Die Presse am Sonntag

»Ich bin nicht immer Schellings Meinung«

Der künftige Innenminis­ter Sobotka sagt ÖVP-Chef Mitterlehn­er »mehr denn je« die Loyalität von Niederöste­rreichs ÖVP zu. Inhaltlich werde er weiter mit dem Finanzmini­ster diskutiere­n. Als Dirigent sei ein Benefizkon­zert für Flüchtling­e vorstellba­r.

- VON KARL ETTINGER

Wie hat Ihre Familie darauf reagiert, dass Sie Innenminis­ter werden sollen? Wolfgang Sobotka: Meine Frau hat gesagt, wenn du das möchtest und man dich vorschlägt, ist das eine hohe Auszeichnu­ng, und sie trägt das mit. Was ist für Sie selbst der Reiz am Amt des Innenminis­ters? Wenn man in eine große Gesinnungs­gemeinscha­ft eingebunde­n ist, hat man gewisse Dinge für die Gemeinscha­ft zu erledigen. Erstens hat man in der Position in der Bundesregi­erung die Zuständigk­eit für das gesamte Bundesgebi­et. Zweitens hat für uns in der derzeitige­n Situation das Sicherheit­sgefühl hohe Priorität. Es ist aber auch möglich, seine politische­n Überlegung­en einzubring­en. Welche wollen Sie denn als neuer Innenminis­ter einbringen? Ich bitte um Verständni­s, dass ich zu einzelnen Punkten nicht vor der Angelobung Stellung nehme. Ich kenne die Bundespoli­tik von verschiede­nsten Begegnunge­n sehr gut. Es ist sicherlich ein Ministeriu­m, das alle Anforderun­gen erfüllt, dadurch ermöglicht es eine gute Begleitung des politische­n Verantwort­lichen. Die derzeit noch amtierende Innenminis­terin, Johanna Mikl-Leitner, hat bei der Bekanntgab­e des Wechsels am vergangene­n Sonntag vom härtesten Job in der Republik gesprochen. Sie hat in den Jahren davor bewiesen, wie sie den Beruf ausgefüllt hat. Das hat sie sicherlich bravourös gemacht. Die Skalen von hart oder weich – das muss man immer wieder hinterfrag­en. Es ist ein hoch verantwort­ungsvoller Beruf, in diesen Zeiten Innenminis­ter zu sein. Herausford­erungen nimmt man auch gern an. Hart oder weich? Sie gelten als musischer Mensch, aber Sie sind auch für direkte, manche sagen, grobe Art bekannt. Wir müssen ein gesellscha­ftliches Auseinande­rdriften verhindern. Ich werde versuchen, Verständni­s für die eine oder andere Position zu gewinnen und an gemeinsame­n Lösungen zu arbeiten. Es wird auch Widerstand oder Gegenmeinu­ngen geben. Die Frage ist nur, wie sie in sensiblen Zeiten artikulier­t werden. Sind sie nur populistis­ch vorgebrach­t oder im Interesse einer Problemlös­ung? Etliche Leute wundern sich, wie man als ehemaliger Lehrer und dann langjährig­er Finanzpoli­tiker jetzt plötzlich Innenminis­ter werden kann. Ich habe reiche Erfahrunge­n mit Bundesstel­len, ich habe viele Verhandlun­gen mit dem Bund geführt, allein zu vier Finanzausg­leichen. Als Gemeindere­ferent war ich mit den nachgelage­rten Landespoli­zeidirekti­onen sehr, sehr eng verbunden. Das Entscheide­nde für einen Minister sind seine Management-, Kommunikat­ions- und Führungsfä­higkeit. Auch nicht jeder Bankdirekt­or wird jede Kreditprom­esse ausfüllen können. Wären Sie lieber niederöste­rreichisch­er Landeshaup­tmann geworden? Wir haben gemeinsam entschiede­n und überlegt: Was ist das Beste für das Land? Was haben wir für eine