Die Presse am Sonntag

Der verlorene Sohn ist zurück

Fernando Torres, 32, hat eine Karriere voller Höhen und Tiefen hinter sich. Bei seiner Jugendlieb­e Atl´etico Madrid erlebt »El Ni˜no« nun einen zweiten Frühling.

- VON JOSEF EBNER

Als Teenie-Schwarm mit langen blonden Haaren und Sommerspro­ssen war Fernando Torres von seinem Stammklub Atletico´ Madrid weg in die Fremde gezogen. Acht Jahre später, nach großen Erfolgen und hartnäckig­en Tiefs, kehrte der Mittelstür­mer zurück an seine alte Wirkungsst­ätte, zurück zu seiner Jugendlieb­e, wo sie ihn immer noch als Ikone verehren. Zwischenze­itlich war der Torjäger in der Versenkung verschwund­en, nun, mit 32 Jahren, fand er wieder zur Topform und kämpfte im ChampionsL­eague-Finale gegen Stadtrival­e Real nicht nur um den größten Erfolg seiner Karriere, wie er selbst erklärte, sondern auch um das ultimative Happy End.

Mit 17 debütierte er für Atletico,´ den Klub aus dem ärmeren Süden Madrids. Damals spielte das Team in der zweiten Liga, es war ein anderes Atle-´ tico als die Mannschaft von heute, die zweimal in drei Jahren ins ChampionsL­eague-Finale einzog und zu den gefürchtet­sten Gegnern Europas gehört. Mit 19 Jahren wurde Torres Kapitän, doch sie nannten ihn wegen seines bubenhafte­n Aussehens immer noch „El Nin˜o“, das Kind. Er war es, der etwas Glanz in das Estadio Vicente Calderon´ an der Madrider Ringautoba­hn brachte. Der Stürmer aus der eigenen Jugend war die größte Hoffnung der Colchonero­s, der Matratzenm­acher, wie die Fans von Atletico´ heißen, er hielt sie bei der Stange. Diese Zeit erklärt den Status, den er bis heute im Verein genießt. Als der kommende spanische Weltstar war er aber nicht mehr zu halten. Torres ging nach Liverpool, traf bis 2011 auch dort am laufenden Band (81 Tore in 142 Partien). Der Abstieg. Mit dem Wechsel zu Chelsea ging es fortan bergab. Sein Torinstink­t, seine Kraft und Technik, auch die Leichtfüßi­gkeit waren weg. Im ersten Jahr gelangen Torres nur drei Ligatore. London wurde zum Martyrium, die Fans spotteten, und die englische Presse tat ihr Übriges. Für rund 60 Millionen Euro (damals britische Rekordablö­sesumme) war er gekommen, jedes Torres-Tor koste also 20 Millionen Euro, rechneten sie vor. Der Spanier scheiterte an den Erwartunge­n, beim Champions-League-Triumph von Chelsea 2012 war er nur Mitläufer. Heute sagt Torres: „Meine Karriere läuft so gut, ich fühle mich zuhause und bin voller Zuversicht, dass ich diese Tage nicht wieder erleben möchte.“

In London war er abgeschrie­ben, der AC Milan zahlte immerhin noch drei Millionen Euro für den Stürmer, dessen beste Zeit offenbar vorbei war. In nur zehn Partien (ein Tor) für die Rossoneri schaffte es auch Torres nicht, dem Mailänder Calcio und dem Giuseppe-Meazza-Stadion, dem Ort des Champions-League-Finales, den Glanz früherer Tage zurückzubr­ingen. Auch wenn sich Torres in der Fremde oft „verloren“gefühlt habe, wie er erzählt, seine Erfolge sind beeindruck­end: Er ist englischer Meister und Pokalsiege­r, gewann Champions League und Europa League (inklusive Tor im Finale 2013). Seine größten Erfolge feierte er aber mit La Furia Roja.

Bei seinem Debüt im spanischen Nationalte­am 2003 deutete noch nichts auf die spätere Dominanz der Iberer hin. In gewisser Weise hat Torres die spanische Epoche überhaupt erst eingeleite­t, als er im EM-Finale 2008 in Wien nach einen Steilpass von Spielmache­r Xavi den Ball zum 1:0-Sieg über Deutschlan­ds Keeper Jens Lehmann lupfte. Beim WM-Triumph der Spanier 2010 absolviert­e er als Wechselspi­eler alle Partien, blieb aber ohne Torerfolg. Und im Endspiel der EM 2012 gegen Italien (4:0) reichten ihm 15 Minuten Spielzeit für einen Treffer und einen Assist. Am Ende wurde er Torschütze­nkönig des Turniers, wenn auch nur mit drei Treffern. Im Mai 2013 war Torres mit Landsmann Juan Mata als erster Spieler gleichzeit­ig Europameis­ter, Weltmeiste­r, ChampionsL­eague- und Europa-League-Sieger.

Als Nationalsp­ieler erlebte er aber auch das Ende der spanischen Dominanz beim WM-Debakel 2014 in Brasilien. Die Euro 2016 wird Torres verpassen. In Umfragen fordern angeblich zwei Drittel der Fans sein Comeback in Frankreich, im 25-Mann-Kader von Teamchef Vicente del Bosque scheint der Angreifer aber nicht auf.

In Umfragen fordern zwei Drittel der Fans ein Comeback von Torres ins Nationalte­am.

»El Ni˜no« wird erwachsen. Dass er nicht berücksich­tigt wurde, habe ihn aber nicht überrascht, erklärte Torres. „Ich wünsche dem Team das Beste, ich bin ein Fan.“Vor dem ChampionsL­eague-Finale sei alles andere ohnehin zweitrangi­g. „Vor mir liegt das wichtigste Spiel, das ich in meinem Leben spielen werde“, erklärte er im Vorfeld. Dass Torres mit seinem Stammklub – bei seiner Rückkehr Anfang 2015 empfingen ihn an einem spielfreie­n Tag fast 50.000 im Vicente Calderon´ – überhaupt die Chance auf den ChampionsL­eague-Titel vorfand, liegt am erstaunlic­hen Aufstieg von Atletico.´ „Die Entwicklun­g des Klubs in den vergangene­n Jahren ist etwas fast Unvorstell­ba-

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Reuters Fernando Torres, einst einer der gefürchtet­sten Stürmer der Welt, ist zurück auf der großen Fußballbüh­ne.

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