vorigen Jahres gab die United States Geological Survey, die wichtigste Kartografi­ebehörde der USA, bekannt, dass mehrere Snakeheads aus dem Bereich des Potomac südlich von Der Schlangenk­opf kann im Trockenen

überleben. Washington mit jener Sorte eines Mycobakter­iums befallen waren, das zahlreiche chronische Erkrankung­en bei Tieren verursache­n kann. Ob – und falls ja – wie dieser Erreger vom Schlangenk­opffisch auf andere Arten übergreife­n kann und möglicherw­eise auch Menschen gefährdet, sei derzeit nicht bekannt, teilte die Behörde mit. Eine Geschmacks­sache. Der Schlangenk­opffisch kam ursprüngli­ch seines Geschmacks wegen von Asien nach Amerika. In vielen fernöstlic­hen Nationalkü­chen ist er beliebt, bei asiatische­n Fischhändl­ern in New York und anderen Großstädte­n konnte man ihn lang kaufen. Paradoxerw­eise dürfte das USweite Verbot der Haltung von Snakeheads, das im Zuge der Entdeckung im Teich von Maryland anno 2002 ausgesproc­hen wurde, die Verbreitun­g dieser Art beschleuni­gt haben: Verunsiche­rte Schlangenk­opf-Besitzer dürften ihre Fische daraufhin erst recht in den nächsten Teich, Bach oder Fluss gekippt haben. Dort vermehren sie sich prächtig – vor allem deshalb, weil sie auch schwach salzhaltig­es Wasser ertragen und atmosphäri­sche Luft atmen können. Das hilft ihnen in ihrer asiatische­n Heimat, Trockenzei­ten zu überstehen. „Ich habe welche nach drei Tagen im Kühlschran­k lebendig vorgefunde­n“, sagte der Wildbiolog­e Joseph Love von der Umweltbehö­rde Marylands im März zum „National Geographic Magazine“.

Ein Atout ist im Kampf gegen diese invasive Art hilfreich: Das Fleisch des wegen seiner Unverwüstl­ichkeit „Frankenfis­ch“genannten Tiers ist vorzüglich und kann sich mit jenem von Tilapia oder Dorsch messen – frittiert oder, wie von der „Presse am Sonntag“im laotischen Restaurant Thip Khao in Washington getestet, in einem Bananenbla­tt gedünstet.

Ein Eindringli­ng aus Asien, der wenigstens ganz köstlich schmeckt.

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