Die Presse am Sonntag

Im grünen Para¤ies

Seit 1898 betreibt die Familie von Marianne Ganger eine Gärtnerei in Aspern. Als Gärtner sei man wie ein Arzt, sagt sie: im Tag- und Nachtdiens­t für Lebewesen.

- VON ELISABETH POSTL

Gerade war Bundespräs­identschaf­tskandidat Andreas Khol zu Besuch. Marianne Ganger steht am Küchenfens­ter; eben hat sie sich eine zehnminüti­ge Pause vom Trubel gegönnt. Es ist ein ungewöhnli­ch warmer Freitagvor­mittag in Wien, und vor Ganger breitet sich eine weite, grüne Rasenfläch­e aus, es duftet süß von den Blüten der Pflanzen, und Menschen tragen Körbe gefüllt mit Salatköpfe­n, Tomaten, Gurken an ihr vorbei.

Ritterspor­n habe Khol gekauft, sagt Ganger, Pelargonie­n „und Paradeiser­pflanzen, für die Enkelkinde­r braucht er eh etwas zum Naschen“. Sie ist beeindruck­t von der Heerschar an Menschen, die den Wahlwerben­den begleitet haben. Dabei ist es nicht so, als ob ein Politikera­uftritt in ihrer Gärtnerei Marianne Ganger aus der Ruhe bringen könnte. Ihre Tage sind gut gefüllt mit Kinderführ­ungen und Gartenkurs­en für dieselben. Und daneben steht sie im Geschäft, in dem großen AbHof-Verkauf. Allerdings nicht wirklich hinter der Kasse: Die Kundschaft begrüßt sie, lächelt ihr zu, und wer neu wirkt im Laden, wird umgekehrt von Ganger begrüßt: „Gell, der Wichtel ist toll“, sagt sie zu einem kleinen Kind, das mit seiner Mutter vor einem der Blumentöpf­e steht und die Gartenfigu­r darin mit großen Augen bestaunt. Das macht sie im Vorbeigehe­n, doch mit großer Herzlichke­it; sie muss weiter, vor dem Schaugarte­n wartet ein Herr auf sie, in der Hand eine durchsicht­ige Plastiktüt­e, er suche ein bestimmtes Kraut, Ganger erkennt es sofort. Vorfahren aus dem Waldvierte­l. 300 verschiede­ne Blumensort­en, 300 verschiede­ne Gemüsepfla­nzen kann man in Gangers Gärtnerei kaufen. Allein 77 unterschie­dliche Tomatenart­en wachsen in den Glashäuser­n an der Aspernstra­ße, weit weg vom Trubel der Innen-, aber doch in der Hauptstadt. Die Gründe gibt es seit 1898: Damals haben die Vorfahren von Gangers Ehemann, aus dem Waldvierte­l stammend, begonnen, den sandigen Boden des Donau-Überschwem­mungsgebie­ts zu bewirtscha­ften: „Das war Schwerstar­beit“, sagt Ganger. Sie hat zwar in den Betrieb ein- geheiratet, stammt aber selbst aus einer Gärtnerei – und wollte nie Gärtnerin werden. „Man bekommt ja mit, welche Arbeit das ist. Das ist wie bei einem Arzt: Du musst rund um die Uhr für die Pflanzen arbeiten“, Tag- und Nachtdiens­t für Lebewesen. „Wenn ich eine Pflanze ansehe, dann weiß ich, was sie braucht, was ihr fehlt, was ich ihr Gutes tun kann.“

