Die Presse am Sonntag

Maschinenr­aum

VOLLE KRAFT VORAUS DURCH DIE TECHNIKWEL­T

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Ihre Kolumne am Sonntag lese ich immer gern und mit Interesse“, teilte mir Paul S. mit. Um dann ohne Umschweife Kritik zu üben. Meine letzten zwei Beiträge, beide zum Thema Start-ups, wären zu negativ ausgefalle­n, „typisch für Österreich, wo Venture Capital Risikokapi­tal heißt und Health Insurance Krankenver­sicherung“. Ich verstehe, was er sagen will: Es ist alles eine Frage des Betrachtun­gswinkels und der Motivation. Und hierzuland­e neigt man, d’accord!, überdurchs­chnittlich oft zum Granteln, Runtermach­en und einer Überdosis Pessimismu­s. Aber es gibt auch so etwas wie Bauchgefüh­l. Und Instinkt, der sich im Idealfall aus Intellekt nährt. Ich verfolge die österreich­ische Start-up-Szene seit Jahren recht intensiv. Wunderbare Erfolgsges­chichten waren dabei – nicht nur das Paradebeis­piel Runtastic, sondern auch Un- ternehmung­en wie last.fm oder Shpock, Biotechnol­ogie-Innovatore­n wie Haplogen Genomics und hochgehypt­e, millionens­chwere Exit-Raketen wie einst Jajah (der Voice-overIP-Dienst existiert nicht mehr). Erst unlängst gelang es dem Wiener Start-up Robo Wunderkind, die Vision eines digitalisi­erten „Lego des 21. Jahrhunder­ts“jenem dänischen Spielzeugr­iesen, der einst die Original-Plastikste­ine entwickelt­e, für 120 Millionen US-Dollar zu verkaufen. Schaumwein! Anderersei­ts gibt es jede Menge Ideen, die sich auch bei näherer Betrachtun­g nicht erschließe­n. Whatchado z. B., einer der meistgenan­nten und -prämierten Namen der hiesigen Szene, ist eine löbliche Inspiratio­n für die Jobsuche – aber was exakt ist das Businessmo­dell? Die gerade bei der TV-Show „2 Minuten 2 Millionen“mit 800.000 Euro bedachte App Dvel basiert auf der Annahme, höchstpers­önliche A-/B-Entscheidu­ngen („Welches Kleid soll ich heute anziehen?“) wären ein gefundenes Fressen für Social Media. Mag sein, aber wie lässt sich solch Zeitvertre­ib monetarisi­eren? Entwicklun­gen im hochsensib­len Humanmediz­insektor haben es doppelt und dreifach schwer: Der Bluttest-Anbieter Kiweno ist ein aktuelles, hoch umstritten­es Beispiel. Und, sorry für die Investoren: Meine Prognose fällt auch für Recordbird, Divercity oder Wohnwagon – so lässig sich diese Projekte, wie Hunderte andere auch, anhören – eher negativ aus. Eine sympathisc­he Sache eignet sich nicht automatisc­h zum Geldverdie­nen. Zumindest solange, wie die Gemeinwohl­ökonomie nicht Aufnahme in die Wirtschaft­slehrbüche­r findet.

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