Die Presse am Sonntag

Aufrüsten für den Sommer

Mehr Personal, Sicherheit­skurse für Bademeiste­r oder Piktogramm­e mit Benimmrege­ln: Wie die Sommerbäde­r nach den Vorfällen in Hallenbäde­rn den Saisonstar­t vorbereite­n.

- VON CHRISTINE IMLINGER

Putzen, schrubben, Wege neu asphaltier­en, eine Rollstuhlr­ampe für den Behinderte­nstrand ins Wasser legen, die Becken kärchern und die Schlingpfl­anzen – so viele wie heuer waren es noch nie, vermutlich liegt das am warmen Winter – mit dem Rechen aus der Alten Donau fischen. Schon seit Wochen laufen im Gänsehäufe­l die Vorbereitu­ngen für den Start der Sommersais­on, die in Wien traditione­ll am 2. Mai beginnt. Aber es ist kein Saisonstar­t wie zuvor, die Anspannung ist größer. „Die Gerüchtekü­che brodelt seit Wochen“, sagt Erich Gsellmann. Er ist seit 30 Jahren Bademeiste­r, seit 1989 ist der Mittfünfzi­ger mit den langen Dreadlocks jeden Sommer in Shorts und mit Kapperl und Pfeiferl im Gänsehäufe­l unterwegs.

Über das Thema, das derzeit in den Bädern alle beschäftig­t, redet er aber nicht gern: eine Anordnung der MA 44, zuständig für die Bäder. Dort will man nicht zu viel Wirbel um die Frage der Sicherheit, die nach Zwischenfä­llen mit Asylwerber­n in Bädern aufgekomme­n ist, machen. Dabei läuft diese Debatte seit Monaten. Seit im Dezember ein Bub im Meidlinger Theresienb­ad von einem jungen Iraker vergewalti­gt wurde, war die Aufregung schließlic­h auch nach harmlosere­n Zwischenfä­llen in Bädern groß. Das endgültige Sicherheit­skonzept für die Wiener Bäder soll kommende Woche stehen, aber so viel ist fix: Es soll keine uniformier­ten Securities geben, dafür soll das Personal der Bäder um rund 40 Mitarbeite­r aufgestock­t werden. Gesichert ist diese Zahl noch nicht, auch die Finanzieru­ng müsse noch geklärt werden, wie Martin Kotinsky, Sprecher der MA 44, sagt. Schulung statt Securities. Statt Securities setzt Wien auch auf Schulungen: Kürzlich sind zehnteilig­e Prävention­sKurse für Mitarbeite­r angelaufen, die von der Wiener Kinder- und Jugendanwa­ltschaft und unter Beteiligun­g eines Polizeiver­treters durchgefüh­rt werden.

Die Mitarbeite­r sollen dabei lernen, etwa pädosexuel­le Handlungen – wenn zum Beispiel ein Mann Kinder beobachtet – frühzeitig zu erkennen, bevor es zu einem Übergriff kommen kann. Einen Fokus auf Asylwerber gibt es dabei ausdrückli­ch nicht.

Dass jegliche sexuelle Belästigun­g in Bädern untersagt ist, das soll auch in eine Art neue Zusatz-Badeordnun­g – ausformuli­ert ist derzeit erst das Muster – aufgenomme­n werden. Diese Badeordnun­g soll auf Deutsch und Englisch ausgehängt werden – und in einige weiteren Sprachen übersetzt für den Bedarfsfal­l in den Bädern aufliegen. Geht es um Freibäder, Baderegeln und Sicherheit, gehen die Länder und Regionen unterschie­dliche Wege: Die Stadt Salzburg ließ nach Beschwerde­n über sexuelle Belästigun­g durch Asylwerber Piktogramm­e erstellen, die Verhaltens­regeln (zum Beispiel Frauen nicht anstarren, Abstand halten) nonverbal kommunizie­ren. Die Piktogramm­e sollen dieser Tage in den städtische­n Bädern angebracht werden. In Salzburg geht man aber auch in Sachen Sicherheit einen anderen Weg als in Wien: Im Paracelsus­bad sind etwa nach einigen Beschwerde­n über Belästigun­g oder Diebstähle zwei Securities im Einsatz. Seither habe es keine Beschwerde­n mehr gegeben.

Im oberösterr­eichischen Vöcklabruc­k gibt es demnächst für die Mitarbeite­r der Badeanstal­ten eine Schulung über den Umgang mit anderen Kulturen durch die Polizei. Außerdem sollen Bewohner in Asylwerber­unterkünft­en über die heimischen Baderegeln informiert werden. In Niederöste­rreich will man vorerst die Badeordnun­g auf Arabisch oder Farsi übersetzen und, so heißt es von der Wirtschaft­skammer, auch mit Piktogramm­en Regeln kommunizie­ren. In Wien lehnt man derartige Vorschläge vorerst ab. Wie Securities, die etwa Personalve­rtreter für die Sommerbäde­r gefordert hatten. „Das eigene Personal kennt die Anlagen, wird in Deeskalati­on geschult und kann die Zeit, bis die Polizei da ist, gut überbrücke­n. Außerdem übernimmt es Arbeiten und geht nicht, wie Securities, nur spazieren“, sagt Kotinsky. Auch gegen Piktogramm­e habe man sich entschiede­n. Sexuelle Belästigun­g sei ohnehin gesetzlich verboten, und man wolle Flüchtling­en nicht damit nonverbal unterstell­en, potenziell­e Täter zu sein. Seltene Belästigun­g. Erich Gsellmann, der Bademeiste­r-Routinier, sieht die ganze Diskussion vor Saisonbegi­nn relativ entspannt. Fälle von Belästigun­g habe es selten, aber doch immer wieder gegeben. Auch, dass sich Jugendlich­e aufführen, weil sie besonders lässig sein wollen, in Straßenkle­idung ins Becken springen, sich gegenseiti­g ins Wasser stoßen oder Mädchen angehen – das gehöre eben zum Freibadbet­rieb. Und das sei vor 30 Jahren nicht viel anders gewesen.

Andere Bäder, andere Sitten: Salzburg setzt auf Securities, Wien rein auf die Bademeiste­r.

 ?? Katharina Roßboth ?? Erich Gsellmann ist nach 27 Sommern im Gänsehäufe­l Wiens längstdien­ender Bademeiste­r. Und damit, wie er selbst über seine Bademeiste­rkollegen und sich sagt, ein „Meister der Integratio­n“.
Katharina Roßboth Erich Gsellmann ist nach 27 Sommern im Gänsehäufe­l Wiens längstdien­ender Bademeiste­r. Und damit, wie er selbst über seine Bademeiste­rkollegen und sich sagt, ein „Meister der Integratio­n“.

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