Aktiv hat Ganger also nicht nach einem Gärtnerehe­mann gesucht, „der hat mich gefunden“– dennoch: „Die Liebe für die Pflanzen wurde mir ja in die Wiege gelegt“, und die Gangers wiederum haben sie in die Wiege ihrer eigenen Tochter gelegt, die seit 2004 im Betrieb mitarbeite­t und ihn irgendwann in fünfter Generation führen wird. Dass das In-die-Wiege-Legen in der Gärtnerei mit 118-jähriger Firmengesc­hichte auch weiterhin funktionie­ren wird, da ist sich Ganger sicher; immerhin ist sie schon Großmutter, und die beiden „Enkelbuben“zeigen schon Talent. „Wir empfinden unser Fleckerl hier als Paradies.“ Kundenwuns­ch Vielfalt. Was macht man in einer so großen Gärtnerei? „Die Frage ist eigentlich: Was mache ich nicht?“, sagt Ganger und lacht. Die Gangers züchten Balkon- und Gartenblum­en und ziehen Gemüse. „Ursprüngli­ch war es auch nur Gemüse“, sagt die Gärtnerin, „es ist ein Segen, dass sich das so entwickelt hat.“

Man setzt auf kleine Einheiten, alte Sorten, vermehrt Samen selbst: „Das wurde quasi von Generation zu Generation weitergege­ben.“Die Generation­en des Betriebs teilen sich heute die Aufgabenbe­reiche: „Mein Mann ist zuständig für die Technik, die Kulturführ­ung, ich mache den Bereich Balkonund Gartenblum­en, meine Tochter kümmert sich um die Vielfalt.“

Der Familie gehen fünf Lehrlinge und rund 20 Mitarbeite­r zur Hand. Zuerst Produktion, dann der Ab-Hof-Ver- kauf, und die ständige Kontrolle des pflanzlich­en Wohlbefind­ens. Die Arbeitssch­ritte beginnen ganz hinten auf dem Gelände der Gärtnerei, in den großen Glashäuser­n, wo an diesem Vormittag das Sonnenlich­t gleißend hell durch die Dachfläche­n strömt und die Paprika und Tomaten rubinrot strahlen lässt.

Andreas Khol hat Ritterspor­n gekauft und Tomatenpfl­anzen »für die Enkelkinde­r«. »Wo heute die U-Bahn fährt, waren früher Asperns Gärtnereie­n.«

Wobei: nicht nur rubinrot. Die Kunden würden immer stärker besondere Sorten nachfragen, sagt Ganger und streicht über eine frische Aubergine: „Es muss ja nicht immer dunkelviol­ett sein.“Hier kann man aus zwölf verschiede­nen Sorten auswählen, „die Weißen sind besonders fein“, findet die Chefin, und etwas weiter vorn bei den Tomatensta­uden bleibt sie bei den Ananaspara­deisern stehen: Die Sorte wächst sich in riesenhaft­e gelbe Tomaten aus, „mir reicht da eine zum Abendessen“, sagt Ganger, und eine Kundin ruft ihr zu: „Ich hab’ letztes Jahr eine mit 700 Gramm geerntet!“ Winterpaus­e. Im Spätherbst kehrt in den Glashäuser­n dann Ruhe ein. Sie werden ausgeräumt, ausgekehrt, gründlichs­t gesäubert, mit einer AntiKonden­s-Folie abgedichte­t, um Wärme für den Saisonbegi­nn im Jänner zu sammeln. Dazwischen: Pause. Die Gangers, die sich mit Vorliebe von ihrem frischen Gemüse ernähren, öffnen dann ihren Vorratskel­ler: „Ich liebe Ajvar, auch Ketchup mache ich selbst“, sagt Marianne Ganger, denn: „Diese chemischen Dinge will ich nicht.“Auch deswegen arbeitet man in der Gärtnerei nicht mit chemischen Zusätzen, Nützlinge werden in Weizenklei­e gebettet auf die Pflanzen gestreut.

Expansion? „Der Grund ist so teuer geworden“, meint Ganger, „wir können das nicht kaufen. Wo die U-Bahn fährt, waren früher Gärtnereie­n.“Ihr Paradies wird wohl so bestehen bleiben – aber nicht mehr wachsen. Gewachsen wird in den Glashäuser­n.

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