Audienz im Schlafzimmer der Kaiserin
Am 8. Juli wird das neu gewählte Staatsoberhaupt der Republik seine Amtsräume in monarchischem Ambiente, im Leopoldinischen Trakt der Hofburg, kennenlernen. Ein Büroarbeitsplatz wie viele, nur eben in einem alten kaiserlichen Palast? Nicht ganz. Die Gesch
In Europas Herrscherresidenzen ging es nicht immer gesittet zu. In der berüchtigten Bartholomäusnacht klebte vielen im Pariser Louvre das Blut der Hugenotten an den Stiefeln. Wie Henker und Mörder im Londoner Tower mit ihren hochadeligen Opfern umgingen, wissen wir aus den Stücken William Shakespeares, ganz zu schweigen vom Moskauer Kreml, in dem Zaren, von ihrem Gewissen geplagt, nächtens halb wahnsinnig in den Gängen heulten. Ähnliche Grausamkeiten finden wir in der beinahe 800 Jahre zurückgehenden Geschichte der Wiener Hofburg nicht, sieht man einmal ab von einigen prominenten türkischen Häftlingen, die nach der ersten Belagerung Wiens in einem Gewölbe beim Michaelertor unter nicht ganz menschenrechtskonformen Haftbedingungen eingesperrt waren. Doch im Großen und Ganzen bietet der umfangreiche Residenzkomplex in der südlichen Gegend der Wiener Innenstadt bei historischer Betrachtung wenig Stoff für Geschichten über Häscher, Henker, Spitzel oder gar blutig ausgetragene Familienfehden. Kein Rasputin weit und breit, vielmehr erwiesen die Oberhäupter der habsburgischen Dynastie, die hier amtierten, wohnten, Ehen auspaktierten und vollzogen, nicht nur den Mitgliedern ihrer Familie den gebührenden Respekt, sondern auch dem Gebäude, das ihr Leben umschloss.
Sie hatten zwar durchaus den Ehrgeiz, ihre Vorgänger durch monumentale Bauten zu übertrumpfen, sie taten das aber nicht, indem sie die alten Wohntrakte der Hofburg systematisch abrissen, sondern beließen sie respektvoll und bauten immer neue Gebäude hinzu. So erfolgten im Lauf der Jahrhunderte Ausbauten, Umbauten und immer wieder Neubauten, und es entstand ein weltweit singuläres asymmetrisches Konglomerat an Gebäuden von atemberaubender Stilvielfalt, das in seiner Komplexität wohl nur noch vom Vatikan oder dem Louvre über- troffen wird. Du, glückliches Österreich, baue! Alles begann mit einer viereckigen Festung mit Ecktürmen rund um einen kleinen Hof (er heißt heute „Schweizerhof“) auf einem strategisch günstigen, weil hoch gelegenen Flecken der Wiener Innenstadt. Man konnte von hier aus in Richtung Donau die Häuser der Stadt überblicken. Irgendwann im 13. Jahrhundert war das Bedürfnis nach einer fixen Residenz entstanden, die Babenberger hatten bekanntlich großteils „ambulant“, als herumreisende Herrscher, die Macht ausgeübt, mal von Melk aus, dann von Tulln, Enns oder Klosterneuburg. Nachweisbar ist 1275 eine Burg zu Wien, als vorübergehend der böhmische König Ottokar hier die Macht an sich riss und von einem Burgkastell aus regierte. 640 Jahre Wohnsitz. Hatte er sich das selbst erbauen lassen, so war es eine Fehlinvestition. Ottokars Herrschaft war nur kurz, er wurde von Rudolf, dem Ahnherrn der Habsburger-Dynastie in Österreich, besiegt und abgelöst. Der setzte sich nun in das bereits vorhandene „Castro Wiennensi“, seine Familie verließ es erst nach 640 Jahren wieder.
In dieser Zeit wurde gebaut und gebaut, jeder Trakt der Anlage stammt aus einem anderen Jahrhundert. Die Hofhaltung wurde größer, der Stolz auf die Residenz auch: Rudolf IV., der bekanntlich nicht zu Minderwertigkeitskomplexen neigte, sprach „von unsern fürstlichen palas der purg ze Wien“. Nicht immer war die „purg ze Wien“Habsburgs Mittelpunkt, die Dynastie hatte noch andere Standbeine, 1485 musste man sogar fünf Jahre lang ein fremdes, ein ungarisches Herrscherpaar hier dulden: Matthias Corvinus und seine Frau, ein lebensfrohes und gebildetes Renaissance-Ehepaar. Der große Maximilian I. liebte bekanntlich Innsbruck und Wiener Neustadt mehr als Wien, Rudolf II. hielt sich öfter in Prag auf, da verlor die Hofburg etwas an Glanz; Maria Theresia liebte Schön- brunn mehr, Kaiserin Elisabeth liebte gar nichts in Wien und bevorzugte das Mittelmeer.
Begibt man sich in den heutigen Inneren Burghof und pflanzt sich vor dem Denkmal von Kaiser Franz II./I. auf, so kann man sich erstens mit einiger Fantasie als Zuschauer des barocken Rossballetts fühlen, das hier zur Vermählung Kaiser Leopolds I. am 24. Jänner 1667 stattfand; man gewinnt zweitens einen guten Überblick über die Anlage: Der Schweizertrakt, der mittelalterliche Block, die ursprüngliche gedrungene Festung mit der Hofburgkapelle, dem schönen Renaissancetor und dem Graben davor, über den man sich sehr leicht eine Zugbrücke imaginieren kann, ist unverkennbar der älteste Teil. Genau gegenüber wurde im 16. Jahrhundert die Amalienburg gebaut. Noch war sie mit dem alten Teil unverbunden, aber nicht sehr lang: Im 17. Jahrhundert verband Kaiser Leopold I. auf der heutigen Heldenplatzseite die beiden Gebäude durch einen langen Trakt mit relativ schmuckloser Fassade. Er ist als Leopoldinischer Trakt seit Beginn der Zweiten Republik Amtssitz des Bundespräsidenten. Abgeschlossen wurde der Burghof auf der gegenüberliegenden Seite durch den