317. Wiener Derby: Ein Duell der Krisenklubs
Rapid und Austria treten vor dem direkten Vergleich auf der Stelle. Nur ein Sieg hilft den Wienern bei deren Krisenbewältigung.
40 Jahren erstmals wieder zur EM fährt, ist eine wirkliche Mannschaft. Die Stärke ergibt sich aus dem organisierten Spiel. Ein Gegner, der sie unterschätzt, kann leicht den Kürzeren ziehen. Wer ist denn Ihr persönlicher Favorit? Wenn die Österreicher die Form aus der Qualifikation halten und ihr Können ausspielen – sie sind sehr dynamisch und auch im Konter lebensgefährlich –, können sie sogar Gruppenerster werden. Sie sind wegen ihrer Fähigkeiten obenauf, die Ungarn wegen der erkämpften Ergebnisse. Aber trotzdem kann ich in dieser Gruppe mit Portugal und Island keinen Favoriten nennen. Jeder kann jeden schlagen oder ein Unentschieden erschwitzen. Sie waren Teil des Betreuerteams von P´al D´ardai und hatten von Nachfolger Bernd Storck das Angebot zu bleiben. Aber . . . . . . da ist nichts passiert! Mich hat Dardai´ zu einem zerfallenen Team, ohne jeden Glauben, geholt. Ich meine, wir haben sie gemeinsam neu zusammengesetzt. Jetzt haben sie wieder Selbstvertrauen und sind stolz, zum Nationalteam zu gehören. Als Dardai´ von Hertha BSC engagiert wurde, kam Storck, der seinen Stab mitbrachte. Das hat Pali ja auch getan. Übrigens: Storck lässt a` la Dardai´ spielen, ergänzt durch ein paar mutigere Schritte. Aber wurde nicht eine Legende wie Tibor Nyilasi gebraucht, um den Spielern eine Form von ungarischen Stolz einzuimpfen? Kann denn das Andreas Möller auch? Das interessiert die heutigen Fans doch nicht mehr. Aber die Spieler? Ich finde, der Wechsel ist problemlos gewesen, und das Ergebnis ist das Einzige, was Fans und Spieler interessiert. Ich habe meinen Job bei SportTV, bin Präsidiumsmitglied im ungarischen Fußballverband und arbeite in der Uefa-Kommission mit. Ich habe also nicht weniger Anteil am Fußball. Fahren Sie zur Euro nach Frankreich? Obwohl der Verband die Kosten tragen würde, plane ich es nicht. Einerseits wegen der TV-Verpflichtungen, andererseits wegen des Komforts zu Hause vor dem Fernseher. Früher spielten Sie so begeistert mit Ihrem Freund Gyözö Martos Tennis, jetzt gehen Sie nur noch laufen. Warum? Ich habe nicht genug Zeit. Für ein Tennismatch brauchen Sie zwei, drei Stunden, das ist ein Ritual. Das Laufen ist viel einfacher. Auf dem Normafa gibt es Trails für vier bis fünf oder für sechs bis acht Kilometer. Das liebe ich, mindestens fünfmal wöchentlich. In Ungarn herrscht ein spürbarer StadionBoom, die neue Ferencv´aros-Arena ist fertig. Wunderbar! Aber auch das MTK-Stadion wird herrlich, für nur 5000 Zuschauer, ganz intim. Mein Problem mit beiden ist, dass sie so schön und so modern sind, dass sie mir eigentlich fremd sind. Aber dieses Programm war notwendig, obwohl darüber gestritten wird, ob man das Geld nicht für andere Dinge brauchte. Aber Stadien gehören zur Kultur eines Landes. Rekordmeister Rapid will ausgerechnet im 317. Wiener Derby gegen den Lokalrivalen Austria den Weg aus der Ergebniskrise finden. Mit fünf sieglosen Spielen in Folge haben die Hütteldorfer den 33. Meistertitel der Vereinsgeschichte so gut wie verspielt, Hauptziel ist daher heute (16.30 Uhr, live in ORF eins und Sky) im Ernst-Happel-Stadion die Absicherung von Rang zwei. Fünf Zähler trennen die beiden Erzrivalen, bei einem vollen Erfolg wäre Rapid der Vizemeistertitel fünf Runden vor Schluss kaum noch zu nehmen. „Wir wollen zeigen, dass wir die beste Mannschaft in Wien sind und den zweiten Platz festigen. Dafür ist ein Sieg nötig“, gab Rapids Sportgeschäftsführer Andreas Müller die Marschroute vor. Den hat ein Heimteam im Prestigeduell diese Saison aber noch nicht geschafft, Rapid siegte zwar auswärts 5:2 und 3:0, kassierte aber im HappelOval am 25. Oktober 2015 aufgrund eines späten Friesenbichler-Treffers eine 1:2-Niederlage.
