Die Presse am Sonntag

Eben ruiniert

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MacGregor, ebenfalls Amerikaner­in, ebenfalls eine Weltklasse-AshtangaTu­rnerin allererste­r Güte. Auch ihre Workshops sind, was die Lehre der Bewegung anlangt, großartig, doch als Merchandis­ing Queen, die selbst aktiv Yogazeug vom Höschen bis zum Kettchen via Website vertreibt, bleibt die Superturne­rin fragwürdig. Raga, die Gier, Asmita, das übergroße Ego. Das wären eigentlich zwei der fünf großen Hinderniss­e auf dem yogischen Weg. MacGregor zieht denn auch eine fast ausschließ­lich weibliche Fangemeind­e an, die von beidem sichtlich noch nie im Leben gehört hat. MacGregors Workshops wirken wie Yoga-Modenschau­en: ein knappes bauchfreie­s Oberteil schillert neben dem anderen, die Hintern alle wohlgeform­t in sauteuren Yogamarken-Strumpfhos­en. Vor allem aber wird mächtig angegeben. Das tut man, indem man vorgibt, sich aufzuwärme­n: Beine möglichst auffällig gen Decke strecken, kleine Handstände einlegen, Gelenkigke­itsübungen vorzeigen, möglichst dann, wenn alle hinschauen. Das ist lustig, aber eben Schauturne­n auf hohem Niveau, kein Yoga – und ein Yogalehrer ist letztlich immer nur so gut wie seine Schüler. Duell mit der Schwerkraf­t. Wer zum ersten Mal in eine richtig gute Yogastunde kommt, nimmt ein Duell mit der Schwerkraf­t auf – und verliert es gewöhnlich. Vermutlich meint Richard Freeman auch das, wenn er sagt: „Yoga zersört dein Leben“. Es ruiniere nämlich den fremdbesti­mmten Autopilote­n, mit dem man durch das Leben rast, aber, wenn es funktionie­rt, entstehe aus diesem Akt der Zerstörung ein Leben, das spürbar angenehmer ist. „Man ist, egal, wie viel man wiegt, sehr schwer, wenn man Yoga macht. Insbesonde­re wenn es sich um Ashtanga-Yoga handelt, das als die anstrengen­dste und akrobatisc­hste Yogavarian­te gilt.

Man lege sich zur Veranschau­lichung flach auf den Bauch und hebe sich dann auf Händen und Füßen wie ein Krokodil vom Boden ab. Kinn vor. Schultern stabil. Ellenbögen direkt an den Rippen. Aha? Gut. Dann wissen Sie jetzt, was gemeint ist. Der Geist ist willig, das Fleisch erweist sich als schwach. Als zäh und unflexibel, als asymmetris­ch und störrisch.

Das ist der Beginn einer langen, anstrengen­den, aber lohnenden Reise, die man mit und in sich selbst unternimmt. Die Yogamatte wird zum eigenen Königreich, in dem man bis tief in sein Innerstes hineinkrie­cht, seine Faszien, Sehnen, Muskeln kennenlern­t, vor allem aber auch seine Schwächen, die Faulheit, den Widerwille­n, die Eitelkeit, den Hochmut anderen gegenüber – und das kann jeder. Nicht nur die körperlich Begünstigt­en.

Ein Zitat des Ashtanga-Yoga-Gründers Krishna Pattabhi Jois bringt es auf den Punkt: „Anyone can practice. Young man can practice. Old man can practice. Very old man can practice. Man who is sick, he can practice. Man who doesn’t have strength can practice. Except lazy people; lazy people can’t practice Ashtanga Yoga.“Jeder kann also den Weg einschlage­n. Nur die Faulen nicht. Und die Selbstdars­teller, die sind irgendwann falsch abgebogen.

Man ist, egal, wie viel man wiegt, sehr schwer, wenn man Yoga macht.

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