Mona ist tot
Oberinspektor Otto Doblhofer lehnte sich zufrieden in seinem Bürosessel zurück. Die Berichte über die Ausschreitungen nach der Bundespräsidentenwahl waren fertig geschrieben, jetzt konnte er ein wenig verschnaufen. Da klingelte das Telefon. Eine Frauenstimme schluchzte: „Ist dort die Mordkommission? Sie müssen kommen. Schnell. Mona wurde ermordet. Kaltblütig umgebracht.“
Doblhofer ließ sich die Adresse geben, stieß einen Pfiff aus, als er erkannte, dass der Mord in Döbling begangen worden war, nicht unweit von der Villa, die einst Peter Alexander gehört hatte, und machte sich auf den Weg. Vor dem Tatort erwartete ihn schon die Frau, die ihn angerufen hatte, eine Frau Lahn. Auf Doblhofers Frage „Und wo ist nun die Leiche?“deutete die Frau auf einen auf dem Boden liegenden Körper. „Das ist die Leiche?“, rief Doblhofer, als er erkannte, dass es sich dabei – um eine Katze handelte. „Ja. Meine Mona ist tot!“
„Und wegen einer toten Katze rufen Sie die Mordkommission?“„Ja. Das war kaltblütiger Mord, um mich aus dem Haus zu vertreiben.“Während Doblhofer noch überlegte, ob nicht die Einleitung eines Sachwalterverfahrens die richtige Reaktion auf diese Mordmeldung wäre, klärte ihn Frau Lahn auf: „Mir gehört dieses Haus nicht. Es war im Besitz meines Lebensgefährten. Der ist vor ein paar Monaten ohne Testament verstorben, sodass seine beiden Geschwister unter anderem dieses Haus geerbt haben. Glücklicherweise hat Helmut in einem Schreiben, einem sogenannten Kodizill, verfügt, dass ich in dem Haus wohnen bleiben darf, solange ich mich um unsere gemeinsame Katze kümmere.“
„Um Mona.“„Ja. Helmut und ich hatten keine Kinder. Aber unsere Mona haben wir über alles geliebt . . .“Wieder brach sie in Tränen aus. „Und jetzt ist Mona tot, und Sie müssen ausziehen“, zog Doblhofer eine Schlussfolgerung, die offenbar richtig war, weil Frau Lahn so heftig nickte, dass ihn einige Tränen benetzten. „Und Sie verdächtigen die Geschwister des Verstorbenen, dass sie die Katze umgebracht haben, um Ihren Auszug zu beschleunigen?“– „Ja. Einer von beiden, vielleicht auch beide zusammen müssen Mona getötet HONIGWABE
Harald Mini
lebt in Linz und arbeitet als Richter. Neben juristischer Fachliteratur schreibt er u. a. Satiren („Männer beim Friseur“und „Goldhauben für Sibirien“) und Krimis (u.a. 2 ORF-„Tatort“-Krimis) und erfindet Kinderspiele. Im LeykamVerlag sind die Thrillersatiren „Der Da Linzi-Code“und „Innominati“erschienen. www.krimiautoren.at haben.“„Vielleicht ist sie ja eines natürlichen Todes gestorben?“Frau Lahn schüttelte den Kopf. „Mona war kerngesund. Sie war auch noch jung, keine drei Jahre alt, und Katzen werden bis zu zwanzig Jahre alt.“
Doblhofer überlegte. Eine unliebsame Quartiernehmerin fünfzehn Jahre früher aus dem Haus zu bekommen, war schon ein gutes Motiv. Er ersuchte die soeben eingetroffene Gerichtsmedizinerin um Überprüfung der Todesursache. „Äußere Verletzungen weist sie nicht auf. Sie wurde also weder erschlagen noch erschossen noch erdrosselt oder Ähnliches. Auch nicht von einem Auto überfahren. Sofern es kein natürlicher Tod ist“, (Frau Lahn schüttelte energisch den Kopf ), „tippe ich am ehesten auf eine Vergiftung.“
„Ja, das kann leicht sein“, rief Frau Lahn, „Mona war eine sehr zutrauliche Katze, sie wäre ohne jeden Argwohn auf Sie zugegangen.“Doblhofer ließ sich die Adressen der Geschwister des verstorbenen Villenbesitzers geben. Es waren dies ein Bruder, von Beruf Architekt, und eine Schwester, eine Rechtsanwältin. Doblhofer suchte zunächst den Architekten auf.
