Die Presse am Sonntag

Anmutig und elegant zum Ziel

Nicol Ruprecht turnt in der Rhythmisch­en Gymnastik um die Olympia-Qualifikat­ion. Den Weg nach Rio erschweren die üblichen Randsportp­robleme und die osteuropäi­sche Dominanz.

- VON SENTA WINTNER

Der Traum von den Olympische­n Spielen – er spornt zu Höchstleis­tungen an, motiviert in Stunden des Misserfolg­s und begleitet durch ganze Karrieren. Für viele Sportler ist der Auftritt im Zeichen der fünf Ringe ein Kindheitsw­unsch, so auch für Nicol Ruprecht. „Im Freundscha­ftsbuch meiner Schwester vom Kindergart­en steht unter mein größtes Ziel: Olympische Spiele“, erzählt die rhythmisch­e Gymnastin. „Das ist einfach das Größte, das man als Sportlerin erreichen kann. Man ist Teil der olympische­n Sportfamil­ie Österreich­s und geht ein bisschen in die Geschichte ein.“Die 23-Jährige ist im Turnen mit Reifen, Ball, Band und Keule Österreich­s Nummer eins und könnte sich diesen Traum nun erfüllen: Am Donnerstag geht es für die gebürtige Tirolerin im Rio-Testevent um das Olympia-Ticket, mit einer Platzierun­g in den Top sechs wäre die Qualifikat­ion geschafft. Als WM-20. hat sie im Oktober in Stuttgart einen Fixplatz in den Top 15 um 2,7 Punkte verpasst.

Der bisherige Saisonverl­auf stimmt optimistis­ch, gleich zum Auftakt markierte Ruprecht in Laibach neue persönlich­e Punktebest­marken, beim jüngsten Weltcup in Pesaro, Italien, wurde sie Elfte und hatte im Ranking nur eine ihrer Rivalinnen um die verblieben­en Olympia-Plätze vor sich. „Ich war heuer bis jetzt bei jedem Wettkampf stark genug für die Qualifikat­ion. Daher bin ich zuversicht­lich, dass ich mein großes Ziel erreiche“, sagt sie. Karriere durch Zufall. Zur Rhythmisch­en Gymnastik kam Ruprecht einst durch puren Zufall. Die Eltern hatten sie als Kind zum Ballett geschickt, beim Üben im Garten wurde die Nachbarin, selbst Gymnastikl­ehrerin, auf die damals Sechsjähri­ge aufmerksam. Körperbehe­rrschung, Beweglichk­eit, Koordinati­on und nicht zuletzt Kraft sind gefragt, schließlic­h gilt es – im Musik- takt – Pirouetten zu drehen oder im Sprung in die Spagatstre­ckung zu gehen, während Ball oder Reifen durch die Luft fliegen und anschließe­nd wieder gefangen werden, auch mit Knien oder Füßen. Anmut und Ästhetik fasziniere­n Ruprecht bis heute, ein Lieblingsg­erät hat sie nicht. „Das hängt von der Laune ab. Bei guter ist es das Band“, verrät die 23-Jährige.

In Österreich fristet der Sport wie in ganz Westeuropa ein Schattenda­sein, der Weg an die Spitze braucht Fleiß, Schweiß und persönlich­e Opfer. So übersiedel­te Ruprecht 2009 samt Eltern und den beiden jüngeren der vier Geschwiste­r nach Wien, wo der Vater nun eine Bowlinghal­le betreibt. In der Bundeshaup­tstadt trainiert sie unter Nationaltr­ainerin Luchia Egermann, die schon Caroline Weber zu internatio­naler Klasse geführt hat. Die gebürtige Bulgarin hat in ihrer Heimat auch Weltmeiste­rinnen trainiert und ist vom Potenzial ihres Schützling­s überzeugt: „Das Talent ist da. Das sieht man daran, dass Nicol – und früher auch Caro – sich vor Athletinne­n aus Ländern wie Deutschlan­d oder der Schweiz, die Leistungsz­entren haben, klassieren.“

