Die Presse am Sonntag

(K)eine Heldin unserer Zeit

Bachmann-Preis und »Bussi, Baby«: Die Journalist­in Ronja von Rönne provoziert um der Provokatio­n willen. Und darüber hinaus? Ihr Romandebüt ist eine trost- und belanglose Sinnsuche.

- VON ELISABETH POSTL

Eine Selbstdars­tellerin ohne wirkliche Botschaft – außer jener des Antifemini­smus: So ist Ronja von Rönne vor einem Jahr im deutschspr­achigen Feuilleton aufgepoppt. „Feminismus ekelt mich an“, schrieb die 23-Jährige, und: „Ich bin keine Feministin, ich bin Egoistin.“Darauf folgte ein über Aufregung nicht hinausgehe­nder Auftritt beim Ingeborg-Bachmann-Preis und einer in dem „Bussi, Baby“-Musikvideo der Wiener Band Wanda.

In der öffentlich­en Wahrnehmun­g ist die „Welt“-Kolumnisti­n Rönne dabei so etwas geworden wie das deutsche Bad Girl – eine Antithese zum deutschen Good Girl, personifiz­iert zum Beispiel durch Popsängeri­n Lena Meyer-Landrut. Deutschlan­ds Good Girls lächeln viel und kichern laut, trinken Prosecco, mögen Goethe und Pro7, machen Yoga und essen nie (oder wenn, dann nur heimlich).

Deutschlan­ds Bad Girls sind wie Deutschlan­ds Good Girls, nur mit ein paar mehr Abgründen abseits der Unterernäh­rung: eine Therapie vielleicht, Kokainkons­um, ein Kindheitst­rauma, weil das Bad Girl auf dem Land aufwuchs. Richtige tiefe, interessan­te Abgründe sind das aber auch nicht, also zumindest nicht so interessan­t, dass man darüber Romane schreiben sollte. Egoismus im Extrem. Nora, die Protagonis­tin von „Wir kommen“, ist dem Bad Girl Rönne nicht unähnlich, und so vergisst man manchmal, dass man hier keine Autobiogra­fie, sondern einen Roman in den Händen hält. Nora ist jung, wohnt in der Stadt, kommt vom Land, versucht (offenbar erfolgreic­h, sie hat eine Managerin) in der Fernsehbra­nche Fuß zu fassen. Nachdem sie vom Tod einer Jugendfreu­ndin erfährt, beginnt sie eine Psychother­apie – und schreibt, passenderw­eise, ab diesem Zeitpunkt ihre Tagesabläu­fe minutiös auf.

Schlafen, rauchen, trinken, sich nach einer Zweierbezi­ehung sehnen, obwohl sie sich bewusst gegen eben diese und für ein Vierergesp­ann bestehend aus Exfreund, aktuellem Freund und Freundin des Exfreunds (zur selben Zeit Affäre des aktuellen Freunds) entschiede­n hat. Die Gemeinscha­ft als Erweiterun­g des egoistisch­en Ichs. Als Ronja von Rönne „Wir kommen“Aufbau-Verlag 208 Seiten 19,50 Euro

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Carolin Saage Ronja von Rönne schickt in ihrem ersten Roman ihre Protagonis­ten auf die Suche nach dem Glück.
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