(K)eine Heldin unserer Zeit
Bachmann-Preis und »Bussi, Baby«: Die Journalistin Ronja von Rönne provoziert um der Provokation willen. Und darüber hinaus? Ihr Romandebüt ist eine trost- und belanglose Sinnsuche.
Eine Selbstdarstellerin ohne wirkliche Botschaft – außer jener des Antifeminismus: So ist Ronja von Rönne vor einem Jahr im deutschsprachigen Feuilleton aufgepoppt. „Feminismus ekelt mich an“, schrieb die 23-Jährige, und: „Ich bin keine Feministin, ich bin Egoistin.“Darauf folgte ein über Aufregung nicht hinausgehender Auftritt beim Ingeborg-Bachmann-Preis und einer in dem „Bussi, Baby“-Musikvideo der Wiener Band Wanda.
In der öffentlichen Wahrnehmung ist die „Welt“-Kolumnistin Rönne dabei so etwas geworden wie das deutsche Bad Girl – eine Antithese zum deutschen Good Girl, personifiziert zum Beispiel durch Popsängerin Lena Meyer-Landrut. Deutschlands Good Girls lächeln viel und kichern laut, trinken Prosecco, mögen Goethe und Pro7, machen Yoga und essen nie (oder wenn, dann nur heimlich).
Deutschlands Bad Girls sind wie Deutschlands Good Girls, nur mit ein paar mehr Abgründen abseits der Unterernährung: eine Therapie vielleicht, Kokainkonsum, ein Kindheitstrauma, weil das Bad Girl auf dem Land aufwuchs. Richtige tiefe, interessante Abgründe sind das aber auch nicht, also zumindest nicht so interessant, dass man darüber Romane schreiben sollte. Egoismus im Extrem. Nora, die Protagonistin von „Wir kommen“, ist dem Bad Girl Rönne nicht unähnlich, und so vergisst man manchmal, dass man hier keine Autobiografie, sondern einen Roman in den Händen hält. Nora ist jung, wohnt in der Stadt, kommt vom Land, versucht (offenbar erfolgreich, sie hat eine Managerin) in der Fernsehbranche Fuß zu fassen. Nachdem sie vom Tod einer Jugendfreundin erfährt, beginnt sie eine Psychotherapie – und schreibt, passenderweise, ab diesem Zeitpunkt ihre Tagesabläufe minutiös auf.
Schlafen, rauchen, trinken, sich nach einer Zweierbeziehung sehnen, obwohl sie sich bewusst gegen eben diese und für ein Vierergespann bestehend aus Exfreund, aktuellem Freund und Freundin des Exfreunds (zur selben Zeit Affäre des aktuellen Freunds) entschieden hat. Die Gemeinschaft als Erweiterung des egoistischen Ichs. Als Ronja von Rönne „Wir kommen“Aufbau-Verlag 208 Seiten 19,50 Euro