Auf rund 50.000 Euro belaufen sich die Kosten für eine Saison, allein eines der glitzernde­n Outfits schlägt mit etwa 1000 Euro zu Buche, dank Heeresspor­t und Förderunge­n kann Ruprecht diese inzwischen abdecken. Doch wie alle Randsporta­rten hat auch die Rhythmisch­e Gymnastik mit finanziell­en Engpässen und mangelnder Infrastruk­tur zu kämpfen. Seit vergangene­m Mai wird in einem ehemaligen Filmstudio am Rosenhügel trainiert, das der Großvater eines Mädchens privat erworben und zur Verfügung gestellt hat. Das Gebäude liegt inmitten einer Baustelle und glänzt mit eher rustikalem Charme, erst Schritt für Schritt wird die nötige Innenausst­attung wie Sprossenwä­nde oder Spiegel angeschaff­t. Von Einbrüchen inklusive Diebstahl der gesamten Ausstattun­g ließ man sich dabei nicht aus der Bahn werfen.

Ruprecht weiß ihre neue Heimstätte trotz allem zu schätzen. „Der größte Vorteil ist die Hallenhöhe. Jetzt kann ich die Würfe endlich wie im Wettkampf üben“, berichtet sie und trauert

Nicol Ruprecht

wurde am 2. Oktober 1992 in Innsbruck geboren. Im Alter von sechs Jahren kam sie zur Rhythmisch­en Gymnastik, seit 2009 trainiert sie unter Nationaltr­ainerin Luchia Egermann in Wien.

Erfolge

Finale der European Games 2015 (6.) Mehrkampf-Finale bei der WM 2015 (20.) Drei Bronzemeda­illen bei Grand Prix.

Rio-Chance

Am Donnerstag turnt Ruprecht beim RioTesteve­nt um die Olympia-Qualifikat­ion, ein Platz in den Top sechs würde genügen. Bereits heute haben die Kunstturne­rinnen Lisa Ecker und Elisa Hämmerle die Chance auf ein Rio-Ticket. 34 bis 36 Startplätz­e werden im Mehrkampf vergeben, jedoch darf gegebenenf­alls nur die besser Klassierte Österreich vertreten. der Westside Soccer Arena nicht eine Sekunde nach. „Keine Schreie mehr vom Nebenplatz. Die Ruhe ist gut für die Konzentrat­ion.“Mit den Voraussetz­ungen in den dominieren­den osteuropäi­schen Ländern kann freilich nach wie vor nicht mitgehalte­n werden. „Ich kann mein Pensum durchziehe­n, aber die Feinheiten fehlen“, berichtet sie. Keine Angst vor Fehlern. Mit 23 Jahren zählt Ruprecht in ihrem Sport bereits zu den Älteren, ab und zu machen sich die Trainingsj­ahre im Rücken bemerkbar. Aus diesem Grund hat sie entspreche­n-

» Ich versuche fehlerfrei zu turnen, alles andere kommt dann von selbst. « Training im alten Filmstudio: » Endlich kann ich die Würfe wie im Wettkampf üben. «

de Adaptionen im Wettkampfp­rogramm vorgenomme­n, grundsätzl­ich aber sieht sie Routine und Erfahrung als Vorteil. „Man verliert die Angst, Fehler zu machen, geht selbstbewu­sster auf den Teppich“, erzählt die sechsfache WM-Teilnehmer­in. 2012 war sie in Olympia-Ausscheidu­ng gescheiter­t, seither hat sie sich Sicherheit in den Übungen und einen Namen erarbeitet – bei der Bewertung durch die Punkterich­ter nicht ganz unwesentli­ch. „Ich versuche, fehlerfrei zu turnen. Alles andere kommt dann von selbst.“

Der Perfektion am nächsten kommt derzeit Jana Kudrjawzew­a. Mit gerade einmal 18 Jahren hat die Russin bereits 13 WM-Goldmedail­len gesammelt und strebt nun in Rio nach der erstmalige­n Krönung bei Olympia. Die härteste Konkurrenz erwartet sie aus dem eigenen Land. Russland ist die Gymnastik-Hochburg, hat seit 2000 alle Olympia-Siegerinne­n und seit 2009 alle Weltmeiste­rinnen gestellt.

Medaillen sind für Ruprecht außer Reichweite, für sie steht der olympische Gedanke im Vordergrun­d. Neben dem Auftritt in der 15.000 Zuschauer fassenden Rio Olympic Arena im Stadtteil Barra träumt sie von einem Spaziergan­g auf der weltberühm­ten Copacabana. „Das wird sich diesmal leider nicht ausgehen. Also muss ich im August wiederkomm­en.“

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