Die Presse am Sonntag

Hochmut kommt vor dem Fall

Ökonomen sehen eine Korrelatio­n zwischen dem Bau von Wolkenkrat­zern und Finanzkris­en. Demnach h könnte der jüngste Hochhausbo­om der Vorbote einer globalen Wirtschaft­skrise sein. Ist diese These haltbar?

- VON ADRIAN LOBE

Die Welt erlebt derzeit einen beispiello­sen Hochhausbo­om. Laut einem Bericht des Council on Tall Buildings and Urban Habitat (CTBUH) wurden im vorigen Jahr 106 Wolkenkrat­zer mit mehr als 200 Metern Höhe gebaut, so viele wie noch nie zuvor. In Saudiarabi­en entsteht derzeit das höchste Hochhaus der Welt. 1007 Meter soll der Kingdom Tower in der Küstenstad­t Dschidda in die Höhe ragen, ein Leuchtturm des Fortschrit­ts, der den Glanz der saudischen Herrscherf­amilie in den ganzen Orient ausstrahle­n soll. Doch das megalomane Projekt mutet schon vor seiner geplanten Fertigstel­lung 2019 wie ein Turmbau zu Babel an. Denn: Den Auftraggeb­ern könnte schon bald das Geld ausgehen. Grund ist der rapide Ölpreisver­fall, der ein riesiges Loch in den Haushalt gerissen hat. Das Architektu­rbüro AMBS will in der irakischen Stadt Basra eine ganz vertikale Stadt (The Bride) aus dem Wüstenbode­n stampfen. Es soll mit 1152 Metern Höhe das höchste Gebäude der Welt werden.

1999 beobachtet­e der Ökonom Andrew Lawrence, damals wissenscha­ftlicher Direktor der Investment­bank Dresdner Kleinwort Wasserstei­n, dass der Bau von Wolkenkrat­zern häufig dem Ausbruch von Finanz- und Wirtschaft­skrisen vorausgeht. 1931 wurde das Empire State Building auf dem Höhepunkt der Großen Depression eröffnet. 1996 wurden in der malaysisch­en Hauptstadt Kuala Lumpur die Petronas Towers errichtet, kurz bevor die asiatische­n Tigerstaat­en in eine schwere Finanzkris­e stürzten. 1999 folgte der Eröffnung des Taipei 101 das Platzen der Dotcom-Blase. Und die Fertigstel­lung des Burj Khalifa 2009 fiel zeitlich mit der Immobilien­krise zusammen. Lawrence leitete aus seinen Beobachtun­gen ab, dass Rekord-Wolkenkrat­zer häufig am Scheitelpu­nkt eines Konjunktur­zyklus errichtet werden. Auf dieser Grundlage entwickelt­e er den sogenannte­n Wolkenkrat­zer-Index (Skyscraper-Index). Hochhäuser sind damit ein Indikator für wirtschaft­lichen Niedergang – ein Fanal, dass es mit der Konjunktur bald abwärts gehen könnte. Keine Scheinkorr­elation. Bei dem Skyscraper-Index handelt es sich – anders als die von der Boulevardp­resse aufgegriff­ene Beobachtun­g, dass jedem Tor des Arsenal-Stürmers Aaron Ramsey der Tod eines Prominente­n folgt – um keine Scheinkorr­elation, sondern um einen robusten und begründete­n Zusammenha­ng. Wie der Ökonom Gunter Löffler von der Universitä­t Ulm in seinem Paper „Tower Building and Stock Market Returns“belegt hat, sind beide Phänomene – Finanzkris­en und Rekordbaut­en – Ausfluss eines zu großen Optimismus. In Zeiten globaler Niedrigzin­sen fällt die Finanzieru­ng solcher Megaprojek­te leichter. Aber lässt sich die Wolkenkrat­zer-Theorie auf die derzeitige Lage der Weltwirt- schaft anwenden? Blickt man nach Asien, wo in den Megacitys Hochhäuser wie Pilze aus dem Boden schießen und im vergangene­n Jahr 83 der 106 Wolkenkrat­zer über 200 Meter errichtet wurden, müsste der Wolkenkrat­zer-Index eine Finanz- und Wirtschaft­skrise indizieren. Erste Anzeichen dafür gibt es schon: Die Wirtschaft­saussichte­n in China haben sich eingetrübt, das Wachstum ist zurückgega­ngen, an den Börsen gab es heftige Beben. Die Investoren sind verunsiche­rt. Flüchten Anleger mit ihrem Geld nun in Immobilien? Die Frage ist, welcher Bau den Anknüpfung­spunkt der Theorie bildet und wann der Zyklus zu Ende ist.

Andrew Lawrence, der Erfinder des Skyscraper-Index, der heute Leiter der Immobilien-Investment­gesellscha­ft Oculus Research Asia in Hongkong ist, teilt auf Anfrage mit: „Ein Boom der Wolkenkrat­zer koinzidier­t normalerwe­ise mit einem Bauboom. Das spiegelt die Verfügbark­eit billiger Kredite wider. Das nächste Hochhaus ist der Kingdom Tower. Wenn die 150 Jahre alte Korrelatio­n anhält, sollte dies einen ökonomisch­en Wendepunkt markieren.“Davon ist auch der Ökonom Mark Thornton, Fellow am Mises Institute, überzeugt. Im Gespräch sagt er: „Der Hochhausbo­om indiziert mittelfris­tig eine neue Finanzkris­e.“Wolkenkrat­zer sind damit die Vorboten ökonomisch­en Unbills bills – und die physische Manifestat­ion ation von Blasen auf dem Markt, mit denen sie gebaut werden.

Gleichwohl erscheintc­heint die angedeutet­e Korrelatio­n ion nicht abschließe­nd plausibel. bel. Die allermeist­en Wolkenkrat­zer atzer sind in den vergangene­n zehn Jahren in China gebaut worden. den. Das Land müsste schon längstst in einer tiefen Krise stecken. Auch London hat eine ganze Reihe e von Wolkenkrat­zer-Neubauten hinter sich, Big Ben ist dort bald nur noch als Zahnstoche­r in eineriner Hochhausph­alanx erkennbar.nbar. London blieb teuer. r. Trotzdem sind die Immobilien­preise enpreise in der City hoch geblieben,blieben, sie steigen sogar. Hier ist der Indikator nicht aussagekrä­ftig.ssagekräft­ig. Doch es geht auch um Symbolik. Hochhäuser sind nd immer eine Manifestat­ion on von Macht. In ihnen spiegeltie­gelt sich die Hybris der Menschheit, enschheit, die immer höher hinaus naus will, wider. Der Wettbewerb­werb um das höchste Gebäudeude wird weitergehe­n – ganzz egal, ob die Welt in eine Finanzkris­enanzkrise schlittert oder nicht. . Die Fertigstel­lung des Burj Khalifa

erfolgte im Krisenjahr 2009.

Finanzkris­en und Rekordbaut­en sind Ausfluss eines starken Optimismus. Wolkenkrat­zer sind die Vorboten ökonomisch­en Unbills.

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