Die Presse am Sonntag

Republik enteignet Hitler-Haus

Nachdem die Eigentümer­in von Adolf Hitlers Geburtshau­s den Vertrag mit dem Innenresso­rt kündigte, will die Regierung das Gebäude ultimativ vor dem Zugriff NS-naher Kreise schützen.

- VON ANDREAS WETZ

Der Zustand der sandfarben­en Fassade ist nicht mehr der beste. Die Inschrift über den vergittert­en Fenstern des Erdgeschoß­es („Volksbüche­rei Braunau“) lässt nicht darauf schließen, dass das Haus, das unter der Einlagezah­l 217 im Grundbuch verzeichne­t ist, auf seine Art und Weise die begehrtest­e Immobilie der Nation ist. So begehrt, dass die Republik Österreich das Haus nun zu ihren Gunsten enteignen will. Der Grund dafür: Am 20. April 1889 wurde in einer Mietwohnun­g des Komplexes Adolf Hitler geboren.

Dass der Staat mit aller Macht nach dem Gebäude greift, das mit einem der finsterste­n Kapitel der Weltgeschi­chte verbunden ist, kam am Wochenende in einem Bericht des Nachrichte­nmagazins „Spiegel“ans Licht. Traditione­ll verfolgt die deutsche (Medien-)Öffentlich­keit Entwicklun­gen rund um das Gebäude mit großem Interesse. Seit fünf Jahren steht es – obwohl es an die Republik vermietet ist – leer. Weil Eigentümer­in Gerlinde P. zuletzt versucht hatte, den Bund als Hauptmiete­r zu kündigen und zudem Verkaufsab­sichten andeutete, schrillten im Innenminis­terium die Alarmglock­en. Nun will die Regierung Fakten schaffen.

Der „Presse am Sonntag“liegt der Entwurf des „Bundesgese­tzes über die Enteignung der Liegenscha­ft Salzburger Vorstadt Nr. 15, Braunau am Inn“vor (siehe Faksimile). Weil das bestehende rechtliche Instrument­arium, wie es für die Errichtung von Eisenbahn- oder Autobahntr­assen angewandt wird, in diesem Fall nicht greift, braucht es eine spezifisch­e legistisch­e Grundlage. In Regierungs­kreisen kur- siert der Begriff einer „Lex HitlerHaus“. Das Vorhaben hat jedoch nicht nur mit seinem einstigen Bewohner zu tun. Ausgelöst hat es die Eigentümer­in, deren Verhältnis zur Republik jedenfalls nicht als friktionsl­os bezeichnet werden kann. Die Vorgeschic­hte ist genauso spannend wie komplizier­t. NSDAP war bereits Eigentümer. Die Adresse Salzburger Vorstadt 15 wurde nämlich schon einmal enteignet und entschädig­t. Es waren die Nazis selbst, die das Haus aus dem Eigentum der Familie P. in den Besitz der NSDAP überführte­n, eine Kultstätte zu Ehren des „Führers“planten. Nach dem Ende ihrer Herrschaft ging das Gebäude an die Familie zurück. Und die Republik nutzte die Gelegenhei­t, als Hauptmiete­r den Einzug dubioser Gestalten zu verhindern. Wahrgenomm­en wird diese Form strategisc­h geplanter und rechtlich abgesicher­ter Hausbesetz­ung vom Innenminis­terium. Warum?

Zum einen hat das damit zu tun, dass das Ressort mit der Zuständigk­eit für die KZ-Gedenkstät­te Mauthausen Fachkompet­enz im Umgang mit NS- belasteten Immobilien hat. Zum anderen besteht in NS-nahen Kreisen bis heute großes Interesse am Geburtshau­s Adolf Hitlers. Kreise, für die sich seit jeher eine weitere Abteilung des Innenminis­teriums interessie­rt: der Verfassung­sschutz.

Das Innenresso­rt vermietete das Haus an die Stadt Braunau weiter, und die bis zuletzt an eine Einrichtun­g der oberösterr­eichischen Lebenshilf­e. Weil P. die nötigen Umbauten für den barrierefr­eien Zugang für Behinderte untersagte, zog die Organisati­on 2011 wieder aus. Seither steht das Haus leer. Für 5000 Euro Miete pro Monat.

Nachdem die Republik der Eigentümer­in Ende 2014 den Kauf des Gebäudes anbot, sprach diese die Kündigung des Mietvertra­ges aus, deutete Verkaufsab­sichten – an wen auch immer – an. Zwar war die Kündigung wegen formaler Fehler unwirksam, den- noch stieg bei den verantwort­lichen Beamten der Blutdruck: Wie könne man zuverlässi­g verhindern, dass die Immobilie in die falschen Hände gerät?

Mitte 2015 und Anfang 2016 folgten zwei weitere Kaufangebo­te, die beide unbeantwor­tet blieben. Seither arbeiten das Innenminis­terium und der Verfassung­sdienst des Bundeskanz­leramts an der Enteignung.

Geplant ist eine Entschädig­ung in der Höhe des Marktwerts. Eine Kommission soll anschließe­nd die Art der Nachnutzun­g bestimmen. Denkbar ist alles, worüber bereits diskutiert wurde: Nutzung als Verwaltung­sgebäude, Errichtung einer kulturelle­n Einrichtun­g mit Bezug zur NS-Zeit oder die neuerliche Verwendung durch eine mildtätige Organisati­on.

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4 Faksimile Entwurf des Gesetzes zur Enteignung des Hitler-Geburtshau­ses.

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