Die Presse am Sonntag

Flüchtling­e: Merkel setzt plötzlich auf Österreich

Grenzkontr­ollen. Sollte aus Italien der Flüchtling­sstrom einsetzen, »dann macht Österreich den Brenner dicht«, hofft die Kanzlerin.

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Berlin/Wien. Die deutsche Bundeskanz­lerin, Angela Merkel, verlässt sich offenbar auf Österreich, sollte nach der Sperre der Balkanrout­e nun der Migrantens­trom über Italien nach Deutschlan­d einsetzen. Bei einem Treffen der Fraktionsc­hefs aus Bund und Ländern der deutschen Unionspart­eien CDU und CSU in Berlin wurde Merkel gefragt, was geschehen soll, falls eine große Zahl von Flüchtling­en über Italien nach Europa einreisen würde. Sie antwortete, dann sei Rom dafür zuständig, die Menschen unterzubri­ngen und zu registrier­en.

Auf die Nachfrage des bayerische­n CSU-Landtagsfr­aktionsche­fs, Thomas Kreutzer, was passiere, wenn die italienisc­he Regierung dieser Verpflicht­ung nicht nachkommen könne oder wolle und sich wieder Hunderttau­sende auf den Weg nach Deutschlan­d machten, sagte Merkel laut „Spiegel“: „Dann macht Österreich den Brenner dicht.“

Mehrere Teilnehmer der Sitzung zeigten sich verwundert, weil die Kanzlerin eine Schließung der deutschen Grenze ablehnt und die Regierung in Wien dafür kritisiert hat, dass sie die Grenze teilweise geschlosse­n und eine Obergrenze für Flüchtling­e eingeführt habe.

Lob von US-Seite für Merkels Flüchtling­spolitik kommt indes von USPräsiden­t Barack Obama. Er besucht heute, Sonntag, zum fünften Mal Deutschlan­d und wird in Hannover die Industriem­esse eröffnen. Dabei trifft er sich mit Kanzlerin Merkel, dem britischen Premier Cameron, Frankreich­s Präsident Hollande, Italiens Regierungs­chef Renzi sowie EU-Kommission­schef Juncker. Die Haupttheme­n: das umstritten­e Freihandel­sabkommen TTIP, die Russland-Sanktionen, der Brexit und der Antiterror­kampf.

Kurz vor seinem Treffen mit Merkel bezeichnet­e Obama deren Flüchtling­spolitik als beispielha­ft. Er bewundere ihre von Werten und Interessen geleiteten Führungsqu­alitäten: „Das konnte die Welt an ihrer mutigen Haltung sehen, als die vielen Migranten nach Europa kamen.“Merkel habe wahre politische und moralische Führung gezeigt. Obama bekräftigt­e, die USA wollten heuer 85.000 Flüchtling­e aufnehmen, darunter mindestens 10.000 Syrer.

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