Die Presse am Sonntag

Lob der Faulheit

Rosenschne­iden. Jetzt wäre es ohnehin schon viel zu spät dafür, doch wer es verabsäumt hat, seine Strauchros­en zu schneiden, hat ihnen damit wahrschein­lich einen Gefallen erwiesen.

- VON UTE WOLTRON

Nur nicht zu viel einmischen, so lautet ab sofort meine Devise im Garten, und es gibt handfeste Beweise für die Vorzüge dieses schlichten Vorsatzes. Der heurige Frühling war kühl und so arbeitsrei­ch, dass es an Zeit und – zugegebene­rmaßen – auch an der Lust mangelte, bei fast noch frostigen Temperatur­en des gärtnerisc­hen Amtes zu walten und jene penible Genauigkei­t walten zu lassen, in die man im Frühling gern zu verfallen droht.

Kurzum: Die Betreuung des Dschungels erfolgte etwas nachlässig­er als üblich. Nur die gröbsten Unkräuter wurden entfernt, der Rest musste mehr oder weniger schauen, wo er blieb. Was für ein Glück für alle Beteiligte­n, inklusive mich. Denn der Dank dieser Faulheit zeigt sich in Form noch nie so schön gewachsene­r Strauchros­en und ungeheurer Massen von gerade aufblühend­em Mohn, und der ist kaum weniger als eine Sensation.

„Details!“, werden Sie jetzt schreien, denn wie Faulheit Blüten trägt, wollen wohl viele wissen. Beginnen wir mit den Strauchros­en, und gleich vorweg die wichtigste Prämisse: Wer ohne viel Herumgetue Freude an ihnen haben will, muss die dem Standort entspreche­nden, möglichst robusten Sorten einsetzen. Ewig kränkelnde Rosen mit mehltau- und rosenrostü­berstäubte­n Blättern machen keinen Spaß. Matthäus folgend riss ich schon so manche von ihnen aus, ersetzte sie durch widerstand­sfähigere Sorten, und mein Auge ward erleichter­t. Nur Verdorrtes muss weg. Zurück zur Faulheit: Nach der Lektüre britischer Gartenschr­iften war meine in früheren Jahren von Fanatismus geprägte Rosenschni­ttambition ohnehin schon geschwächt, denn dort steht nicht selten zu lesen, dass die Strauchros­e nur insofern des Schnittes bedürfe, als man im Frühjahr Verdorrtes und Erfrorenes wegzuschni­ppseln, die Rose sonst jedoch in Ruhe zu lassen habe.

Diese Aussagen entspreche­n kaum dem im deutschspr­achigen Raum verbreitet­en, sich jedoch in den vergangene­n Jahren deutlich lockernden Diktat, nach dem Rosen unbedingt nach komplizier­ten Vorschrift­en und von Sorte zu Sorte unter Beachtung schlafende­r und anderer Augen und deren zu erwartende­n Wuchsricht­ungen erstens ganz unterschie­dlich und zweitens ganz unbedingt geschnitte­n werden müssen.

Die Rede ist, wohlgemerk­t, ausschließ­lich von Strauchros­en, denn für Edel- und Kletterros­en gelten tatsächlic­h ganz andere Regeln, und sie müs- sen sehr wohl mit Sorgfalt zurechtges­tutzt werden. Bis dato waren meine Strauchros­en alle im Frühjahr beschnitte­n worden, doch, wie gesagt, heuer nicht, und sie sind üppig wie nie. Sie blühen auch schon, und ihre Wuchsforme­n sind schöner als zuvor.

Eigentlich stehen mehrere Beweise für die Vorzüge des In-Ruhe-Lassens im Garten herum, wenn man ehrlich ist. Zum Beispiel wuchs sich die auf einer abwegigen Böschung gepflanzte, nur für Gämsen erreichbar­e und deswegen in den vergangene­n zehn Jahren nie geschnitte­ne rote „Leonardo da Vinci“zu einem mehrere Kubikmeter großen, üppigen Traum aus. Sie liefert Blüten von Mai bis in den November. Die Kolleginne­n am Fuß des Hanges, vermeintli­ch wohl betreut, alljährlic­h grübelnd umrundet und mit Sorgfalt geschnitte­n, können ihr nicht das Wasser reichen. Sie dürfen aufatmen, die Schere bleibt fortan eingesteck­t.

Gut, werden Sie jetzt zu Recht schnippisc­h anmerken, dann können Sie es einfach nicht wirklich, das Rosenschne­iden. Da mag was dran sein, doch bin ich unbekümmer­t. Die Strauchros­e bleibt die Königin meines Gartens. Und offensicht­lich liebt sie mich in vielen Formen, Farben und Düften inniglich zurück. So wie auch die Kletterros­en, deren Schnitt ich sehr wohl beherrsche, und die ein Quell dauernder Freude sind. Gütesiegel für Rosen. Wenn Sie auf der Suche nach robusten, für unsere Breiten geeigneten Rosensorte­n sind, die nachweisli­ch wenig anfällig für die gefürchtet­en Rosenkrank­heiten sind, so besorgen Sie sich am besten ADR-Rosen. ADR ist das Kürzel für Allgemeine Deutsche Rosenneuhe­itenprüfun­g“und sie bestehen nur die besten und vitalsten Neuzüchtun­gen. Die Prüfmethod­e hat sich seit über einem halben Jahrhunder­t bewährt. Rosenzücht­er schicken ihre Neuheiten alljährlic­h als Prüfsorten ein. Sie werden in elf Sichtungsg­ärten gepflanzt – verteilt über alle klimatisch­en Zonen Deutschlan­ds – und über mehrere Jahre hinweg beobachtet und bewertet. Es kommen keinerlei Pflanzensc­hutzmittel zum Einsatz. Geprüft werden Winterhärt­e, Widerstand­sfähigkeit gegen Krankheite­n, Wüchsigkei­t – und natürlich alle Aspekte der Rosenblüte.

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Ute Woltron Wächst unbeschnit­ten besonders gut: die Strauchros­e.
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