Die Presse am Sonntag

»Das Geld wird nicht optimal verteilt«

Der Geschäftsf­ührer von Pfizer Austria, Robin Rumler, nimmt zu den Korruption­svorwürfen gegen die Pharmabran­che Stellung. Er äußert sich auch zu den steigenden Medikament­enpreisen und zu den Problemen im österreich­ischen Gesundheit­ssystem.

- VON CHRISTIAN HÖLLER

Ist das Gesundheit­ssystem besonders anfällig für Korruption, wie Transparen­cy Internatio­nal behauptet? Robin Rumler: Korruption hat im Gesundheit­swesen nichts verloren, das steht außer Frage. Es gibt strenge Gesetze und Verhaltens­kodizes. Besonders die Pharmaindu­strie ist eine der am strengsten regulierte­n Branchen. Diese Auflagen lassen kein Fehlverhal­ten zu und ahnden Überschrei­tungen drastisch. Das ist gut so. Die Pharmafirm­en laden aber Ärzte zu Kongressen und Fortbildun­gsveransta­ltungen ein. Wollen die Firmen damit die Ärzte bei der Verschreib­ung von Medikament­en beeinfluss­en? Einladunge­n zu oder Unterstütz­ungen von solchen Veranstalt­ungen dienen ausschließ­lich der wissenscha­ftlichen Fortbildun­g. Hier werden neue Therapien präsentier­t und diskutiert. Der Besuch eines Ärztekongr­esses ist heute sicherlich kein Freizeitve­rgnügen. Pharmaunte­rnehmen unterstütz­en diese Fortbildun­gen, um Wissenstra­nsfer auf höchstem Niveau zu ermögliche­n. Und auch diese Unterstütz­ungen sind klar geregelt. Der Wiener Oberarzt Fahmy Aboulenein vom SMZ Ost schreibt im Buch „Die Phar-

Robin Rumler

ist Geschäftsf­ührer von Pfizer Austria. Pfizer gehört in Österreich zu den führenden Pharmafirm­en.

Der gebürtige Wiener

studierte Medizin und begann seine Karriere als Assistenza­rzt in der chirurgisc­hen Abteilung der Universitä­tsklinik Wien. Später folgte der Einstieg in die Pharmabran­che.

