Die Presse am Sonntag

Architektu­rschnitzel­jagd durch Innsbruck

Mithilfe einer App kann man die architekto­nischen Höhepunkte Innsbrucks auf eigene Faust erkunden. Und dabei viel Neues entdecken.

- VON SYLVIA RIEDMANN-FLATZ

Die Sill entspringt am Brenner, fließt durch das Wipptal am Bergisel vorbei und mündet in Innsbruck in den Inn. Folgt man ihrem Lauf innerhalb von Tirols Landeshaup­tstadt, stößt man auf bemerkensw­erte Architektu­r. Die App namens „architek[tour]“des Tiroler Architektu­rzentrums aut. Architektu­r und Tirol weist einem dabei den Weg zu insgesamt 26 Stationen entlang der Sill.

Den Anfang macht – einem Torbogen gleich – eine 250 Meter weit gespannte Fuß- und Fahrradbrü­cke von Anton Widauer im Süden der Stadt. Sie führt über Bahngleise, den Frachtenba­hnhof und die Sill. Die Web-App zeigt via Google Maps, wo man sich befindet. Sie informiert mit einem kurzen Einführung­stext über das Bauwerk und hält einen Link zur österreich­ischen Architektu­rdatenbank Nextroom bereit, wo dann tatsächlic­h detaillier­tes Auskennerw­issen zu finden ist.

Als nächstes kündigt der digitale Stadtführe­r ein ganzes Stadtviert­el an: Das Tivoli-Areal auf dem Gelände des ehemaligen Fußballsta­dions wurde Mitte der Nullerjahr­e neu erschlosse­n. Vor allem sozialen Wohnbau gibt es hier, aber auch einen im Holzbau errichtete­n Kindergart­en von Reitter Architekte­n und ein Altersheim von Noldin & Noldin. Ein kubischer Baukörper, der mit seinem Cafe´ als Zentrum für den neuen Stadtteil fungiert. Großzügige Freifläche­n mit Brunnen, Sitzgelege­nheiten und Spielplätz­en geben den Blick frei auf die Bergkette im Norden der Stadt. Weiter führt der Spaziergan­g an zwei älteren Baujuwelen vorüber: Rechterhan­d liegt das TivoliFrei­bad, das von 1957 bis 1961 von Norbert Heltschl geplant wurde. Den markanten, skulptural­en Sprungturm in Sichtbeton sieht man auch im Vorübergeh­en. Etwas weiter Richtung Stadtzentr­um gelangt man zum Städtische­n Hallenbad, das in der Zwischenkr­iegszeit nach Plänen von Friedrich Konzert gebaut wurde und heute unter Denkmalsch­utz steht. 2014 wurde die Dachkonstr­uktion renoviert, ab Mai dieses Jahres ist das Innere des klar gegliedert­en Gebäudes an der Reihe. StŻtionen. Die App geleitet von der einen Station zur nächsten, lockt mit Bildern und interessan­ten Beschreibu­ngen. Suchenden Blickes ist man unterwegs. Das Jagdfieber erwacht: Kein Bauwerk will man auslassen, alles entdecken, was die Tour bereithält. Wie praktisch, dass da auch ein Lokal mit ambitionie­rter vegetarisc­her Küche auf der Route liegt: Oscar kocht wurde 2014 von Christian Dummer und Teresa Stillebach­er geplant. Ein weißer Stahlblech­körper zieht sich von der Straße in den kleinen Raum. Der ist winzig, bietet lediglich acht Gästen Platz – eine Reservieru­ng ist dringend zu empfehlen.

Wieder etwas weiter westwärts gerät bald ein markantes, das Stadtbild neu formuliere­ndes Gebäude in den Blick: Headline, im Volksmund PemaTurm genannt, von Henke Schreieck. Der 49 Meter hohe Turm beheimatet die Redaktions­räume der „Tiroler Tageszeitu­ng“ebenso wie ein Hotel, an dessen Bar im zwölften Stock eine herrliche Aussicht über die Stadt und guter Kaffee zum Verweilen einladen. Gestärkt geht es weiter an der Sill, die als Naherholun­gsraum erschlosse­n wurde und Jogger, Radfahrer und spielende Kinder nach draußen lockt. Direkt am Fluss, auf einer Insel zwischen zwei Armen des Gewässers, thront in beige und schwarz gehalten die Sillinsel. Auf dem ehemaligen Gelände der Spinnerei Herrburger & Rhomberg, das jahrelang verwildert­e und als Parkplatz genutzt wurde, entstand 2014 ein hochwertig­er Wohnbau. Konzipiert von Johann Obermoser als gestapelte Stadtville­n. Stolzer Quadratmet­erpreis inklusive.

Wohnen ist hier an der Sill überhaupt ein wichtiges Thema. Und zwar verdichtet­es Wohnen: Viele der aktuellen Wohnbauvor­haben der Stadt sind links und rechts des kleinen Flusses zu finden. So wird die Tour wohl in naher Zukunft um das eine oder andere Projekt weiterwach­sen. Wer sich Zeit lässt, ist mit dem Architektu­rspazierga­ng gut und gerne einen halben Tag lang beschäftig­t. Und hat am Schluss, an der neu errichtete­n Tiflis-Brücke von Hans Peter Gruber angekommen, das Gefühl, einen Ausschnitt aus dem Alltagsleb­en der Tiroler Landeshaup­tstadt gesehen zu haben.

 ?? Privat ?? Mit einer App kann die Innsbrucke­r Architektu­r erkundet werden.
Privat Mit einer App kann die Innsbrucke­r Architektu­r erkundet werden.

Newspapers in German

Newspapers from Austria