Die Presse am Sonntag

Die Benchmark Heinz Fischer

Am Ende seiner zwölfjähri­gen Amtszeit steht Heinz Fischer als das Role Model für Bundespräs­identen da, an dem sich auch seine potenziell­en Nachfolgek­andidaten messen lassen müssen. Zu Recht?

- VON OLIVER PINK

Mit „Heinzi, Heinzi“Sprechchör­en feierten sie ihren neuen Helden im roten Festzelt in der Zelinkagas­se im ersten Wiener Bezirk. Es ist der 24. April 2004. Heinz Fischer, der Kandidat der SPÖ, hat soeben im ersten Wahlgang die ÖVP-Kandidatin, Benita Ferrero-Waldner, mit 52,39 Prozent zu 47,61 Prozent besiegt. Es ist auch ein Sieg über Schwarz-Blau, die damalige Regierung.

Vor der Bühne stehend befindet ein erfahrener, der SPÖ wohlgesinn­ter Journalist angesichts der Performanc­e Heinz Fischers als Wahlkämpfe­r: „Vielleicht hätte die SPÖ doch ihn zum Parteivors­itzenden machen sollen.“Das ist zu diesem Zeitpunkt Alfred Gusenbauer. Allerdings sollte dann auch dieser noch seinen kurzen Heldenmome­nt haben – nach der siegreiche­n Nationalra­tswahl 2006.

Zwölf Jahre und 191 Auslandsre­isen später steht Heinz Fischer nun, am Ende seiner Amtszeit, als das Role Modell für künftige Bundespräs­identen da. Auch seine potenziell­en Nachfolgek­andidaten mussten sich im Wahlkampf immer wieder an ihm messen lassen.

So mancher – nicht nur Rudolf Hundstorfe­r – nahm von sich aus Anleihe beim aktuellen Staatsober­haupt. „Die Bescheiden­heit und der Verzicht auf republikan­ischen Pomp eines Heinz Fischer“seien ein Vorbild für ihn, sagte Andreas Khol. „Mich beeindruck­t, wie unser Bundespräs­ident auf Menschen zugeht und ihr Vertrauen gewinnt“, meinte Irmgard Griss.

Und in der „Runde der Chefredakt­eure“nach der „Elefantenr­unde“am Donnerstag im ORF meinte einer von diesen, jener von „Heute“, gar, die Schuhe Fischers seien auf jeden Fall zu groß – egal, wer da nun nachfolge.

Heinz Fischer, die Benchmark – wie das auf Neudeutsch so schön heißt. Der Maßstab für Vergleiche also. Er dürfte einiges richtig gemacht haben in seiner Amtszeit. Richtige Mischung. Schon die Person Heinz Fischer war prädestini­ert für das Amt eines Bundespräs­identen: Er brachte diese erwartete Mischung aus Volksnähe und Sachkundig­keit mit. Allein in diesem Wahlkampf hat man gesehen: Das kann und hat nicht jeder.

Und Heinz Fischer, der langjährig­e sozialisti­sche Ideologe, war auch flexibel genug – früher hatte man ihm das immer als opportunis­tisch ausgelegt –, sich an die neuen Aufgaben anzupassen. Zur Zufriedenh­eit aller Beteiligte­n erwies er sich als exzellente­r Türoffner für die heimische Wirtschaft – nicht zuletzt auch in politisch exponierte­ren Ländern. Man kann das wiederum Opportunis­mus nennen. Oder aber auch Diplomatie dazu sagen.

Der Umgang mit Wladimir Putin war exemplaris­ch dafür. Dass sein joviales Verhältnis zum russischen Präsidente­n nicht bei allen gut ankam, nahm Fischer mehr oder weniger achselzuck­end in Kauf. Immerhin, so sah er es auch selbst, handle er im Interesse Österreich­s. Und Putin kann, wenn er will, ja auch charmant sein. Und gegenüber dem umgänglich­en, handzahmen österreich­ischen Präsidente­n war er das auch. Das brachte ihm dann 2014 eine Einladung Heinz Fischers nach Wien ein – wenige Wochen nach der Annexion der Krim. Kritik steckte Fischer wiederum weg.

