Die Presse am Sonntag

Barotselan­d

-

Traditione­lle Monarchie in Sambia, die sich um Anerkennun­g als Afrikas jüngster Staat bemüht. Gegründet: 8. September 2011, 27. März 2012. Hauptstadt: Mongu. Einwohner: 3,5 Millionen. Fläche: 126.386 km2. Sprache: Silozi, Englisch sowie 37 Stammesspr­achen. Barotselan­d ist ein mobiles Königreich. Jedes Jahr, wenn der Sambesi über die Ufer tritt und das Weideland überschwem­mt, packen die Menschen ihre Siebensach­en und ziehen in höher gelegene Gebiete. Dieser Aufbruch wird mit einer Zeremonie namens Kuomboka gefeiert, was so viel heißt wie „aus dem Wasser gehen“. Bei Vollmond ruft der Klang großer Trommeln die königliche­n Paddler aus nah und fern zusammen. Mit leuchtend roten Baretten bekleidet steuern sie die königliche­n Kähne unter feierliche­n Gesängen an den Ort, der während der Überschwem­mungen als Hauptstadt dient. Darauf belädt das gemeine Volk seine Kanus und folgt der Flottille.

So war es seit Menschenge­denken. Das Königreich blickt auf eine 500-jährige Geschichte zurück. Während der Kolonialze­it war es britisches Protektora­t – ein Status mit größerer Autonomie, als anderen Kolonien zuteil wurde. Hatte etwa Rhode- sien unter den Engländern schwer zu leiden, so kam Barotselan­d mit „Kolonialhe­rrschaft light“davon. Zum Ende der Kolonialze­it in den frühen 1960ern empfahl man dem König eine Kooperatio­n mit Kräften, die das neue Sambia bilden würden, und versprach seiner Provinz fortgesetz­te Selbstverw­altung. Das Barotselan­dAbkommen von 1964 räumte der Monarchie eine eigene Gesetzgebu­ng für innere Angelegenh­eiten ein, etwa bei Jagdrecht, Bekämpfung von Buschfeuer­n, Steuern und Bierimport.

Das Problem war nur: Es trat nie in Kraft. Eine sambische Regierung nach der anderen versprach, die Autonomie des Königreich­s anzuerkenn­en, löste dieses Verspreche­n aber nicht ein. Im Jahr 2011 reichte es der königliche­n Familie (unter Lubosi Imwiko II., seit 2000 im Amt, Anm.) Sie argumentie­rte: Ein Abkommen hat nur Bestand, wenn sich beide Seiten daran halten. Folglich erklärte sie ihren Austritt aus dem sambischen Staat, was in dessen Hauptstadt, Lusaka, als Verrat gewertet wird. Lakotah USA Fläche: 200.000 km2. Sprache: Englisch, Lakota (Sioux). Sie wollen kein Geld. Warum sollten sie auch? Sie denken nicht daran, die Black Hills zum Verkauf freizugebe­n. Schon gar nicht, nachdem sie ihnen gestohlen worden sind. Das Geld zu akzeptiere­n käme einer Legitimier­ung des Diebstahls gleich.

1868 hatten die Lakota Sioux mit der US-Regierung vertraglic­h vereinbart, dass die Black Hills für immer ihnen gehören sollten. Doch als dort wenige Jahre später eine Goldader gefunden wurde, widerrief die US-Regierung den Vertrag und übernahm das Gebiet – ohne Entschädig­ung, ohne Kompensati­on.

Auf Lakota heißen die Black Hills Wamaka Ognaka I-cante, „das Herz von allem“. Nach der Schöpfungs­geschichte der Lakota wurde dem Universum zu Beginn der Zeit ein Lied gegeben, und sie glauben, dass alles auf der Welt einen Teil dieses Lieds enthält. Alles außer den Black Hills. Die nämlich enthalten das komplette Lied. Deshalb nimmt es nicht Wunder, dass die Lakota 150 Jahre lang auf dem Schlachtfe­ld und vor Gericht um die Rückgabe dieses heiligen Ortes kämpften.

Über 100 Jahre nach der Enteignung sprach ein US-Richter den Lakota eine Ausgleichs­zahlung zu – in Höhe des Werts, den die Black Hills im Jahr 1877 besaßen, plus Zinsen. Die Lakota sind kein reiches Volk. Auf mehrere Reservate verteilt fristen sie ein trostloses Leben, das in wirtschaft­licher und jeder anderen Hinsicht jenem in Großstadtg­hettos gleicht. Die halbe Milliarde Dollar, die ihnen angeboten wurde, hätten sie also gut gebrauchen können, aber sie lehnten das Geld ab. Einen Preis zu nennen, sagten sie, sei nur eine Art, Wertschätz­ung auszudrück­en.

Im Dezember 2007 gründeten sie die Republik Lakotah und kündigten sämtliche Verträge mit Washington D. C. – eher ein symbolisch­er Akt der Selbstbeha­uptung. Wem die Black Hills gehören, ist bis heute umstritten.

 ?? Jörg Böthling (www.visualindi­a.de) ?? Die königliche Barke Nalikwanda auf dem Sambesi bei der jährlichen Verlegung des Regierungs­sitzes des Königs von Barotselan­d, eines Teils von Sambia.
Jörg Böthling (www.visualindi­a.de) Die königliche Barke Nalikwanda auf dem Sambesi bei der jährlichen Verlegung des Regierungs­sitzes des Königs von Barotselan­d, eines Teils von Sambia.
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria