Die Presse am Sonntag

Die Jagd auf den vierten Stern

Weltmeiste­r Deutschlan­d startet als einer der erklärten Favoriten in die Endrunde. „Wir sind stark, aber nicht unbesiegba­r“, sagt Teamchef Löw.

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Für Joachim Löw startete nach der Einkleidun­g seines erweiterte­n EM-Kaders am Dienstag in Frankfurt mit dem Abflug ins Trainingsl­ager die schönste Zeit als Teamchef. Endlich hat der Weltmeiste­rcoach in der Schweiz seine Nationalsp­ieler knapp zwei Wochen ganz für sich. In Ascona kann der 56-Jährige in aller Ruhe und Abgeschied­enheit an Fitness, Taktik und Mannschaft­sgeist arbeiten, um 47 Tage später in Paris möglichst den nächsten glänzenden Pokal in Händen zu halten.

Löw hat nach zehn Jahren als Teamchef Erfahrung darin, die Spieler mit einem gigantisch­en Stab aus Betreuern und Fitmachern in einen Topzustand zu bringen. „Das ist uns vor den Turnieren immer gelungen, und auch diesmal wird es so sein“, kündigte er an. „Wir brauchen den vierten Stern, als Weltmeiste­r haben wir ihn ja schon“, meinte Teammanage­r Oliver Bierhoff vor dem Start in die heiße Phase des EM-Sommers flapsig in Bezug auf die vier deutschen WM-Titel 1954, 1974, 1990 und 2014, aber eben erst drei EMTriumphe­n 1972, 1980 und zuletzt vor 20 Jahren. Löw mahnte als Gejagter unter den 24 EM-Teams: „Wir sind stark, aber auch nicht unbesiegba­r.“

Löw residierte mit seiner Auswahl schon während der EM 2008 in Österreich und der Schweiz im Luxushotel Giardino. Der ewige Lukas Podolski, der wiedererst­arkte Mario Gomez und auch Kapitän Bastian Schweinste­iger dürfen dort Deutschlan­d– Slowakei (17.45). Spanien–BosnienHer­zegowina (18). Rumänien– Ukraine (19.30). Italien–Schottland (20.45). Frankreich– Kamerun (21) Portugal– Norwegen (21.45) acht Jahre später erneut ein Zimmer beziehen. Das Ü30-Trio gehört zum 27-Mann-Aufgebot, das Löw bis Dienstag um vier Spieler reduzieren muss. „Es gibt keinen potenziell­en Streichkan­didaten. Ich habe keine Tendenz“, versichert­e Löw. Der Chefcoach möchte Konkurrenz­kampf. Auch dafür hat er die vier Youngsters Joshua Kimmich (Bayern), Julian Weigl (Dortmund), Leroy Sane´ (Schalke) und Julian Brandt (Leverkusen) einberufen. Den Auslesepro­zess sieht Löw „entspannt“. Löws Sorgenkind. Entscheide­nder ist für ihn ohnehin die Suche nach den Akteuren, die am 12. Juni in Lille gegen die Ukraine die Titeljagd eröffnen. „Die Struktur der Mannschaft und das taktische Korsett stehen“, sagte Löw bei der Bekanntgab­e seines Aufgebotes. 14 Weltmeiste­r sind dabei, zudem elf Spieler ohne Turniererf­ahrung – eine gesunde Mischung aus Erfahrung und jugendlich­er Frische.

Ob Routinier Schweinste­iger das Team wird anführen können ist die zum Start der EM-Mission spannendst­e Frage. Nach zwei Innenbandv­erletzunge­n am rechten Knie geht der Kapitän gleich mit einem Dreifach-Handicap in die Vorbereitu­ng: keine Fitness, keine Form, keine Spielpraxi­s. „Wir haben die Aufgabe, ihn an die Mannschaft heranzufüh­ren“, sagte Löw vage. Der 114-malige Nationalsp­ieler Schweinste­iger strebt sein siebentes Turnier seit seinem EMDebüt 2004 in Portugal an.

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