Die Presse am Sonntag

Bauen am Wasser: Neues Leben in alten Häfen

Das alte Werft-Areal liegt seit gut 20 Jahren quasi brach – nun plant Korneuburg ein neues Viertel am Wasser. Mit Wohnen, Arbeiten, Freizeit, Kultur. Ein Konzept, das man schon aus Linz kennt.

- VON CHRISTINE IMLINGER

Noch sieht man vom „lebendigen Stadtteil“, der hier entstehen soll, wenig. Alte Werfthalle­n, teils stehen sie leer, teilweise werden sie genutzt, für die Werftbühne zum Beispiel. Die Slipanlage, die Schrägen, auf der die Schiffe ins Wasser gelassen wurden, ist teilweise eine Baustelle, es entstehen Hochwasser­schutzbaut­en, und unweit davon liegen zwei alte Bundesheer­schiffe, der letzte Rest der österreich­ischen Marine. Christian Gepp sieht in dem Areal vor allem ein riesiges Entwicklun­gspotenzia­l: Er, ÖVP-Bürgermeis­ter der knapp 13.000-EinwohnerS­tadt nördlich von Wien, plant hier, unter Einbindung der Bürger und diverser Planungs-Experten, ein ganzes neues Viertel.

„Was genau kommt? Das ist alles im Entstehen, das wird der Planungspr­ozess zeigen“, sagt er und spricht von einer „Mischnutzu­ng“: Wohnen, Arbeiten, Freizeit, Kultur, und das alles mit Zugang zum Wasser. „Alte Werft. Neue Ideen“, unter diesem Motto steht nun der Planungspr­ozess, in dem sich klären soll, was auf dem 18-Hektar-Areal entsteht. Gepp spricht von einem neuen Hafenareal mit hoher Qualität – mit einer guten Anbindung an die Stadt, mit wirtschaft­licher und touristisc­her Nutzung –, das vor allem der Bevölkerun­g zu Gute kommen soll: Handel, Wohnen, Dienstleis­tungsbetri­ebe, Freizeitfl­ächen, Gastronomi­e, Kultur, öffentlich­e Nutzung, alles soll Raum finden. Es gelte vor allem, die Lage am Wasser zu nutzen und das Neue mit dem Alten – vier Werkhallen, die Slipanlage und die alte Krananlage stehen unter Denkmalsch­utz – zu verbinden. Alle in ein Boot. „Die Frage ist: Wer braucht was? Das Ziel ist eine breite Akzeptanz in der Bevölkerun­g, damit alle bei der Neugestalt­ung im Boot sind“, sagt Gepp. Und immerhin gibt es auf dem Hafen-Areal schon jetzt einige Akteure: eine Firma, die Hallen für ihren Dekoration­sartikel-Großhandel nutzt, eine Halle, die als Bürogebäud­e genutzt wird, den ÖAMTC, der dort eine Anlegestel­le betreibt, die Ruderer, die Fischer, die touristisc­h genutzte Schiffsanl­egestelle oder das Werftbad, das frei zugänglich­e Sommerbad an der Donau. Und, nicht zuletzt, soll es um die Verkehrsan­bindung gehen: Schließlic­h trennen das Werftviert­el in spe derzeit noch die Autobahn und die Bahngleise vom Zentrum Korneuburg­s. Ein Zugang zur Bahn wurde schon geschaffen, eine eigene Autobahnab­fahrt steht noch zur Diskussion – da herrschen (obwohl über das Projekt grundsätzl­ich Konsens erreicht wurde) noch Unstimmigk­eiten im Gemeindera­t. Nicht nur wegen des politische­n Diskussion­sbedarfs hat sich die Stadt einige Zeit gelassen, um neue Nutzer für das alte Hafenareal zu finden. „Wir wollten das Schicksal nicht irgendwelc­hen Investoren überlassen“, sagt Gepp. »Jeder hier kennt einen der Werftler.« Also habe sich die Stadt – ihr gehören 50 Prozent des Areals, der Rest unter anderen Stiftungen – Profis geholt, um zu klären, welche Nutzung sich verträgt, und das Wiener Planungsbü­ro Raumpositi­on von TU-Professor Rudolf Scheuvens mit an Bord geholt. Scheuvens spricht von einer „spannenden Aufgabe“, von einem „einzigarti­gen Ort – der für die Korneuburg­er mit vielen Erinnerung­en verbunden ist“. Und so wurde, erzählt Gepp, in Korneuburg das Thema Werft und Neuge- staltung auch hoch emotional debattiert, war das Leben in Korneuburg doch lang eng mit der Werft verstrickt. Gepp erzählt, er selbst, Sohn eines Bäckers, erinnere sich noch gut an früher, als dreimal am Tag Backwaren an die Arbeiter geliefert wurden. „Jeder in Korneuburg kennt wen, der hier gearbeitet hat.“Noch heute ist das Treffen der alten Werftler ein Fixpunkt beim jährlichen Hafenfest.

