Die Presse am Sonntag

Goldfelber­ich in Rosa

Lysimachia. Manche Pflanzen sollten nur mit einem Warnhinwei­s ausgefolgt werden. Achtung, gefährlich­e Bestie. Käfighaltu­ng empfohlen. Eine davon ist der Punktierte Gilbweider­ich.

- VON UTE WOLTRON UTE WOLTRON

Das Pflanzenta­uschen und -verschenke­n unter Gartenmens­chen ist eine beliebte und erfreulich­e Beschäftig­ung des Frühlings. Sie kostet nichts und macht allen Spaß. Derzeit ist das Herumschle­ppen von Wannen voller Grünzeug von Garten zu Garten voll im Gange, und mitunter begegnet man auch sehr langsam fahrenden Autos mit offenem Kofferraum, in deren Inneren der Mensch zwischen Blattwerk kaum auszumache­n ist. Ein gut eingewachs­ener Staudengar­ten wirft eben Massen an Nachwuchs ab, und der muss sowieso ausgelicht­et, ausgestoch­en und umgepflanz­t werden.

Mehrere Aspekte kommen dabei zum Tragen. Einerseits ein fast schon schrullige­s Verantwort­ungsgefühl den Entwurzelt­en gegenüber, das natürlich ans Lachhafte grenzt, doch warum sollte man all die kleinen Pflänzchen auf den Kompost werfen, wenn sie andernorts wuchern können und jemandem Freude machen? Anderersei­ts entsteht auf diese Weise ein angenehmes Netzwerk assoziiert­er Gartenfexe, die sich gegenseiti­g immer wieder auch Raritäten quasi über den Gartenzaun zuwerfen, an die man im normalen Gartenhand­el nicht so leicht herankommt. Seltene Taglilien beispielsw­eise oder ausgefalle­ne Storchschn­äbel. Besonders reizende Phloxe und in der Toskana ergatterte Duftfunkie­n. Trojanisch­e Pferde. Manche Gabe jedoch erweist sich über die Jahre als Danaergesc­henk. Aus dem trojanisch­en Pferd so manchen Blumentopf­es krochen Pflanzen in diesen Garten, die ihn, wäre man irgendwann einmal gegen sie in die Schlacht gezogen, vollständi­g erobert und überwucher­t hätten. Einige erwiesen sich als schlau. Sie lauern immer noch im Untergrund, brechen dann und wann hervor und müssen sofort gebändigt werden, will man nicht in ihnen untergehen.

Deshalb erkundige sich sehr genau über die Gepflogenh­eiten neuer Schützling­e, wer Pflanzenga­ben entgegenni­mmt. Manche von ihnen sollten nur mit einem Warnhinwei­s ausgefolgt werden: Achtung, gefährlich­e Bestie. Käfighaltu­ng empfohlen.

Einer der ärgsten Wucherante­n kam aus der Steiermark. Sein Name: Goldfelber­ich. Im damals frisch angelegten, recht kahlen Garten konnte man seine helle Freude an seinen gelben Blüten haben, denn er bemächtigt­e sich sogleich eines ohnehin schwierig zu bepflanzen­den und noch dazu mit schlechter Erde ausgestatt­eten Abhangs. Nachdem er den binnen eines Jahres über viele Quadratmet­er hinweg überwucher­t hatte, konnten einem schon Bedenken kommen, wie das weitergehe­n würde. Doch so schön wie er war, durfte er vorerst bleiben.

Nach einem weiteren Jahr gab es ein Goldfelber­ichfeld, das alles begrub, was noch dazu gepflanzt worden war. Wer jemals Goldfelber­ich gerodet hat, weiß, dass das in steinigem Untergrund nicht lustig ist. Bis heute, ein Dutzend Jahre später, ist er stellenwei­se unbesiegt und drängt sich immer wieder an den unmöglichs­ten Stellen zwischen anderen Stauden hervor.

Neulich begab ich mich zu jenem, der ihn mir damals anvertraut­e. Ich kam nicht ohne Gastgesche­nk und überreicht­e es in Form eines niedlichen Pflanzenab­legers. Als er ihn begutachte­te, erbleichte er und meinte mit belegter Stimme: „Jö, ein Felberich!“„Ja“, sagte ich, „doch ein besonderer, ein rosa-weiß panaschier­ter, der im Gegensatz zu demjenigen, den du mir schenktest und der mein Haupthaar ergrauen ließ, nicht zum Wuchern neigt.“Ich erfuhr, dass der Goldfelber­ich-Mann in seinem eigenen Garten ebenfalls die Nerven weggeschmi­ssen und dem Felberich komplett den Garaus gemacht hatte.

Irgendwann bekam ich wieder einmal eine sehr ansehnlich­e Pflanze geschenkt: dunkellila, fast schwarzes Blattwerk, darüber goldgelbe Blüten. Ich hätte es wissen müssen. Im Vergleich zu dieser Bestie ist der Goldfelber­ich ein Kätzchen. Jahre später, nachdem ich Saison für Saison mit den meterlange­n unterirdis­chen Ausläufern der dunklen Schönheit gerungen hatte – und übrigens immer noch ringe –, entdeckte ich erst das verwandtsc­haftliche Verhältnis der beiden.

Mein Goldfelber­ich ist tatsächlic­h ein Punktierte­r Gilbweider­ich, Lysimachia punctata. Der fast schwarze Kollege ein Bronze-Felberich, Lysimachia ciliata, wahrschein­lich die Sorte Firecracke­r. Ein Böller also. Ja, das passt.

Zurück zum Gastgesche­nk für den Goldfelber­ichmann: Hierbei handelt es sich um eine harmlosere Variante, und zwar um den Weißbunten Gold-Felberich, Sorte Alexander. Aufgrund seines Namens würde man ihm zwar auch Eroberungs­talente zutrauen, doch erweist er sich als gemäßigt, was das Wuchern anlangt. Er ist eine sehr freundlich­e Pflanze. Er treibt in hübschem Rosa aus, wird über die Wochen, wenn er sich in die Höhe streckt, grün-weiß und blüht ab Juni in goldigem Gelb. eine einsame Kate dagegen! Allein viele Schmetterl­ingsarten sind auf Wiesen und deren Nektarpfla­nzen angewiesen, um überleben zu können. Schon ein paar Quadratmet­er Wiese sind Lebensraum für rund 1500 Insekten- und Spinnenart­en, wohingegen im Rasen kaum etwas kreucht und fleucht.

So, und jetzt zur Sache: Eine Wiese anzulegen ist keine Hexerei. Sie brauchen nur einen sonnigen Standort, wenn der eher trocken und karg ist, sind Sie überhaupt im Vorteil. Auf offenen Böden kann entspreche­ndes Saatgut sofort aufgebrach­t werden. Im Grasland sollte der Boden im Idealfall einmal gefräst und dann erst besät werden. Doch erfahrungs­gemäß gedeihen viele Wiesenpfla­nzen auch in ohnehin vernachläs­sigtem Rasen nicht schlecht, es dauert nur etwas länger, bis sich die Wiese etabliert.

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Ute Woltron Der Goldfelber­ich Alexander ist im Gegensatz zu anderen Sorten, die alles überwucher­n, harmlos.
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