»Der Fluch der Gier: Wer zu viel hat,
Helmut Pechlaner war als Zoodirektor in Schönbrunn ein Liebling der Nation – und immer wieder für höchste Ämter im Gespräch. Der „Presse am Sonntag“erklärt der WWF-Präsident, warum Politik eine Sache der Jungen ist, wie Regulierungen uns die Eigenverantwo
Herr Pechlaner, Sie waren als Direktor des Tiergartens Schönbrunn und Gestalter von Fernsehsendungen sehr populär. Haben Sie keine neuen Pläne? Andere schwingen sich in höherem Alter noch zum Präsidentschaftswahlkampf auf . . . Helmut Pechlaner: Eine solche Kandidatur habe ich schon vor zwanzig Jahren abgelehnt. Es ist für mich völlig unverständlich, dass Menschen sich im fortgeschrittenen Alter noch so wichtig nehmen und glauben, sie seien notwendig für die Gesellschaft. Sollten also nur Jüngere Politik machen? Ist nicht auch die Erfahrung und Weisheit der Alten wertvoll? Das ist doch großteils nur Routine. Die Weisheit lebt von der Höflichkeit der Jugend, das heißt davon, dass die Jungen den Alten nicht widersprechen. Die Alten sollen sehr wohl mitreden und beraten. Aber die Entscheidungen sollen sie denen überlassen, die sie dann auszubaden haben. Sie wurden in jüngeren Jahren öfter gefragt, ob Sie politische Ämter übernehmen wollen, etwa als Umweltminister. Ich war noch für viel mehr im Gespräch. Ich sollte Bundespräsident werden, Landwirtschaftsminister, Innsbrucker Bürgermeister, Landesrat in Tirol, Stadtrat in Wien . . . Wieso haben Sie immer Nein gesagt? Wir waren zu Hause acht Kinder. Mein Vater hat sich in unsere Entscheidungen nie eingemischt – egal, ob es um Beruf, Partnerwahl oder Religion ging. Nur um eines hat er uns dringend gebeten: die Finger von der Politik zu lassen. Als Politiker darf man nur eines nicht tun: die Wahrheit sagen. Gleichzeitig ist man immer der eigenen Partei ausgeliefert. Dafür bin ich viel zu sehr Individualist und ein grader Michel. Ich wär ein Antipolitiker. Reden wir über ein paar aktuelle politische Themen. Zum Beispiel Steuern: Der Tiergarten bekommt jedes Jahr rund eine Million Euro geschenkt. Sind Sie für eine Erbschaftund Schenkungssteuer? Wenn ich einen Vortrag halte, zahle ich Steuer. Wenn mir jemand das gleiche Geld schenkt, zahle ich nichts. Also: Wenn ich ohne Leistung etwas erwerbe, ist es steuerfrei, wenn ich dafür etwas leiste, werde ich Länge mal Breite gemolken. Diese Logik ist mir nicht ganz zugänglich. Sind Sie für die Registrierkassenpflicht? Ja! In Wien hat man ja zumindest bis vor Kurzem sogar in sehr guten Restaurants mit bekannten Namen nur einen Papierabschnitt von einer Rechenmaschine bekommen. In Kroatien hab ich vor drei Jahren in der Altstadt von Trogir eine Tüte Eis gekauft. Natürlich hat man mir eine Rechnung gegeben. Weil ich im Südburgenland lebe, bin ich oft drüben in Szombathely auf dem Markt. Wenn ich dort Obst und Gemüse kaufe, gibt mir der Standler selbstverständlich eine Rechnung. Nur bei uns schafft man das nicht. Was sagen Sie zu den extrem niedrigen und vielleicht bald sogar negativen Zinsen? Das ist immer noch ein Geschäft im Vergleich zu früher. Wenn die Inflation früher überraschend auf sechs Prozent raufgegangen ist und ich hab drei Prozent Zinsen aufs Sparbuch bekommen, dann hab ich viel mehr verloren. Schon mein Vater hat gesagt: