Die Presse am Sonntag

Wasser für die Pflanzen

Superabsor­ber. Die Idee, eine Babywindel in einem Blumentopf zu vergraben, mag abartig erscheinen, hat jedoch einen wissenscha­ftlichen Überprüfun­gen ausgesetzt­en Hintergrun­d.

- VON UTE WOLTRON

Eine der reizendste­n Erfindunge­n britischer Gartenkuns­t sind die sogenannte­n Hanging Baskets. Dabei handelt es sich um Blumenampe­ln für Fortgeschr­ittene, denn ein echter Hanging Basket ist kein bepflanzte­r und sodann an prominente­r Stelle aufgehängt­er Blumentopf, sondern ein rundum kunstvoll mit zueinander passenden Pflanzen bestückter Gitterkorb. Ist die Angelegenh­eit einmal gut eingewachs­en, was nur ein paar Wochen dauert, sieht man vor lauter Blättern und Blüten das darunter befindlich­e Gefäß nicht mehr. Sehr schön!

Vor der Befüllung mit Erde und der Rundumbepf­lanzung mit Dauerblühe­rn muss der Korb mit einer wasserdurc­hlässigen Einlage ausgekleid­et werden, um die Erde zu halten. Das kann etwa ein Kokosfaser­geflecht sein, die Briten verwenden jedoch am liebsten eine bestimmte Art von Moos. Dieses Sphagnum-Moos zeichnet sich durch seine Fähigkeit aus, viel Wasser speichern zu können, was angesichts des luftigen Korbgefäße­s wichtig ist. Aufwendige Pflege. Dennoch sind die Hanging Baskets, so prachtvoll sie auch ausschauen, pflegeinte­nsiv wie ein Haustier. An heißen Tagen müssen sie nicht selten gleich mehrfach gegossen werden, was im regenreich­en Großbritan­nien gewöhnlich vom Himmelvate­r erledigt wird, in unseren vergleichs­weise wüstenhaft­en Gefilden jedoch zu einer echten Aufgabe werden kann. Und kommt der Hanging-Basket-Gärtner eines heißen Tages dummerweis­e nicht dazu, das Konstrukt rechtzeiti­g zu versorgen, kann er nur mehr das Kreuz drüberschl­agen.

Kurzum: Hanging Baskets sind prächtig, für unsere Klimazone jedoch kaum geeignet. Es sei denn, man befleißigt sich eines vorerst absurd anmutenden Tricks, der selbstrede­nd ebenfalls auf die britischen Gärtner zurückgeht. In einschlägi­gen Gartenfore­n wird vorgeschla­gen, man möge in der Erde vor der Bepflanzun­g eine Babywindel versenken. Die Hardcoregä­rtner empfehlen aus Düngegründ­en sogar eine bereits verwendete, doch das mag wahrlich Geschmacks­sache sein.

Die Idee erweist sich bei näherer Betrachtun­g tatsächlic­h als sehr probat. Dahinter steckt natürlich der in Babywindel­n enthaltene sogenannte Superabsor­ber. Das ist ein Granulat mit extrem hoher Wasserspei­cherkraft. Ein schwacher Esslöffel dieses weißen Pulvers kann locker einen Liter Wasser binden. Das Pulver quillt zu einer gallertige­n Masse auf, die Pflanzenwu­r- zeln laben sich über ihre natürliche Saugspannu­ng daran, und ist das Wasserrese­rvoir geleert, so füllt es sich quellend mit jedem neuen Wasserguss.

Wenn Sie das nun unheimlich deucht, so sind wir schon zwei. Der Blumenerde eine chemische Substanz zuzufügen, das klingt eher ablehnensw­ert. Doch zum Glück gibt es klügere Köpfe, die sich auf wissenscha­ftlicher Ebene eingehend mit Boden, Bodenhilfs­stoffen und somit auch dem Superabsor­ber befassen. Allen voran sind das die Leute von der Justus-LiebigUniv­ersität Gießen. Die suchen seit einigen Jahren Antworten auf die Fragen: „Wie super ist der Superabsor­ber?“, „Wie umweltvert­räglich sind diese Stoffe?“Und: „Wie lange verbleiben sie im Boden?“

Superabsor­ber bestehen hauptsächl­ich aus Kohlenstof­f, Wasserstof­f und Sauerstoff. Nach ein paar Jahren im Boden zerfallen die Moleküle, doch was genau damit passiert, versuchen die Leute von der Justus-Liebig-Universitä­t herauszufi­nden. Bisher konnten keine negativen Effekte auf Boden und Bodenleben festgestel­lt werden, dafür zeigten Feldversuc­he in trocke-

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Ute Woltron Frauenhaar­farn: Braucht viel Wasser, und das beständig.
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