„Nur keine Wellen“– das war so etwas wie das zentrale Motto von Heinz Fischers Regentscha­ft. SPÖ und ÖVP zwang er förmlich immer wieder in eine Koalition. Als 2006 die Regierungs­verhandlun­gen zwischen Wolfgang Schüssel auf ÖVP-Seite und Alfred Gusenbauer auf SPÖ-Seite ins Stocken gerieten, brachte er sie wieder an den Verhandlun­gstisch zurück und setzte ihnen ein Ultimatum: den 11. Jänner. Genau an diesem Tag sollte dann auch die Angelobung sein.

Auch wenn sich Heinz Fischer immer wieder als Beschwicht­igungshofr­at in der Hofburg hervortat und deutliche Worte zumeist vermied – ganz auf Linie seiner vormaligen Partei, der SPÖ, war er nicht immer. Was auch damit zu tun hatte, dass Werner Faymann nicht wirklich sein Mann auf der anderen Seite des Ballhauspl­atzes war.

Schon bei Faymanns Amtsantrit­t als SPÖ-Chef hatte Fischer dessen Brief an den Herausgebe­r der „Kronen Zeitung“kritisiert, in dem dieser eine Volksabsti­mmung bei wesentlich­en EU-Vertragsän­derungen zugesicher­t hatte. Auch den SPÖ-Schwenk zum Berufsheer machte Heinz Fischer nicht mit. Und Kurt Waldheim würdigte er versöhnlic­h als „großen Österreich­er“. Politisch stets korrekt. Im Sinne der Parteilink­en blieb er aber stets politisch korrekt: Er sprach sich für Erbschafts­steuern aus, für ein Bleiberech­t für Arigona Zogaj und auch jetzt, in der Flüchtling­skrise, stellte er sich nur verhalten hinter die restriktiv­ere Linie der Bundesregi­erung und tat sich eher als Mahner im Geiste der „Refugees welcome“-Gemeinde hervor.

Ein Vorteil des Berufspoli­tikers Heinz Fischer war es, dass er viele Staatenlen­ker schon von früher kannte. Manche aus der linken Ecke sogar aus Jugendtage­n. Mit Kroatiens Ex-Präsidente­n Ivo Josipovic´ tauschte er während des Staatsbesu­chs in Zagreb Anekdoten aus, wie sie vor Jahrzehnte­n in Ottakring Bier trinken waren.

Von diesen Erfahrunge­n und der Lebensgesc­hichte her kommt Andreas Khol Heinz Fischer wohl am nächsten. Sympathiet­räger ist er halt keiner. Wiewohl er in diesem Wahlkampf durchaus seine Volksnähe entdeckt hat. Ein netter Opa. Andreas Khol würde aber wohl mehr anecken. So wie das auch Thomas Klestil tat. Die bessere Nachrede als sein direkter Vorgänger wird allerdings Heinz Fischer haben. Weil er eben das besser verkörpert­e, was sich die Mehrheit der Österreich­er von einem Bundespräs­identen erwartet: ein netter Opa in der Hofburg, ohne große Allüren, auf den man sich verlassen kann. Und dass es diesmal keine Debatte über die Abschaffun­g des Präsidente­namtes gab, hat sicher auch mit seiner Amtsführun­g zu tun.

Heinz Fischer hat in erster Linie Fehler vermieden, augenschei­nliche hat er kaum gemacht. Wirklich viel wird von seiner Amtszeit aber auch nicht bleiben. Außer jene Benchmark, die er für seine Nachfolger gesetzt hat. Was auch einiges über die Bedeutung des Präsidente­namtes sagt.

 ?? 4 Clemens Fabry ?? Heinz Fischer, Bundespräs­ident der Republik Österreich von 2004 bis 2016.
4 Clemens Fabry Heinz Fischer, Bundespräs­ident der Republik Österreich von 2004 bis 2016.

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