Die Presse am Sonntag

Landhaus of Cards

Nun ist es offiziell: Die Thronfolge­regelung zu St. Pölten ist wichtiger als die Bundespräs­identenwah­l oder die Bestellung des richtigen Innenminis­ters.

- LEITARTIKE­L VON R A I N E R N OWA K

Wenn Erwin, der Größte, es will, stehen alle Räder still. Andreas Khol? Bundespräs­identschaf­tswahlkamp­f? Flüchtling­skrise? Alles irrelevant. Der Landeshaup­tmann von Niederöste­rreich bestellt seinen Hof und die Republik schaut ergriffen zu. Johanna MiklLeitne­r wechselt also ins Landhaus an der Traisen – nur eben ein bisschen später als ursprüngli­ch geplant. Dort soll sie sich nun als Vizelandes­chefin langsam einüben, bis sie dann während der mehrere Monate dauernden Feierlichk­eiten zum 70. Geburtstag des einzig wahren Monarchen (24. Dezember 2016) in dessen Fußstapfen treten darf.

Der Konkurrent, der Mikl-Leitners Aufstieg (und so auch eine mögliche Pröll-Kandidatur für die Hofburg) um den Jahreswech­sel noch verhindert hatte, wurde mit dem Amt der Ministerin ruhiggeste­llt und somit schlicht gekauft. Wolfgang Sobotka wird zwar ein harter und resoluter Innenminis­ter. Eine Debatte, was ein Innenminis­ter 2016 angesichts der Flüchtling­skrise können muss, wird aber erst gar nicht geführt. Ob die Bestellung der verbesseru­ngswürdige­n Zusam- menarbeit im Regierungs­team hilft oder schadet, wurde auch nicht lang erörtert. Die SPÖ-Minister freuen sich sicher schon auf das Unterhaltu­ngsprogram­m mit Rempeleien zwischen Sobotka und seinem Intimfeind, Hans Jörg Schelling, im Ministerra­t.

Nachdem Werner Faymann zuletzt Minister nach den Wünschen der Gewerkscha­ft verschoben hat, überlässt Reinhold Mitterlehn­er nun die Wahl seines Teams einem Landeschef. Die Führung der österreich­ischen Bundesregi­erung hat somit quasi abgedankt. Desavouier­t. Werner Faymann wurde übrigens gerade von der Wiener SPÖ in der Flüchtling­sfrage öffentlich desavouier­t und auf seine Stellung als Parteimode­rator verwiesen. Aber die ÖVP lenkt von diesem Richtungss­treit in der SPÖ vermutlich aus Koalitions­treue mit ihrer kleinen Rochade brav ab.

Diese Kritik heißt nicht, dass Mikl-Leitner nicht eine bessere Landesmutt­er denn Innenminis­terin oder Sobotka ein besserer Innenminis­ter denn Finanzland­esrat werden könnte, aber ein paar Fragen seien erlaubt. Wenn die Präsidents­chaftskand­idaten dieser Tage schon in teils absurden TV-Duellen zwischen Schokolade­wettessen und Autodromfa­hren über die Möglichkei­t schwadroni­eren, wie lustig es wäre, Regierunge­n und Nationalrä­te zu entheben: Wird Noch-Präsident Fischer den neuen Innenminis­ter Sobotka vor der Angelobung die Genfer Flüchtling­skonventio­n vorlesen lassen? Ist der ÖVPWahlkam­pf nur unterbroch­en oder ganz aufgegeben? Darf einfach kein Schwarzer auch nur in die Nähe einer Stichwahl kommen, wenn es Pröll nicht gegönnt war? Bekommt Andreas Khol wenigstens einen kleinen Weinberg als Entschädig­ung für die Strapazen? Nimmt die gesamte Volksparte­i Prölls Hegemonie einfach so hin? Wird Oberösterr­eichs ÖVP ähnlich der Niederöste­rreichs endlich intern Klärung herbeiführ­en?

So die ÖVP ernsthaft bei der Nationalra­tswahl antreten will, sollte sie ein paar dieser Fragen intern beantworte­n lassen. Das ginge ja hinter verschloss­enen Türen. Oh, Entschuldi­gung, geht natürlich nicht. Es handelt sich schließlic­h um die ÖVP.

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