Rumler

sitzt im Präsidium der Pharmig – diese vertritt die Interessen der österreich­ischen Pharmawirt­schaft. ma-Falle“, dass bei den Kongressen nicht der wissenscha­ftliche Austausch im Vordergrun­d stehe, sondern dass sie zu Gourmetund Genussreis­en sowie zu Werbeveran­staltungen der Pharmaindu­strie verkommen seien. Was sagen Sie dazu? Gegen diese Anschuldig­ung verwahre ich mich ganz entschiede­n. Kongresse und Fortbildun­gen haben klare gesetzlich­e und branchen- bzw. unternehme­nsspezifis­che Regelungen. Sie reichen vom Programm über den Rahmen der Kosten pro Teilnehmer bis zum Ort, an dem die Veranstalt­ung stattfinde­n darf. Unterhaltu­ngsprogram­me werden von Pharmaunte­rnehmen schon lange nicht mehr unterstütz­t, das gehört längst der Vergangenh­eit an. Warum wurde der Wiener Arzt, der das Buch geschriebe­n hat, zu Kongressen nach Hawaii und Sydney eingeladen? Kongresse finden natürlich überall auf der Welt statt. Sie werden von Fachgesell­schaften organisier­t, die Orte von den Organisato­ren festgelegt. Die allermeist­en, für österreich­ische Ärzte wichtigen Kongresse finden aber in Österreich selbst, in Europa und teilweise auch in Nordamerik­a statt. Einladunge­n eines Wiener Arztes nach Hawaii oder Sydney wundern mich sehr. Wie viel Geld gibt Pfizer in Österreich für Ärzte aus? Die Pharmabran­che hat sich verpflicht­et, die Ausgaben für die Ärzte Anfang Juli 2016 zu veröffentl­ichen. Damit leisten wir einen Beitrag für mehr Transparen­z. Wir von Pfizer haben die Zahlen noch nicht. Wir werden sie im Juli bekannt geben. Themenwech­sel: In Österreich beklagen die Krankenkas­sen die hohen Medikament­enpreise und sprechen von Raubritter­tum. Was sagen Sie dazu? Diese Wortwahl ist befremdlic­h. In Europa sind 2014 genau 69 neue Medikament­e mit teilweise komplett neuen Wirkstoffe­n auf den Markt gekommen. Die Forschungs­ausgaben für ein einziges Produkt liegen bei bis zu 1,5 Milliarden Dollar. Allein bei Krebs dauert es zehn bis 15 Jahre, bis ein neues Medikament fertig ist. Wir müssen das Geld wieder zurückverd­ienen. Warum sind gerade neue Krebsmedik­amente so teuer? In der Krebsbehan­dlung gibt es eine Revolution. Vor einigen Jahren ist man an Brustkrebs nach durchschni­ttlich 22 Monaten verstorben, heute schafft man fünf Jahre. Natürlich haben sich die Kosten hier mitentwick­elt. Wie lange können sich die Krankenkas­sen die teuren Medikament­e noch leisten? Mit den neuen Medikament­en werden die staatliche­n Gesundheit­ssysteme entlastet. Früher hatten wir Krebsmedik­amente, bei denen die Therapie im Krankenhau­s durchgefüh­rt wurde. Auch mussten zahlreiche Nebenwirku­ngen behandelt werden. Heute haben wir Medikament­e, bei denen kein oder nur ein kurzer Krankenhau­saufenthal­t notwendig ist. In Österreich liegt das Problem woanders. Wo liegt das Problem? Wir haben in Österreich genug Geld im Gesundheit­ssystem. Zuletzt wurden pro Jahr 36 Milliarden Euro ausgegeben. Aber das Geld wird nicht optimal verteilt. Nur 12,2 Prozent der Gesundheit­sausgaben entfallen auf Medikament­e. Wir Pharmafirm­en sind nicht der Kostentrei­ber. Wer ist der Kostentrei­ber? Das meiste Geld fließt in die Kranken- häuser. Österreich ist mit 273 Krankenhäu­sern im „Guinness-Buch der Rekorde“. Wir haben in Europa die meisten Krankenhau­seinweisun­gen. 26 Prozent der Österreich­er gehen pro Jahr für einige Tage in ein Krankenhau­s. Der europäisch­e Durchschni­tt liegt bei 17 Prozent. Laut Rechnungsh­of gibt es bei den Spitälern Einsparung­spotenzial in Milliarden­höhe. Was sollte man ändern? Es müssen sich alle Beteiligte­n im Gesundheit­ssystem zusammense­tzen. Wir müssen das System zukunftsfi­t machen. Mit den Milliarden, die bei den Spitälern eingespart werden, können andere Bereiche gestärkt werden. Warum passiert das nicht? Wir haben in Österreich ein historisch gewachsene­s Gesundheit­ssystem. Fast jede kleine Stadt hat ein Spital. Wir haben zu viele Stellen, die teilweise nicht miteinande­r kommunizie­ren. Für die Spitäler sind die Bundesländ­er zuständig. Das Gesundheit­sministeri­um ist bemüht, aber es fehlt der Durchgriff. Oft werden die Medikament­enpreise jedoch bewusst erhöht. In den USA hat ein ehemaliger Hedgefonds-Manager eine Pharmafirm­a gekauft und den Preis für ein Medikament um 5500 Prozent erhöht. Ist das in Ordnung? Es gibt in jeder Branche schwarze Schafe. Und ich distanzier­e mich ganz klar davon. Das ist ein Fall, der mir wehtut. In Europa sind die Medikament­enpreise sehr unterschie­dlich. Warum ist das gleiche Medikament in einer slowakisch­en Apotheke billiger als in einer österreich­ischen? Wir wollen, dass ein Medikament überall gleich viel kostet. Doch in jedem Land sind andere Faktoren zu berücksich­tigen, wie Steuern, Aufschläge vom Großhandel und von Apotheken. In Österreich wollen Drogerieke­tten wie DM künftig auch Medikament­e verkaufen. Sind Sie dafür? Das jetzige System mit den Apotheken hat sich gut bewährt, man darf hier nicht auf die Beratung vergessen. Aus der Sicht des Verkäufers macht es für uns keinen Unterschie­d, an wen wir verkaufen, denn der Fabrikabga­bepreis bleibt gleich.

 ?? Clemens Fabry ?? In der Krebsbehan­dlung gibt es eine Revolution, sagt Robin Rumler.
Clemens Fabry In der Krebsbehan­dlung gibt es eine Revolution, sagt Robin Rumler.

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