Mörderische Musik
Im Roman »Alles ist gut« von Helmut Krausser löst der Wein einem erfolglosen Komponisten die Zunge. Er spricht Wahrheiten über den Kunstbetrieb aus. Ein Künstlerroman der anderen Art: Der Icherzähler ist Komponist, dem übermäßiger Alkoholgenuss es längst unmöglich macht, sein Genie ins rechte Licht zu rücken. Zurückweisungen aller Art wollen verkraftet werden, von den Damen bis zu den ebenso heftig umworbenen Dramaturgen, die sich nicht und nicht um die genialen Opern kümmern wollen, die man ihnen vorlegt. Ein patschertes Leben, würde man hierzulande sagen. In diesem Buch erfährt man, mit wie vielen Vokabeln sich dieser Begriff ins Berlinerische übersetzen ließe.
Denn der verkannte Meister lebt in der deutschen Hauptstadt, in einer billigen Vorstadtsiedlung, wo zwischen Plattenbaurealität und Delirium märchenhafte Chancen wachsen: Der polnische Hausmeister hat ein paar Notenblätter geerbt, auf denen sich die rettenden Melodien finden, die den genialen, aber unaufgeführten Kompositionen zur Vollendung fehlen. Sie entpuppen sich freilich als Aufzeichnungen kabbalistischer jüdischer Weisheiten und bringen schuldlosen Konzertbesuchern den Tod.
Heillose Ausgeburten der Trunksucht? Der Autor wird vom Ghostwriter zuletzt virtuos aus dem zynischen Spiel gekickt, der Roman bleibt unvollendet – birgt als „Fragment“jedoch Wahrheiten über den Musikbetrieb, über Intendanten und Musikphilosophen, so deutlich und ehrlich, wie kein Musikkritiker sie zu formulieren wagen würde. Geschweige denn, abhängig von diesen Leuten, ein Komponist; es sei denn, er hätte ein Glas zu viel getrunken . . . sin Helmut Krausser: „Alles ist gut“, Berlin Verlag, 240 S., 20,60 Euro.