„Kriminalpolizei?“, wunderte sich dieser. „Ist etwas passiert?“– „Mona ist tot.“„Mona?“Der Mann runzelte die Stirn. „Wer, bitte, ist Mona?“„Die Katze Ihres verstorbenen Bruders.“
Das Gesicht des Architekten hellte sich auf. „Tatsächlich? Das verfluchte Katzenvieh ist also endlich hin? Entschuldigen Sie, Herr Inspektor, wenn ich ein wenig pietätlos klinge in Anbetracht des Todes eines sicherlich unschuldigen Tieres, aber mein verstorbener Bruder hat eine höchst sonderbare letztwillige Anordnung hinterlassen, die mir und meiner Schwester auf Jahre den Zugriff auf seine . . . unsere Villa verwehrt. Meine Schwester hat ja versucht, Helmuts letzten Willen vor Gericht anzufechten, aber leider vergebens. Die Gerichte haben die Verfügung als rechtsgültig erklärt.“
„Sodass Sie vielleicht noch 15 Jahre hätten warten müssen, um endlich in den Besitz des Hauses zu gelangen.“Herr Mayr nickte. „Daher hätten Sie mir keine größere Freude machen können als mit dieser Todesbotschaft. Ist die Katze von einem Auto überfahren worden? Geben Sie mir die Nummer von dem Fahrer, dass ich ihm ein groß- BUCHSTABENBUND zügiges Geschenk mache . . .“
Auch die Schwester des verstorbenen Villenbesitzers freute sich über die Nachricht, dass die Katze endlich tot war, wunderte sich jedoch sehr, dass deswegen die Kriminalpolizei einschritt. „Nun, es besteht der dringende Verdacht, dass die Katze getötet wurde. Und als Anwältin kennen Sie sicherlich den Straftatbestand der Tierquälerei.“
„Ja, natürlich. Wer ein Tier roh misshandelt oder ihm unnötige Qualen zufügt etc. pp, ist mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren zu bestrafen. Und deswegen ermitteln Sie? Musste die Katze etwa leiden? Und wenn schon, das ist nichts gegen das, was mein Bruder und ich gelitten haben, als diese . . . Schlampe plötzlich mit diesem Wisch Papier dahergekommen ist, der ihr ein lebenslängliches Wohnrecht eingeräumt hat – also nicht solange sie lebt, sondern die Katze . . .“
„Sie haben diesen äh Wisch Papier bei Gericht bekämpft.“„Ja, ich habe behauptet, dass sie das Kodizill selbst aufgesetzt, also die Unterschrift von Helmut gefälscht hat, sollte es doch echt sein, dass Helmut nicht mehr bei Sinnen war, als er es schrieb – all das halt, was Anwälte so in ihrer Verzweiflung unternehmen.“
„Aber vergebens. Doch nun, da die Katze tot ist . . .“– „Werde ich augenblicklich die Räumungsklage verfassen. Sie entschuldigen mich daher, Herr Inspektor. Und um Ihrer Frage zuvorzukommen: Ich habe die Katze nicht umgebracht. Und selbst wenn ich es getan hätte – eine Gratisauskunft von mir: Das Töten eines Tieres an sich ist nicht strafbar, nur das Quälen. Und eine Vergiftung ist noch kein Quälen.“In seinem Büro angekommen, tippte Doblhofer seinen Bericht in den Computer – und setzte auch gleich hinzu, wer die Katze getötet hatte. Wen verdächtigt Doblhofer? Lösung der vergangenen Woche: Nein. Seine neue Freundin Verena war die Täterin. Sie war wohl eifersüchtig und hatte die Möglichkeit, an die Wohnungsschlüssel zu kommen. Verraten hat sie sich, weil sie ohne zu fragen wusste, wo sich das WC befand. KINDER-SYMBOL-SUDOKU