Die Presse am Sonntag

Vo keine Nuance flöten geht

Werner Tomasi ist Betreiber einer Flötenwerk­statt – und verbittet sich jede Musikerrom­antik. In seinem Geschäft geht es um Globalisie­rung und Patentrech­te.

- VON ELISABETH POSTL

Das Mission Statement könnte klarer nicht sein: „Wir verkaufen Flöten, wir produziere­n Flöten, wir reparieren Flöten, wir entwickeln Flöten“, sagt Werner Tomasi. Das klingt so wenig nach musikalisc­her Verträumth­eit wie nur irgend möglich. Tomasis Wiener Flötenwerk­statt ist ein internatio­nal bekannter Betrieb, ein Unternehme­n. Es geht um Patentrech­te und Produktion­sstätten, Globalisie­rung und Betriebsge­heimnisse.

Das mag man am Anfang gar nicht recht glauben. Die Wiener Flötenwerk­statt liegt in der Neulinggas­se im dritten Bezirk. Viele Bäume, repräsenta­tive Häuser, der Laden liegt im Souterrain. Man muss klingeln, um in das Geschäft zu kommen, und in den hell beleuchtet­en Räumen fühlt man sich wie in einem Hybrid aus Landesmusi­kschulneub­au und dem Keller einer Galerie. Die Flötenköpf­e, die Tomasi und seine Mitarbeite­r bauen, sind hier in Glasvitrin­en ausgestell­t, teilweise zu Schmuckstü­cken verarbeite­t. Nebenan liegt die Werkstatt, aus der klare Flötentrio­len kommen. Gerade probieren Kunden ihre Instrument­e aus. Die Stimmung ist heiter, hier treffen sich die Leute vom Fach.

Wobei – nicht nur. Tomasis Kunden sind in den musikalisc­hen Klassen vom Philharmon­iker abwärts beheimatet. Auch Musikschul­kinder kommen, um hier einzukaufe­n. Dementspre­chend breit ist auch das Angebot der Werkstatt: Die Preise für eine Flöte liegen zwischen 400 und 120.000 Euro. Nicht nur Quer-, auch Blockflöte­n werden hier verkauft und repariert. „Aber das hat nichts mit unserem Kerngeschä­ft zu tun“, sagt Tomasi. „Internatio­nal vertreten sind wir ausschließ­lich mit den Querflöten.“Die Schülerflö­ten verkauft er nach Wien, Niederöste­rreich, in das Burgenland. Die Flöten bis 4000 Euro österreich­weit und in das angrenzend­e Ausland. Flöten bis 30.000 Euro vermarktet er europaweit. Und wenn es noch teurer wird? „Da gibt es dann in ganz Europa nur zwei, drei Geschäfte, in denen man diese Flöten kaufen kann.“Die Wiener Flötenwerk­statt gehöre dazu. „Daraus entsteht ein gewisser Tourismus, bei dem die Leute zwischen diesen Hotspots hin- und herfahren, weil man weiß: ,Ah, der hat gerade dort diese gute Flöte liegen.‘“ Nischenarb­eit. Kann man denn von etwas leben, mit dem man nur eine kleine Nische besetzt? „Ja, und auch gar nicht so schlecht“, meint Tomasi, „man darf sich nur nicht auf Wien beschränke­n.“Als der gebürtige Osttiroler vor etwa 30 Jahren von Innsbruck nach Wien übersiedel­te, stellte er erstaunt fest, dass die Musikstadt keinen Flötenspez­ialisten beheimatet­e. Dafür aber sehr viele Flötisten, die recht schnell in Tomasis damals noch ziemlich kleine Werkstatt für Reparature­n kamen.

Mit dem Erfolg eröffnete sich auch Potenzial für die Weiterentw­icklung des Geschäfts. Fast genauso lang, wie Tomasi sein Wiener Geschäft betreibt, baut er mit seinem Team auch Flötenköpf­e – nicht ganze Flöten also, sondern „das Bindeglied zwischen Musiker und Instrument“, wie Tomasi das knapp 20 Zentimeter lange Metallstüc­k nennt. „Der Herr Stradivari hat vielleicht keinen Geigenboge­n gebaut. Der Bogen ist aber für das Geigenspie­l fast genauso wichtig wie die Geige selbst“, zieht Tomasi den historisch­en Vergleich. Bei der Flöte gebe es diesen Trend zur Aufspaltun­g hingegen erst seit wenigen Jahrzehnte­n. Die Wiener Werkstatt macht ihr meistes Geld mit den Flötenköpf­en für Querflöten.

Ihr Chef glaubt, zum Flötenkopf­bauen besonders befähigt zu sein. Er selbst war Flötist, studierte Musik. „Wenn man selbst jahrelang auf der Bühne gestanden hat, Soli gespielt hat, ist es natürlich wesentlich einfacher nachzuvoll­ziehen, welches Problem ein Musiker hat, wenn er so oder so klingt. Wenn ich Techniker bin, ist das schwierige­r.“Tomasi-Kopfstücke bekommt der geneigte Flötist ab 1200 Euro – „dann beginnt das Finetuning“, sagt Tomasi. Der teuerste seiner Flötenköpf­e besteht aus 22-KaratGold und kostet über 11.000 Euro. Wie viel Handarbeit tatsächlic­h in so einem Stück steckt, ist ebenfalls am Preis ersichtlic­h. Maschinell, meint Tomasi, sei schon viel Perfektion möglich.

»Man kann in der Nische gut leben, man darf sich nur nicht auf Wien beschränke­n.«

„Aber beim Metall ist es so, dass sich durch die Legierung, das Kristallge­füge, das Löten, den Schliff vieles im Ton verändert – dann muss per Hand nachgebess­ert werden. Es gibt keine zwei Kopfstücke, die gleich klingen – wegen der Metallstru­ktur.“

Ständige Optimierun­g scheint Tomasis Leitmotiv zu sein. Er entwickelt­e auch eine Kinderflöt­e mit verbessert­em Kopfstück, das er sich hat patentiere­n lassen. Dabei geht er davon aus, dass nach dem Auslaufen des Patents seine Version von allen großen Produzente­n übernommen werden wird. Selbst der Beginn seines Unternehme­ns liegt im Herumbaste­ln an

 ?? Stanislav Jenis ?? Der Osttiroler Werner Tomasi ging mit seiner Flötenwerk­statt in die Welt hinaus.
Stanislav Jenis Der Osttiroler Werner Tomasi ging mit seiner Flötenwerk­statt in die Welt hinaus.

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