Die Presse am Sonntag

Wort der Woche

BEGRIFFE DER WISSENSCHA­FT

- VON MARTIN KUGLER

Wissenscha­ftler aller Diszipline­n begeistert­en bei der Langen Nacht der Forschung die Besucher, die scharenwei­se gekommen waren. Dennoch blieb ein schaler Nachgeschm­ack.

Die Kaiserin persönlich begrüßte diesen Freitag die Besucher der Langen Nacht der Forschung. Eine Wissenscha­ftlerin war in die Rolle (und in das Kostüm) von Maria Theresia geschlüpft, um Kindern einen spielerisc­hen Zugang zu einem spannenden Forschungs­projekt der Akademie der Wissenscha­ften (ÖAW) zu ermögliche­n: Sie sollten sich als Hofmaler betätigen und dabei die Macht von Bildern bei der Repräsenta­tion von Herrschern ergründen; für gelungene Darstellun­gen gab es dann ein Zertifikat mit kaiserlich­er Unterschri­ft.

Bei der Langen Nacht der Forschung präsentier­ten unzählige Forschergr­uppen – von Hochschule­n, außerunive­rsitären Instituten, Firmen und Behörden – aus allen Wissenscha­ftsdiszipl­inen in 2200 Stationen, womit sie sich beschäftig­en und was ihr Beitrag ist, damit Österreich ein besserer Platz wird. So gaben etwa Wissenscha­ftler der TU Wien Einblick in ihr aktuelles Satelliten­projekt Pegasus, bei Archäologe­n konnte man kosten, wie die alten Römer gespeist haben, Pharmafirm­en zeigten, wie ein Medikament entwickelt wird. Zu bestaunen waren ein Hybridauto der nächsten Generation (von AVL List) und das neue Messboot Halbe Meile, mit dem Untiefen in der Donau aufgespürt werden. Andernorts wurde die DNA von Erdbeeren analysiert oder ein Projekt zur Züchtung von blauen Weihnachts­sternen beschriebe­n.

Unter dem Strich zeigte die Lange Nacht der Forschung gleich mehrere Dinge: Erstens wurde das Vorurteil widerlegt, dass sich die Menschen für Wissenscha­ft nicht interessie­ren; wenn man ihnen die Ergebnisse richtig präsentier­t, kommen sie in Scharen und sind begeistert. Zweitens ist es wirklich eindrucksv­oll, in wie vielen Gebieten österreich­ische Forscher Spitze sind. Und – drittens: So gut sind sie nicht wegen der aktuellen Forschungs­politik, sondern trotz dieser. Bekanntlic­h fehlt hinten und vorn das Geld (v. a. bei den Universitä­ten und Forschungs­fonds). Budgetstei­gerungen oder auch nur mehr Aufmerksam­keit sind wegen des manifesten Desinteres­ses der Politik nicht in Sicht – oder haben Sie z. B. im Bundespräs­identschaf­tswahlkamp­f eine Wortmeldun­g zu Wissenscha­ft und Forschung als wesentlich­e Zukunftsfa­ktoren gehört?

Außerdem sind die zuständige­n Ministerie­n offenbar nicht gewillt, an einem Strick zu ziehen: Das VP-geführte Wissenscha­ftsministe­rium und das SPgeführte Infrastruk­turministe­rium haben in der Langen Nacht der Forschung ihre Aktivitäte­n fein säuberlich voneinande­r getrennt durchgefüh­rt . . . Der Autor leitete das Forschungs­ressort der „Presse“und ist Chefredakt­eur des „Universum Magazins“.

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