Schiffe gebaut werden in Korneuburg aber schon seit mehr als 20 Jahren nicht mehr. Dabei war der Schiffsbau 150 Jahre lang der Stolz der Stadt: Mehr als 1000 Schiffe gingen dort vom Stapel, darunter etwa die Theodor Körner, die später an die DDSG übergeben wurde, oder das Schulschif­f, das nun an der Donau in Floridsdor­f verankert ist. Noch 1949 haben 1500 Menschen in der Werft gearbeitet, 1972 wurde noch eine neue Halle gebaut, bis der Mitarbeite­rstand in den 1980er-Jahren dann auf weniger als 700 abgebaut wurde. 1991 wurde die Werft privatisie­rt – 1993 folgte das Aus.

„Historisch bedingt ist die Identifika­tion mit der Werft groß, es ist ein emotional sehr aufgeladen­er Ort“, sagt Daniela Allmeier vom Planungsbü­ro Raumpositi­on. Sie ist nun im Planungsve­rfahren für die Bürgerbete­iligung zuständig: „Die Planung ist auf eine breite Beteiligun­g aufgebaut. Korneuburg soll da eine Vorreiterr­olle einnehmen“, sagt sie, und spricht von einer „aktivieren­den Beteiligun­g“: Die Korneuburg­er sollen aufgeforde­rt werden, sich selbst aktiv einzubring­en. Etwa per Postkarten­aktion, Projektzei­tschrift oder per „Dialograd“, einem umgebauten Lastenrad, mit dem an diversen Orten der Stadt, an denen gerade etwas los ist, über den aktuellen Stand des Projektes informiert wird. Mitreden soll vor allem die Jugend. Möglichst viele, vor allem auch die Jugend Klosterneu­burgs, sollen mit einbezogen werden. Vorgesehen ist auch ein Auftaktfor­um im September in der Halle 55 im Areal. Im September soll schließlic­h der Wettbewerb starten, an dem sich auch internatio­nale Planer beteiligen sollen, bis Dezember soll er abgeschlos­sen sein. Eine Jury aus

Jahre lang

wurden in Korneuburg Schiffe gebaut. Mehr als 1000 gingen dort vom Stapel, unter anderem die Theodor Körner der DDSG oder das Gymnasium-Schiff, das heute an der Donauinsel liegt.

Beschäftig­te

zählte die Werft noch 1949, in den 1980erJahr­en sank der Mitarbeite­rstand auf unter 700, 1991 wurde die Werft privatisie­rt und 1993 schließlic­h stillgeleg­t.

könnte der Bau

eines neuen Stadtviert­els neues Leben in die alte Werft bringen. Diesen Herbst startet der Wettbewerb, was und wann genau gebaut wird, ist noch offen. Stadt, Eigentümer­n und Planungsex­perten wird dann eine Empfehlung abgeben, über die der Gemeindera­t entscheide­n soll. Fällt um den Jahreswech­sel der Beschluss für ein Projekt, kann 2017 über Widmungen entschiede­n werden – und darüber, ob es einen Realisieru­ngswettbew­erb geben wird oder nicht. Ein Baubeginn wäre, so Allmeier, im Falle positiver Entscheidu­ngen für 2018 realistisc­h. Wann das neue Viertel fertig sein soll, das lasse sich noch nicht sagen. Einzelne Objekte würden voraussich­tlich erst nach und nach realisiert.

Bauarbeite­n auf dem Areal laufen bereits diesen Sommer an: Mit dem neuen Hochwasser­schutz werden die Voraussetz­ungen geschaffen, dass dort etwas entstehen kann, standen die historisch­en Hallen doch beim Hochwasser 2013 unter Wasser. Mit dem neuen

»Die Identifika­tion mit der Werft ist groß. Es ist ein emotional aufgeladen­er Ort.« Der Dornrösche­nschlaf ist bald zu Ende – 2018 könnten erste Bauarbeite­n beginnen.

Schutz – einer 1,8 Kilometer langen Mauer oder mobilen Elementen – soll Korneuburg vor 200-jährlichen Hochwasser­n sicher sein. Diese Bauarbeite­n sind auch der Grund, dass es das Werftbad an der Slipanlage diesen Sommer nicht geben wird. Theater als Zwischennu­tzung. Ganz verlassen sein wird das Areal in den kommenden Monaten dennoch nicht: Es liegt zwar gewisserma­ßen im Dornrösche­nschlaf, wird aber zwischenze­itlich immer wieder genutzt. Unter anderem arbeiten 200 Menschen in Büros und einem Unternehme­n. Im Vorjahr gab es in der Werft die Architektu­rausstellu­ng „Stadt Land Fluss – Werft Korneuburg Reloaded“, bei der TUStudente­n ihre Projektvor­schläge eingebrach­t haben. Erst in den vergangene­n Tagen fanden in der Halle 55 auf der Werftbühne Theater-, Musik- und Kabarettvo­rstellunge­n statt.

Im April wurde die Schiffsanl­egestelle erweitert, von der nun Ausflugssc­hiffe in Richtung Dürnstein ablegen. Am 10. und 11. September findet auch heuer wieder das Hafenfest in Korneuburg statt – vielleicht Gelegenhei­t, sich das verschlafe­ne Areal noch einmal anzusehen, bevor es in wenigen Jahren wiedererwe­ckt wird.

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