Vo keine Nuance flöten geht
Werner Tomasi ist Betreiber einer Flötenwerkstatt – und verbittet sich jede Musikerromantik. In seinem Geschäft geht es um Globalisierung und Patentrechte.
Das Mission Statement könnte klarer nicht sein: „Wir verkaufen Flöten, wir produzieren Flöten, wir reparieren Flöten, wir entwickeln Flöten“, sagt Werner Tomasi. Das klingt so wenig nach musikalischer Verträumtheit wie nur irgend möglich. Tomasis Wiener Flötenwerkstatt ist ein international bekannter Betrieb, ein Unternehmen. Es geht um Patentrechte und Produktionsstätten, Globalisierung und Betriebsgeheimnisse.
Das mag man am Anfang gar nicht recht glauben. Die Wiener Flötenwerkstatt liegt in der Neulinggasse im dritten Bezirk. Viele Bäume, repräsentative Häuser, der Laden liegt im Souterrain. Man muss klingeln, um in das Geschäft zu kommen, und in den hell beleuchteten Räumen fühlt man sich wie in einem Hybrid aus Landesmusikschulneubau und dem Keller einer Galerie. Die Flötenköpfe, die Tomasi und seine Mitarbeiter bauen, sind hier in Glasvitrinen ausgestellt, teilweise zu Schmuckstücken verarbeitet. Nebenan liegt die Werkstatt, aus der klare Flötentriolen kommen. Gerade probieren Kunden ihre Instrumente aus. Die Stimmung ist heiter, hier treffen sich die Leute vom Fach.
Wobei – nicht nur. Tomasis Kunden sind in den musikalischen Klassen vom Philharmoniker abwärts beheimatet. Auch Musikschulkinder kommen, um hier einzukaufen. Dementsprechend breit ist auch das Angebot der Werkstatt: Die Preise für eine Flöte liegen zwischen 400 und 120.000 Euro. Nicht nur Quer-, auch Blockflöten werden hier verkauft und repariert. „Aber das hat nichts mit unserem Kerngeschäft zu tun“, sagt Tomasi. „International vertreten sind wir ausschließlich mit den Querflöten.“Die Schülerflöten verkauft er nach Wien, Niederösterreich, in das Burgenland. Die Flöten bis 4000 Euro österreichweit und in das angrenzende Ausland. Flöten bis 30.000 Euro vermarktet er europaweit. Und wenn es noch teurer wird? „Da gibt es dann in ganz Europa nur zwei, drei Geschäfte, in denen man diese Flöten kaufen kann.“Die Wiener Flötenwerkstatt gehöre dazu. „Daraus entsteht ein gewisser Tourismus, bei dem die Leute zwischen diesen Hotspots hin- und herfahren, weil man weiß: ,Ah, der hat gerade dort diese gute Flöte liegen.‘“ Nischenarbeit. Kann man denn von etwas leben, mit dem man nur eine kleine Nische besetzt? „Ja, und auch gar nicht so schlecht“, meint Tomasi, „man darf sich nur nicht auf Wien beschränken.“Als der gebürtige Osttiroler vor etwa 30 Jahren von Innsbruck nach Wien übersiedelte, stellte er erstaunt fest, dass die Musikstadt keinen Flötenspezialisten beheimatete. Dafür aber sehr viele Flötisten, die recht schnell in Tomasis damals noch ziemlich kleine Werkstatt für Reparaturen kamen.
Mit dem Erfolg eröffnete sich auch Potenzial für die Weiterentwicklung des Geschäfts. Fast genauso lang, wie Tomasi sein Wiener Geschäft betreibt, baut er mit seinem Team auch Flötenköpfe – nicht ganze Flöten also, sondern „das Bindeglied zwischen Musiker und Instrument“, wie Tomasi das knapp 20 Zentimeter lange Metallstück nennt. „Der Herr Stradivari hat vielleicht keinen Geigenbogen gebaut. Der Bogen ist aber für das Geigenspiel fast genauso wichtig wie die Geige selbst“, zieht Tomasi den historischen Vergleich. Bei der Flöte gebe es diesen Trend zur Aufspaltung hingegen erst seit wenigen Jahrzehnten. Die Wiener Werkstatt macht ihr meistes Geld mit den Flötenköpfen für Querflöten.
Ihr Chef glaubt, zum Flötenkopfbauen besonders befähigt zu sein. Er selbst war Flötist, studierte Musik. „Wenn man selbst jahrelang auf der Bühne gestanden hat, Soli gespielt hat, ist es natürlich wesentlich einfacher nachzuvollziehen, welches Problem ein Musiker hat, wenn er so oder so klingt. Wenn ich Techniker bin, ist das schwieriger.“Tomasi-Kopfstücke bekommt der geneigte Flötist ab 1200 Euro – „dann beginnt das Finetuning“, sagt Tomasi. Der teuerste seiner Flötenköpfe besteht aus 22-KaratGold und kostet über 11.000 Euro. Wie viel Handarbeit tatsächlich in so einem Stück steckt, ist ebenfalls am Preis ersichtlich. Maschinell, meint Tomasi, sei schon viel Perfektion möglich.
»Man kann in der Nische gut leben, man darf sich nur nicht auf Wien beschränken.«
„Aber beim Metall ist es so, dass sich durch die Legierung, das Kristallgefüge, das Löten, den Schliff vieles im Ton verändert – dann muss per Hand nachgebessert werden. Es gibt keine zwei Kopfstücke, die gleich klingen – wegen der Metallstruktur.“
Ständige Optimierung scheint Tomasis Leitmotiv zu sein. Er entwickelte auch eine Kinderflöte mit verbessertem Kopfstück, das er sich hat patentieren lassen. Dabei geht er davon aus, dass nach dem Auslaufen des Patents seine Version von allen großen Produzenten übernommen werden wird. Selbst der Beginn seines Unternehmens liegt im Herumbasteln an