Culture Clash
FRONTNACHRICHTEN AUS DEM KULTURKAMPF
Wen wählen? Spätestens in zwei Jahren wird kein Stein mehr auf dem anderen bleiben. Dann werden wir merken, wie wichtig es 2016 war, den richtigen Präsidenten zu wählen.
Sie können natürlich auch aus unernsten Gründen entscheiden, wem Sie ihre Stimme geben: dem Kandidaten, der Ihnen am sympathischsten ist. Oder dem jüngsten. Oder dem, dessen Partei Ihnen leidtut, weil Sie sie schon gekannt haben, als sie noch sooo groß war. Oder weil er eine Frau ist. Oder ein Mann. Oder weil sein Name aus zwei Silben besteht und sich die Österreicher nie für einen Einsilbigen entscheiden (mit einer Ausnahme seit 1945: Adolf Schärf, aber der trat nur gegen Denk und Raab an).
Ernsthaft zählt aber nur ein Kriterium: Von wem möchten Sie, dass er als Bundespräsident nach der nächsten Nationalratswahl – spätestens 2018 – die Regierungsbildung in die Wege leitet? Nachdem das österreichische Nachkriegsparteiensystem zusammengebrochen ist und nichts mehr so sein wird wie bisher.
Das kann ein noch viel heiklerer Job werden als jener im Jahr 2000, der Thomas Klestil immerhin dazu gebracht hat, neue Maßstäbe in der Anwendung expressiver Angelobungsmimik zu setzen. Soll der Präsident H. C. Strache mit der Regierungsbildung beauftragen, wenn die FPÖ Wahlsieger wird (wonach es ausschaut)? Oder auf Rot-SchwarzGrün hinarbeiten? Ein Expertenkabinett wagen? Und wer wird uns in all den Turbulenzen Zusammenhalt und Zuversicht geben? Erinnern Sie sich noch, wie das 2000 war, mit der unterirdisch zur Angelobung huschenden Regierung und den dezent wehenden Bürgerkriegsaromen in der Wiener Luft? Dabei war damals noch der vergleichsweise staatsmännische Wolfgang Schüssel der Aufreger.
Alles wird anders. Dabei war es noch 2004 wie immer: ein SPÖ-Kandidat, eine ÖVP-Kandidatin, und aus. Diesmal sagen die Umfrager den Kandidaten dieser beiden Parteien gemeinsam nur noch 25 Prozent voraus. Wenn Andreas Khol Pech hat, bekommt er sogar weniger Stimmen als Richard Lugner bei dessen erstem Antreten.
Das Zerbröseln des großkoalitionären Systems, das sich seit 1945 die Macht in Österreich teilt, wird heute offensichtlich. In Interessenvertretungen und Landtagen wird es sich zwar mitunter noch lang halten. Aber im Nationalrat könnte es schon bald vorbei sein. Was, wenn einer der beiden Koalitionäre nicht in Umklammerung des anderen untergehen will und sich lossagt, um das Heil in oppositioneller Erneuerung zu suchen? Dann könnte schon früher als 2018 das schwerste tektonische Polit-Beben ausbrechen, das wir seit 1945 hatten. Alles ist dann neu, anders, unheimlich. Und dann wird es auf den Bundespräsidenten ankommen. Darum ist es heute so wichtig, dass wir den Richtigen wählen.
Wenn ich nur wüsste, wer das ist. Der Autor war stv. Chefredakteur der „Presse“und ist nun Kommunikationschef der Erzdiözese Wien.