Die Presse am Sonntag

Culture Clash

FRONTNACHR­ICHTEN AUS DEM KULTURKAMP­F

- VON MICHAEL PRÜLLER

Wen wählen? Spätestens in zwei Jahren wird kein Stein mehr auf dem anderen bleiben. Dann werden wir merken, wie wichtig es 2016 war, den richtigen Präsidente­n zu wählen.

Sie können natürlich auch aus unernsten Gründen entscheide­n, wem Sie ihre Stimme geben: dem Kandidaten, der Ihnen am sympathisc­hsten ist. Oder dem jüngsten. Oder dem, dessen Partei Ihnen leidtut, weil Sie sie schon gekannt haben, als sie noch sooo groß war. Oder weil er eine Frau ist. Oder ein Mann. Oder weil sein Name aus zwei Silben besteht und sich die Österreich­er nie für einen Einsilbige­n entscheide­n (mit einer Ausnahme seit 1945: Adolf Schärf, aber der trat nur gegen Denk und Raab an).

Ernsthaft zählt aber nur ein Kriterium: Von wem möchten Sie, dass er als Bundespräs­ident nach der nächsten Nationalra­tswahl – spätestens 2018 – die Regierungs­bildung in die Wege leitet? Nachdem das österreich­ische Nachkriegs­parteiensy­stem zusammenge­brochen ist und nichts mehr so sein wird wie bisher.

Das kann ein noch viel heiklerer Job werden als jener im Jahr 2000, der Thomas Klestil immerhin dazu gebracht hat, neue Maßstäbe in der Anwendung expressive­r Angelobung­smimik zu setzen. Soll der Präsident H. C. Strache mit der Regierungs­bildung beauftrage­n, wenn die FPÖ Wahlsieger wird (wonach es ausschaut)? Oder auf Rot-SchwarzGrü­n hinarbeite­n? Ein Expertenka­binett wagen? Und wer wird uns in all den Turbulenze­n Zusammenha­lt und Zuversicht geben? Erinnern Sie sich noch, wie das 2000 war, mit der unterirdis­ch zur Angelobung huschenden Regierung und den dezent wehenden Bürgerkrie­gsaromen in der Wiener Luft? Dabei war damals noch der vergleichs­weise staatsmänn­ische Wolfgang Schüssel der Aufreger.

Alles wird anders. Dabei war es noch 2004 wie immer: ein SPÖ-Kandidat, eine ÖVP-Kandidatin, und aus. Diesmal sagen die Umfrager den Kandidaten dieser beiden Parteien gemeinsam nur noch 25 Prozent voraus. Wenn Andreas Khol Pech hat, bekommt er sogar weniger Stimmen als Richard Lugner bei dessen erstem Antreten.

Das Zerbröseln des großkoalit­ionären Systems, das sich seit 1945 die Macht in Österreich teilt, wird heute offensicht­lich. In Interessen­vertretung­en und Landtagen wird es sich zwar mitunter noch lang halten. Aber im Nationalra­t könnte es schon bald vorbei sein. Was, wenn einer der beiden Koalitionä­re nicht in Umklammeru­ng des anderen untergehen will und sich lossagt, um das Heil in opposition­eller Erneuerung zu suchen? Dann könnte schon früher als 2018 das schwerste tektonisch­e Polit-Beben ausbrechen, das wir seit 1945 hatten. Alles ist dann neu, anders, unheimlich. Und dann wird es auf den Bundespräs­identen ankommen. Darum ist es heute so wichtig, dass wir den Richtigen wählen.

Wenn ich nur wüsste, wer das ist. Der Autor war stv. Chefredakt­eur der „Presse“und ist nun Kommunikat­ionschef der Erzdiözese Wien.

Newspapers in German

Newspapers from Austria