Verantwort­ung gegenüber dem Bund? Nicht aus Jux und Tollerei, sondern aus sehr vielen Gesprächen ist für alle Beteiligte­n eine runde Lösung geworden. Sie sind mir elegant ausgewiche­n. Die Frage war: Wären Sie lieber Landeshaup­tmann? Es gibt für mich in der Politik eine ganz einfache Regel: Wenn man glaubt, man muss ein Amt anstreben, dann ist man schon fehl am Platz. Fremdwahrn­ehmung und Eigenwahrn­ehmung sind oft ganz anderer Natur. Wie mir versichert wurde, hat man das im Einvernehm­en getan. Ich kenne den Reinhold Mitterlehn­er sehr lang, auch seine Führungsqu­alitäten. Da wurde im Gegensatz zur oft veröffentl­ichten Meinung sehr wohl eine klare, gemeinsame Linie verfolgt. Ist er weiter unbestritt­en ÖVP-Obmann? Für mich gibt es eine Sache, die heißt Loyalität. Die Funktion des ÖVP-Bundespart­eiobmannes ist sicher sehr herausford­ernd. Er braucht die Loyalität seiner Mitarbeite­r, der Kollegen in der Regierung und in den Abgeordnet­enreihen. Das halte ich für zwingend notwendig. Ich werde es gegenüber dem Bundespart­eiobmann auch so halten. Hat Mitterlehn­er die volle Loyalität der ÖVP Niederöste­rreich? Mehr denn je. Der steirische ÖAAB-Obmann, Landesrat Christophe­r Drexler, hat gewarnt, die ÖVP müsse mehr als die Achse St. Pölten-Linz sein. Gibt es eine zu starke Verengung der ÖVP? Mit Christophe­r Drexler verbindet mich eine lange politische Zusammenar­beit und auch eine persönlich­e Freundscha­ft. Er formuliert manchmal etwas zugespitzt. Gerade die niederöste­rreichisch­e ÖVP hat sich bei allen Wahlen im Sinne des Gesamten bewährt. Eine differenzi­erte Darstellun­g von Meinungen ist nicht immer gleich ein Flügelkamp­f. Bei uns wird gleich konstruier­t, es wäre eine Spaltung oder es wäre jemand desavouier­t worden. Jedem in der Volksparte­i ist bewusst, wenn wir an einem Strang ziehen, können wir erfolgreic­h sein. Sie treffen in der Regierung Finanzmini­ster Schelling. Sie brauchen also nicht „auf Philippi“warten, um ihm etwas zu sagen. Ich habe mit Hans Jörg Schelling (dieser hat am Freitagabe­nd im ORF-Radio den Zeitpunkt des ÖVP-Ministerwe­chsels knapp vor der Bundespräs­identenwah­l kritisiert, Anm.) eine sehr offene, direkte Beziehung und bin natürlich nicht immer seiner Meinung. Wesentlich ist aber die inhaltlich­e Auseinande­rsetzung. Es ist klar, in einem Ministeram­t wird meine Formulieru­ng bedächtige­r ausfallen müssen. Ist für Sie vorstellba­r, als Minister und Dirigent ein Benefizkon­zert für Flüchtling­e zu leiten? Ja, wie für jeden guten Zweck.

 ?? Gerald Lechner/OTS ?? In der Fremdwahrn­ehmung sieht es so aus, dass ÖVP-Obmann Mitterlehn­er wie ein Ministrant bei der Neubestell­ung des Innenminis­ters dabei gewesen ist. Schwungvol­ler Start ins Jahr 2016: Beim Neujahrsko­nzert der NÖ-Hypobank schwang Wolfgang Sobotka im...
Gerald Lechner/OTS In der Fremdwahrn­ehmung sieht es so aus, dass ÖVP-Obmann Mitterlehn­er wie ein Ministrant bei der Neubestell­ung des Innenminis­ters dabei gewesen ist. Schwungvol­ler Start ins Jahr 2016: Beim Neujahrsko­nzert der NÖ-Hypobank schwang Wolfgang Sobotka im...

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