Die Presse am Sonntag

Therapie für eine gespaltene Nation

Ein Mediator un© ein Psychother­Żpeut erkl´ren, wŻs mŻn gegen ©ie PolŻrisier­ung ©er GesellschŻ­ft mŻchen könnte.

- VON MARTIN FRITZL

Österreich ist ein Land, das weitgehend auf Konsens aufgebaut ist – konnte man zumindest bis vor Kurzem meinen. Bei allen Gegensätzl­ichkeiten in Gesellscha­ft und Politik gab es doch ein Grundverst­ändnis gegenseiti­ger Akzeptanz. Doch dann kam der Flüchtling­sstrom und spaltete das Land: In Helfer und Skeptiker. Oder, unfreundli­cher formuliert: In naive Anhänger der Willkommen­skultur und Fremdenhas­ser. Die Präsidents­chaftswahl gab dieser Spaltung auch politisch Ausdruck: Hier die Van der Bellen-Anhänger, dort die Hofer-Wähler.

Dass beide Lager annähernd 50 Prozent erreicht haben, verstärkt das Bild einer gespaltene­n Nation, in der hinter der Sachfrage „Wie geht man mit Flüchtling­en um?“viele Bruchlinie­n sichtbar sind: Stadt gegen Land, sozial Benachteil­igte gegen Gebildete, gesellscha­ftlich Liberale gegen Traditiona­listen, um nur einige zu nennen. Die Gefahr, dass diese Polarisier­ung bestehen bleibt und zu einem zunehmend schärferen Ton in der politische­n Auseinande­rsetzung führen wird, besteht. Lässt sich das ändern? Die „Presse am Sonntag“hat mit zwei Fachleuten gesprochen, die sich profession­ell mit Konflikten befassen. Ein Mediator für das Land. Unlösbar scheinende Konflikte ist Herbert Drexler in seiner Berufsprax­is gewohnt. Trotzdem könne es gelingen, so der Präsident des Bundesverb­ands für Mediation, tragfähige Lösungen zu finden. Und zwar wie? In Konfliktsi­tuationen prallen „subjektive Wirklichke­iten“aufeinande­r, so Drexler. Jeder reklamiere für sich, dass seine Wirklichke­it die Wahrheit ist. Der erste Schritt der Mediation sei es, den Menschen zu helfen, dass sie erkennen, dass die subjektive Wirklichke­it eben subjektiv ist. Und dass sie andere Wirklichke­iten erkennen und anerkennen können.

Die wichtigste Voraussetz­ung dafür ist, die Mediation auch zuzulassen: Diese beruht auf Freiwillig­keit. Die Mediation ist ein moderierte­r Prozess, in dem es nicht darum geht, dass einer seinen Standpunkt aufgibt, sondern gemeinsam eine interessen­sbasierte Lösung zu finden. Aufgabe des Mediators ist es auch, eine Eskalation durch Emotionen zu verhindern.

Die Methode wird bereits vielfach angewandt. Beispielsw­eise bei Konflikten in Unternehme­n, bei Scheidunge­n, bei Nachbarsch­aftsstreit­s, bei denen man einen Mediations­versuch nachweisen muss, ehe man vor Gericht gehen kann. Aber auch in politiknah­en Bereichen hat das Verfahren bereits Einzug gehalten: Bei großen Bauprojek- ten mit massiven Widerständ­en der Anrainer wird mittels Mediation versucht, gemeinsame Lösungen zu finden.

Stolz ist Drexler auf ein Projekt im Bereich der Schulen: Der Verband bildet Schüler zu Peer-Mediatoren aus, als Antwort auf die Konflikte, die auch in den Schulen zunehmen. Drexler: „In Amerika schult man die Lehrer im Gebrauch der Waffe. Auch eine Methode, mit Konflikten fertigzuwe­rden.“

Und in der aktuellen Flüchtling­sfrage? Auch da wäre Mediation möglich, meint Drexler. Der Mediator müsste darauf hinweisen, dass über grundlegen­de Bedürfniss­e der Menschen diskutiert wird, nicht über

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Mediator Herbert Drexler: „Es geht nicht darum, dass einer seinen Standpunkt aufgibt, sondern es soll gemeinsam eine Lösungen gefunden werden.“

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