Die Presse am Sonntag

Das Ende von Rot und Schwarz . . .

. . . wie wir es kennen. Die Bundespräs­identenwah­l könnte zur politische­n Zäsur werden. Nicht wegen der Kandidaten, sondern wegen des völligen Bedeutungs­verlusts von SPÖ und ÖVP.

- LEITARTIKE­L VON R A I N E R N OWA K

Es trifft keine ganz Unschuldig­en: Beide Herren stehen im Positiven wie im Negativen für das, was ihre Parteien und ihre führenden Funktionär­e seit Jahrzehnte­n waren und sind. Rudolf Hundstorfe­r – im persönlich­en Gespräch volksnah, vor der Kamera leider nicht – war als Chef der Wiener Gemeindebe­diensteten und Sozialmini­ster das Gegenteil des großen Reformers. Andreas Khol – im persönlich­en Gespräch von sprühendem Esprit, vor der Kamera leider nicht – war als Klubobmann, Nationalra­tspräsiden­t und Chef der ÖVPPension­isten der Inbegriff des gnadenlose­n Machtpolit­ikers für die eigenen Parteiinte­ressen. (Reinhold Lopatka kann noch so viel üben, diese großen Schuhe werden ihm nie passen.) Dass ausgerechn­et Hundstorfe­r und Khol Gefahr laufen, nicht in die Stichwahl um das Präsidente­namt zu kommen, sagt weniger über ihre Performanc­e oder Person als über den Zustand von SPÖ und ÖVP aus. Deplorabel wäre noch eine grobe Untertreib­ung.

Ausgerechn­et in einem bunten, mitunter kindischen Wahlkampf drohen die Kandidaten mit der mächtigen Gewerkscha­ft einer- seits und den bis ins hinterste Tal organisier­ten Bürgermeis­tern anderersei­ts zu scheitern. Eine größere Blamage für Werner Faymann und Reinhold Mitterlehn­er, vor allem aber ihre Parteien, ist kaum denkbar. Dass in beiden Parteien bereits Durchhalte­parolen ausgegeben werden, wirkt schon wieder putzig.

Die Sinnfrage wird nicht gestellt: Wozu soll man die beiden Parteien denn überhaupt noch wählen? Für eine Große Koalition? Die braucht keiner mehr. Also wofür stehen die Parteien? Die SPÖ ist sich nicht einmal mehr einig, ob sie für Flüchtling­saufnahme oder nicht steht, wie der Wiener Parteitag trotz aller Beschwicht­igungsparo­len gezeigt hat. In der ÖVP wird erst gar nicht diskutiert, sondern nur noch von St. Pölten aus regiert.

Ihren ursprüngli­chen Sinn und Zweck haben die beiden Parteien vergessen und/ oder verloren. Die SPÖ machte sich einst durchaus erfolgreic­h daran, Klassenunt­erschiede aufheben zu wollen. Das ging mit viel Geld und Sozialsyst­em, scheiterte aber an einem zentralen Punkt: Sozialen Aufstieg erreicht man nicht mit Mindestsic­herung oder Sozialleis­tungsalmos­en, sondern mit Bil- dung. In den roten Städten, allen voran Wien, ließ man Generation­en von Kindern, vor allem jene mit Migrations­hintergrun­d, buchstäbli­ch dumm sterben. Bessere Pädagogik, viel mehr Mittel und Augenmerk wären der wahre soziale Wohnbau gewesen, ein gesellscha­ftspolitis­cher nämlich. Der neue Stadtschul­ratspräsid­ent scheint dies verstanden zu haben, vielleicht kommt da ja noch was.

Auch der ÖVP ist das Leitmotiv längst abhandenge­kommen: Leistungsd­enken und mögliche Vermögensb­ildung als Antrieb für die Gesellscha­ft und für Familien, so kreativ die heute aufgestell­t sind, hört man von ÖVP-Politikern selten bis nie. Kein Wunder, dass da ein vermeintli­ch kleiner Tropfen – die verpflicht­ende Einführung eines schlichten Abrechnung­ssystems für Unternehme­r – reicht, um das mit Steuerlast und Bürokratie gefüllte Fass zum Überlaufen zu bringen.

Anders formuliert: Die Herren Hundstorfe­r und Khol sind nicht die Totengräbe­r, sondern die Grabpredig­er von SPÖ und ÖVP. Und das machen sie sogar ziemlich elegant.

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