Wie eine Niederlage fühlte sich für die Rapidler auch das jüngste 2:2 beim WAC an. Da hatten die Schützlinge von Coach Zoran Barisiˇc´ in der Schlussphase noch eine 2:0-Führung aus der Hand gegeben. „Wir haben das Spiel genau analysiert, die Fehler aufgezeigt“, sagte der 45-Jährige. Neben Schnitzern in der Defensive gilt es vor allem die in jüngster Zeit ungenügende Chancenauswertung zu verbessern. „Die Mannschaft hat Qualität, das hat sie oft gezeigt. Die jüngsten Leistungen stehen in überhaupt keinem Zusammenhang mit den Ergebnissen“, erklärte Barisiˇc.´ In Altach (0:0) gab es für seine Mannschaft genauso wie gegen Admira Wacker Mödling (0:4), in Ried (0:1), gegen Salzburg (1:1) und eben zuletzt beim WAC keinen Erfolg. „Die Mannschaft hat aber immer alles rausgehauen, war bis auf das Admira-Spiel immer stärker als der Gegner, aber es ist nicht gelungen zu gewinnen.“ Das Bemühen von Statistiken. Für Rapid ist es die längste sieglose Serie seit der Saison 2012/13, damals hat es zwischen 15. Dezember 2012 und 6. April 2013 (20. bis 28. Runde) gleich neun Partien ohne Erfolg (vier Niederlagen, fünf Remis) gegeben. „Wir haben gemeinsam gewonnen und machen jetzt eine schwierige Phase durch, die müssen wir jetzt gemeinsam meistern“, sagt Müller. Trotz der Negativserie sind die Hütteldorfer mit 18 Punkten immer noch die zweitbeste Ligamannschaft im Frühjahr. Die Austria (12) liegt da nur auf Rang sieben. Barisiˇc:´ „Wir werden mutig auftreten, wollen agieren.“Dass der Erzrivale seinem Team nichts schenken wird, ist dem Wiener bewusst. „Derby ist Derby, immer sehr brisant. Mich stimmt aber zuversichtlich, wie die Mannschaft auf dem Platz auftritt, sie hat ein sehr großes Kämpferherz, arbeitet zusammen und will weiterkommen“, so Barisiˇc.´ Rapids Coach hat gegen die Austria eine positive Bilanz, sechs Siegen stehen drei Remis und vier Niederlagen gegenüber.
Neben Goalie Jan Novota, Thanos Petsos und Thomas Murg fällt auch Stefan Stangl aus. Der Linksverteidiger zog sich am Freitagvormittag einen Syndesmosebandriss im linken Sprunggelenk zu und fällt für den Rest der Saison aus. Zwei aus dem Trio Mario Pavelic, Stephan Auer und Thomas Schrammel werden daher die Außenverteidigerpositionen besetzen. „Wir werden versuchen, die richtige Lösung zu finden.“Das gilt auch für den Angriff, bei dem entweder der zuletzt ein- gesetzte Tomi oder Matej Jelic´ zum Zug kommen wird. Für Impulse in der Offensive soll auch Louis Schaub sorgen. Der ÖFB-U21-Teamspieler fand nach seiner Verletzungspause zunehmend zu seinem Rhythmus. „Ich komme Woche für Woche besser rein“, so der Mittelfeldspieler. Das soll auch die Austria zu spüren bekommen. „Das Derby ist etwas ganz Besonderes, auch wenn man viermal im Jahr gegeneinander spielt. Wir müssen am Wochenende endlich beweisen, dass wir wieder gewinnen können“, sprach der 21-Jährige. Für Tore gut ist sicher auch Kapitän Steffen Hofmann, der in seiner Ligakarriere gegen die Austria und Sturm (jeweils zwölfmal) am häufigsten getroffen hat.
Das vierte Ligasaisonderby wird vor einer tollen Kulisse über die Bühne gehen. Bis Freitagmittag waren 20.000 Tickets verkauft. Prächtig verläuft weiterhin auch der Abo-Verkauf der Hütteldorfer für die Premierensaison im neuen Allianz-Stadion. 12.000 Dauerkarten gingen schon über den Ladentisch, 5800 davon für den Block West. Weiter steigern konnten die Wiener ihre Vollmitgliederzahl, die sich innerhalb von nur etwas mehr als einem Monat von 10.000 auf 10.800 erhöht hat. Violette Sorgen. Für die Austria steht im Ernst-Happel-Stadion nicht nur der Kampf um die Vorherrschaft in der Hauptstadt auf dem Spiel. Die Admira und Sturm Graz sitzen den strauchelnden Austrianern im Rennen um einen Europacup-Fixplatz im Nacken. Den Vier- bzw. Fünf-Punkte-Abstand auf die Verfolger will die Austria nicht weiter schrumpfen lassen. Wie der Stadtrivale ärgerte sich auch die Austria zuletzt über einen vermeidbaren Punkteverlust. Gegen Schlusslicht Grödig setzte es zu Hause ein 0:2, wobei die Austria Topchancen ungenutzt ließ und bei den Gegentoren unkonzentriert zu Werke ging. Trainer Thorsten Fink war deshalb aber nicht beunruhigt. „Wenn wir weiter unsere Arbeit abliefern, werden die Siege wieder kommen“, betonte der Deutsche, dessen Team in den jüngsten drei Spielen nicht einmal ein Tor gelang. „Irgendwann platzt der Knoten. Nur wer häufig aufs Tor schießt, wird treffen.“
Für Kapitän Robert Almer ist die Marschroute ebenfalls klar. „Wir müssen unsere Leistung im Offensivbereich fortsetzen und den Ball mit aller Gewalt über die Linie drücken“, sagt der Teamtorhüter. Für Austria und Rapid gehe es gleichsam um viel. „Es ist für beide Vereine im Moment nicht die einfachste Situation. In solchen Phasen kommt ein Derby genau richtig“, betonte Almer. Mitspieler Alexander Grünwald forderte: „Wir müssen den Turnaround schaffen, es warten Endspiele auf uns.“
Bei der Austria kehren die gegen Grödig wegen Erkrankungen fehlenden Alexander Gorgon, Jens Stryger Larsen und Kevin Friesenbichler zurück. Hinter dem Einsatz von Olarenwaju Kayode (Knieschmerzen) steht ein kleines Fragezeichen.
Vor dem Derby reden sich Rapid und Austria stark – eine Flucht in die Offensive.