Die Inflation ist die Enteignung der Sparer. Tiere schnuppern am Futter und lassen es liegen, wenn es verdorben ist. Menschen werfen alles weg, bei dem das Ablaufdatum überschritten ist. Jetzt gibt es Überlegungen, diesen Aufdruck abzuschaffen. Wären Sie dafür? Selbstverständlich! Wenn man etwas auf die Packungen draufdrucken will, dann bitte nur das Datum, wann die Ware abgefüllt wurde. Die Perversion ist, dass sogar auf Mineralwasser und Hartwurst ein Ablaufdatum steht. Das „Mindestens haltbar bis“lesen sehr viele so: Ab da muss ich es wegwerfen. Früher hat man Küchenabfälle abgekocht und verfüttert. Heute darf man die Reste auch in Luxusrestaurants, wo sie gerade noch das Feinste vom Feinen waren, nicht einmal mehr den Schweinen geben – das ist doch unfassbar! Wir werden zur Bequemlichkeit genötigt, weil keiner mehr selbstständig denken will. An allem muss jemand schuld sein, nur nie man selbst. Die Eigenverantwortlichkeit wird uns weggezüchtet. Lässt sich das noch ändern? Wer sich in Amerika eine heiße Tasse Kaffee aufs Knie schüttet und eine leichte Verbrennung hat, bekommt eine Million Schmerzensgeld. Wir wissen: Was sich in den USA durchsetzt, kommt in den nächsten zehn Jahren meist auch zu uns. Man sollte dagegen vielleicht bei der Judikatur ansetzen, also festschreiben, dass jeder eine Eigenverantwortung hat. Von den Vögeln heißt es in der Bibel: Sie säen nicht, sie ernten nicht, aber der himmlische Vater ernährt sie doch. Dann folgt die rhetorische Frage: „Seid ihr nicht viel besser als sie?“Aber sind wir das im Umgang mit materiellen Gütern wirklich? Der Übergang vom Tier zum Menschen war vor allem durch das Wachstum der Hirnrinde bedingt. Sie lässt uns erinnern, vorausschauen, planen. Wir sind das einzige Lebewesen, das weiß, dass es einmal sterben wird – schon als Kind. Dieses Bewusstsein macht den Menschen zu einem Angsttier. Wir fürchten uns vor allem. Davon lebt natürlich hervorragend die Versicherungswirtschaft. Und die Religion: Sie verkündet den Menschen etwas Tröstliches und lässt sich dafür bezahlen. Mit der Angst kommt ein Zweites, der Fluch der Menschheit: die Gier. Das potenziert sich gegenseitig: Vor lauter Angst, nicht genug zu bekommen, wird man gierig. Diejenigen, die zu viel haben, kriegen nie genug. Sie akzeptieren nicht, dass der Sarg keinen Dachträger hat. Auch wenn sie schon so viel besitzen, dass selbst ihre Urenkel das Geld nicht verprassen könnten: Sie müssen immer noch ein gutes Geschäft machen. Sind Sie selbst dagegen immun? Niemand ist immun. Aber wir können ja unseren Verstand zum Kalkulieren einsetzen. Wenn ich weiß: Ich habe eine Pension, damit komme ich aus, ich bin damit zufrieden – wozu muss ich da noch groß raffen und anhäufen? Viele antworten darauf: Damit es meine Kinder einmal besser haben, als ich es hatte. Das ist doch nur eine Ausrede für die eigene zwanghafte Handlung. Das Beste, was ich meinen Kindern geben kann, ist eine gute Ausbildung und die Chance, sich selbst zu verwirklichen. Jeder ist stolz auf das, was er sich selbst geschaffen hat. Natürlich ist er froh über ein wenig Starthilfe. Aber alles, was darüber hinausgeht, macht nicht glücklich. Verdienen Topmanager zu viel? Die Managergehälter gehören gedeckelt. Dass Firmen die Gehälter ab einer be-